Wie internalisierter Rassismus den Skincare-Markt formt

30. Juni 2022 von in

Mit 14 bekam ich meine allererste Hautaufhellungscreme in die Hand gedrückt. Damals habe ich nicht viel über Hautpflege gewusst (oder geschweige denn nachgedacht), denn eigentlich wollte ich nur meine Teenie-Akne loswerden und mich nicht weiter mit dem Thema befassen. Dass eine gute Creme auch den Hautton aufhellen soll, war für mich nichts Neues: Immerhin will jeder doch heller sein – so war es zumindest in meiner südasiatischen Familie, die auch heute noch weiße Haut als das absolute Epitome von Schönheit versteht.

„Geh nicht in die Sonne“, „trag lange Shirts“ und „kümmere dich endlich um deine dunklen Ellenbogen“ waren Sätze, die ich schon als Kind so oft gehört habe, dass ich eigentlich gar nicht weiß, wann das alles anfing.

Über die Jahre habe ich gelernt, was Colorism (die Tochter des Rassismus, wie Lupita Nyong’o es beschreibt) bedeutet, woher internalisierter Rassismus kommt und wieso meine Tanten gerne die hellste Foundation nutzen, auch wenn diese absolut nicht passt. Eurozentrische Schönheitsideale sind das Stichwort. Hautaufhellungscremes landeten natürlich im Müll und waren bei mir kein Thema mehr. Was gleich blieb, war mein mangelndes Interesse an Hautpflege. Zumindest bis vor dem ersten Lockdown im März 2020.

 

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Ja, es war der Lockdown 2020, der Beauty-Influencer wie Hyram boomen ließ und Glam-Make-Up ein für alle Mal zum Ding der 2010-er machte – jetzt ging es um Pflege. Wir alle waren zuhause, gingen nicht raus und wollten unserem Körper was Gutes tun – ihr kennt die Story ja. Mein persönlicher Skincare-Hype fing damit an, dass ich YouTube-Videos suchtete, als wäre es mein Job. Und kurze Zeit später hatte ich gefühlt das halbe The-Ordinary-Regal bei Douglas leergekauft.

Mit einem Haufen Produkte, die ich zu 95 % nicht verstand, fing ich dann an, ganz deep in den Reddit-Skincare-Foren nach der *idealen* Routine zu suchen.

 

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Dass es diese nicht gibt, wurde mir spätestens dann klar, als ich täglich widersprüchliche Tipps las mit Regeln, die meine Lieblings-YouTuber*innen dann für Quatsch erklärten. Aller Anfang ist schwer und das besonders dann, wenn jeder etwas anderes behauptet. Was hinzu kam: Mein persönlich ganz besonders gewichtiges Hautproblem schien in meinem Umfeld oder YouTube-Feed kaum jemanden so stark wie mich zu betreffen: Hyperpigmentierung.

Hyperpigmentierung ist die Verdunklung der Haut, die durch eine Überproduktion von Melanin oder durch eine Zunahme der Zahl der Melanozyten entsteht. Es gibt verschiedene Formen und Ursachen von Hyperpigmentierung, die auch als Pigmentflecken bekannt ist.

Je dunkler die Haut, desto anfälliger ist sie für Pigmentflecken. Der Grund: Menschen mit dunkler Haut haben einfach mehr Melaninpigmente.

Skin-Picking: Wenn man einfach nicht anders kann

Kennt ihr das, wenn ihr seht: Oh, da bahnt sich was an? Die Haut ist leicht gerötet, tut weh und man weiß, dass vor allem eins angesagt ist, wenn man keinen Pickel kriegen will: In Ruhe lassen. Etwas, was ich nie konnte. Beim ersten Anzeichen fing ich an, an meiner Haut rumzudrücken, zu kratzen und mit viel physischer Kraft dafür zu sorgen, dass keine Entzündung in meinem Gesicht entsteht. Nicht nur resultierte das in fiesen Pickeln, ich habe auch regelmäßig Hyperpigmentierungen davongetragen. Als ich im Lockdown nur noch zu Hause war und aufhörte, mich zu schminken, fiel mir das zum ersten Mal so richtig auf. Hinzu kommt, dass mein Internetkonsum meine Unsicherheit total förderte.

Vorher habe ich mir ehrlich gesagt nicht wirklich viel dabei gedacht: Narben kommen, Narben gehen (manchmal). Aber jetzt sah ich alle die schönen Menschen, ohne nur einen *Makel* im Gesicht. Und das soll auch ich erreichen können? Na dann immer her mit den Beauty-Produkten.

Idk who needs to hear this but not all of us are ashamed of our dark spots/hyperpigmentation, this is just what happens to our skin and it is what it is

— quadruple scorpio, PhD🕷🔪⛓ (@tummypain7) June 4, 2022


Nach mehreren Online-Shopping-Sprees standen diverse Dinge in meinem Badezimmer, die angeblich aufhellend wirken sollen: Vitamin C, Säurepeelings, Niacinamid und mehr. Die ersten Wochen mit meiner 10-Step-Routine gefielen meiner Haut aber mehr schlecht als recht. Nicht nur, dass die Flecken nicht weggingen (übrigens auch keine Überraschung, denn Hyperpigmentierung braucht eine lange Zeit, bis sie langsam verschwindet). Ich fühlte mich mit den ganzen Produkten im Gesicht hauptsächlich sehr schmierig. Nach etwa einem Monat fasste ich den Entschluss, eine effizientere Möglichkeit zu finden.

So stieß ich dann auf eine britische Ärztin, die für eine Weile meinen ganzen Feed füllte. Sie selbst war ebenfalls Südasiatin und erklärte, dass People of Color eigentlich ganz andere Hautpflege benötigen als weiße. Dr. Vinita Rattan, die übrigens keine Dermatologin ist, behauptete in ihren damaligen Videos, dass sie die Lösung gefunden hätte, für Leute wie mich. Ihre Tipps wurden für mich zur Religion und beeinflussten mein Kaufverhalten extrem. Falls ihr euch fragt, wie viel Geld ich zu dem Zeitpunkt schon für Skincare ausgegeben hatte: Ich gebe es ungern zu, aber es waren mehrere Hundert Euro.

Doch jetzt kam es noch schlimmer: alles, was ich von weißen YouTubern empfohlen bekommen und gekauft habe, sollte laut Dr. Rattan meiner Haut schaden!?

Einige Wochen, nachdem Dr. Rattan ihren Boom auf Social Media erlebte, sah ich, wie zahlreiche DermatologInnen und InfluencerInnen ihren Content kritisierten. Ihre Behauptung: People of Color bräuchten eigene Hautpflege. Das Gegenargument: Hautpflege-Produkte beziehen sich nicht auf eine konkrete Hautfarbe, nur bestimmte Symptome, die je nach Hautton unterschiedlich sein können.
At this point, I was done. Anscheinend gab es insbesondere bei der Hautpflege für People of Color wenig richtig und viel falsch.

Beauty and the Bleach: Kann man das noch Hautpflege nennen?

In meiner Verzweiflung überlegte ich kurzzeitig, mir ein paar wissenschaftliche Papers zu dem Thema durchzulesen, in der Hoffnung, dort dort Antworten zu finden. Siehe da: Es gibt recht wenig Studien, die sich mit der Haut von People of Color beschäftigen – insbesondere hierzulande.

Deutsche Dermatolog*innen wurden lange Zeit mit Fokus auf heller Haut geschult. Es ist ein bisschen wie mit den Foundations: Erstmal liegt der Fokus auf den hellen Hauttönen. Doch anders als bei Make-Up kann das in der Dermatologie verheerende Folgen haben. Dadurch, dass ein Großteil der bekannten Studien und Lehrbücher sich hauptsächlich oder ausschließlich mit weißer Haut beschäftigen, werden teils auch tödliche Hautkrankheiten wie bösartige Melanome auf dunkler Haut zu spät erkannt oder falsch diagnostiziert.

Mit meiner Skincare-Verzweiflung war ich nicht alleine. Hunderte von Online-Diskussionen drehten sich um Hyperpigmentierung und wie man diese wegbekommen könnte.

Auf viele Produkte, die in anderen Ländern verkauft werden, konnte man dabei leider in Deutschland nicht zugreifen. Das Phänomen ist natürlich überall auf der Welt weit verbreitet: People of Color wollen heller werden. Dementsprechend gibt es von bekannten Konzernen wie Unilever, Johnson & Johnson oder L’Oréal ein riesiges Angebot an Aufhellungscremes. Sie alle verkaufen in asiatischen und afrikanischen Ländern ihre „Bleichprodukte“. Wichtige Dinge wie Sonnenschutz, der übrigens das beste Mittel ist, um Pigmentflecken vorzubeugen, werden einfach ausgeblendet.

Ein Umdenken gibt es erst seit 2020. Die Black Lives Matter-Bewegung hat in dem Jahr auch zur Folge gehabt, dass viele Brands der Kontroverse nicht standhalten konnten und ankündigten, ihre Aufhellungsprodukte vom Markt zu nehmen. Ganz verschwunden sind sie tatsächlich nicht; Viele von ihnen werden nun unter anderem Namen verkauft. Fair & Lovely, eine Creme die von allen möglichen Bollywood-Stars in großen Werbekampagnen angepriesen wurde, heißt nun beispielsweise Glow & Lovely.

Ein Schritt in die richtige Richtung? Für mich nicht. Der neue Name ändert nichts an den eurozentrischen Schönheitsidealen, die überall auf der Welt weiterhin dominieren. Und so lange weiterhin ein Mangel an Aufklärung herrscht, werden People of Color immer ein Stück weit ausgeschlossen sein, wenn es um die hinreichende dermatologische Behandlung geht.

Inzwischen gibt es einige Beauty-Brands, die sich genau auf diese Lücke spezialisiert haben und mit ihrer Arbeit aufklären wollen. In Deutschland wäre das beispielsweise Unrefined Riches, international sind das Brands wie Nyakio oder Black Girl Sunscreen.

Und ich habe übrigens auch meine persönliche Lösung gefunden: Viel Sonnenschutz und eine reduzierte Routine ohne viel Tam Tam!

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4 Antworten zu “Wie internalisierter Rassismus den Skincare-Markt formt”

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