Wohnungskrise: Lebst du noch oder wohnst du schon?

7. September 2018 von in ,

Foto via unsplash, Blume via unsplash

„Früher war alles besser“, ich hasse ja diesen Spruch, der sich glücklicherweise schon aus dem Sprachgebrauch vieler Menschen gezogen hat. Aber seit ich beim wöchentlichen Spaziergang zum Markt nach Kreuzberg mit mindestens einem Flugblatt mehr in meiner Einkaufstasche rechnen kann, auf dem gegen Mieterhöhung und für fairen Wohnraum gekämpft wird, spreche ich dem verstaubten Oma-Satz etwas mehr Wahrheit zu. Denn jetzt, wo der Immobilienmarkt in gewissen Teilen Deutschlands an einem nahezu unbezahlbaren Punkt angekommen ist, bin ich passenderweise in einem Alter, in dem ich den einen oder anderen ganz hypothetischen Gedanken über den Kauf einer Wohnung verschwende. In meinen hypothetischen Gedanken versuche ich mir die Angst vor dem absurd wirkenden Plan zu nehmen, in dem ich mir Folgendes klar mache: Ich habe einen Job, ein bisschen gespart und die tausenden Menschen vor mir haben das doch auch geschafft – ohne stinkreich zu sein. Wieso sollte ich also nicht das machen können, was so viele Familien und alleinstehende Menschen vor mir geschafft haben?

Dann finde ich ein zerknülltes Flugblatt von den Grünen, den Linken oder Vereinen in meiner Einkaufstasche wieder, den ich bei meinem letzten Tomatenkauf in die Hand gedrückt bekam, und seufze. Die Wohnungskrise schreckt mich von meinem überraschend erwachsenen Gedanken ab und bringt mich auf den Boden der Tatsache zurück: Nein, ich kaufe gar nichts zu einer Zeit, in der die Nachfrage nach Wohnungen höher ist als das Angebot. Da wiege ich mich in Geduld und zahle keinen Batzen Geld für Wohnraum, der womöglich gerade am Höhepunkt des Immobilienmarkts angekommen ist. Mieten ist doch auch schön.

Man glaubt ja gar nicht, mit was man sich in der Not alles zufrieden geben kann. Der Presslufthammer am Morgen ist ja im Grunde auch nichts anderes als der urbane Hahn, der zu den ersten Sonnenstunden seine Mitmenschen aus den Betten scheucht. Da spart man sich Geld für den Wecker. Ein 12qm Zimmer ist fantastisch, schließlich ist Minimalismus gefragt und auf kleinem Raum häuft man nichts an. Jeden Tag mindestens eine Stunde in die Arbeit zu fahren ist fast schon meditativ und endlich mal die Gelegenheit, ein Buch zu lesen, das sonst so oft links liegen gelassen wird. Perfekt, eigentlich. Die Bauarbeiter, die seit über einem halben Jahr jedes Fenster der Wohnung mit einem Gerüst eingekesselt haben und täglich auf und ab marschieren, dich bereits mehrmals nackt gesehen haben und dich auch mittlerweile mit Vornamen grüßen, sind quasi schon alte Freunde, die dich in deinen intimsten Momenten zu Hause kennen und dich weniger einsam fühlen lassen in schwachen Momenten. Das kalte Wasser, das dem warmen Wasser seit Ewigkeiten die Show stiehlt, ist ein gesunder Kreislaufanreger.

Es ist wirklich schwer genug, in den großen Städten Deutschlands nur zu mieten, wieso sollte man da auch übers Kaufen nachdenken? Laut einer Studie des empirica Instituts stiegen die Mietpreise in Deutschland von 2012 bis 2016 um durchschnittlich 15%. In München um 21% und in Berlin um 28%. 2017 und 2018 ist die prozentuale Mietsteigerung zu den Vorjahren zwar gesunken, insgesamt geht der Kurs aber nur in eine Richtung, und zwar nach oben. Wer nach mehreren Jahren in einer Wohnung vor hat, seinen Wohnsitz zu wechseln, kann nahezu fest mit einer ordentlichen Mietpreissteigerung rechnen. Außer vielleicht er zieht nach Jena, eine Stadt, die sich mit sinkenden Mietpreisen rühmen kann, doch gleichzeitig andere Probleme hat, wie beispielsweise ihr Abgeschnittensein von vielen Bahnstrecken.

Was ich also eigentlich damit sagen möchte: Die Wohnungssuche macht doch wirklich überhaupt keinen Spaß mehr. Sie ist ein unbezahlbares Unterfangen, das einen nie wieder umziehen lassen möchte, vor allem wenn man sich die Megastädte Paris, London oder New York ansieht. Diese Städte beweisen nämlich: teurer geht immer. Mit einer plötzlichen Mietminderung ist also in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.

Mit dem Kauf einer Wohnung ist für mich also in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Ausschließen möchte ich den Schritt nicht, doch ich werde mich erstmal nicht mehr mit diesem Gedanken beschäftigen. Gleichzeitig kann ich doch glücklich und froh darüber sein, überhaupt eine ausreichend große und schöne Wohnung bewohnen zu dürfen, mit deren einen oder anderen Makel ich zwar zu kämpfen habe, die aber in Zeiten der Wohnungskrise in Deutschland mit ihren Vorzügen glänzt wie ein Juwel.

Und ihr? Lebt ihr noch, oder wohnt ihr schon?

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