Watchlist: 15 wirklich gute Filme, die den Bechdel-Test bestehen
„Sag mir mal ein paar Filme mit richtig guten Protagonistinnen“, hatte mich neulich eine Kollegin gefragt und obgleich ich dachte, für jedes noch so kleine Genre einen Tipp wie aus der Pistole geschossen nennen zu können, überfragte mich dieses Sub-Subgenre doch sehr. Die Frau im Film ist so eine Sache, denn sie ist bis heute selten vorhanden. Und wenn eine Frau tatsächlich in einem Film eine der Hauptrollen (ich wage ja schon gar nicht vorauszusetzen, sie hätte DIE Hauptrolle) einnimmt, spielt sie meist „die Frau“. Sie wird hypersexualisiert dargestellt, sie entspricht dem weiblichen Klischee, oder sie rebelliert gegen das weibliche Klischee, sie jagt einem Mann hinterher oder sie rennt vor den Männern weg.
So oder so dreht sich die Rolle der Frau in bis heute immer noch viel zu vielen Fällen um den Mann, oder eben explizit nicht um den Mann und damit ja irgendwie doch um den Mann. Diese Filme nennen sich am Ende dann auch „Frauenfilme“ oder „feministische Filme“, schließlich spielen hauptsächlich Frauen in dem Film mit und die Themen, die in jenen Filmen behandelt werden sind dann meist – Überraschung – „Frauenthemen“. Wieso scheint es so unfassbar schwer zu sein, einen normalen, guten Film zu produzieren, in dem genau so viele Frauen wie Männer mit spielen? An KritikerInnen meiner These lege ich wärmstens den Bechdel-Test ans Herz. Der Bechdel-Test ist eine simple Formel, anhand deren man relativ leicht erkennen kann, ob ein Film männerdominiert ist oder nicht.
Er stellt folgende Fragen:
1. Gibt es mindestens 2 weibliche Rollen?
2. Sprechen sie miteinander?
3. Unterhalten sie sich primär über etwas anderes als Männer? (Oder ihre Wirkung auf Männer und alles, was dazu gehört)
Ich möchte nicht zu viel vorweg nehmen, aber hier ein kleiner Spoiler Alert: Fast jeder gute Film fällt durch den Bechdel-Test. Man nehme als Beispiel nur meine insgesamt 4 Filmlisten (ergo insgesamt 40 Filme), in denen ich „wirklich gute Filme“ aufzähle. In diesen insgesamt 40 Filmen gewinnt nicht einmal die Hälfte. Truman Show, Nightcrawler, Primal Fear, 12 Monkeys, Drive (die Liste lässt sich unendlich weiter führen) sind alle Klassiker und alle verlieren sie nicht nur im Bechdel-Test. In den aufgezählten Filmen kommt nicht einmal eine Frau in einer nennenswerten Rolle vor.
Na ja, ich höre jetzt mal auf zu meckern. Schließlich wird es mit moderneren Jahrzehnten auch besser mit ernstzunehmenden weiblichen Filmrollen. Weibliche Filmrollen, deren Aufgabe es nicht ist „die Frau“ zu sein, sondern ein Charakter mit Zielen, Schwächen und Vielschichtigkeit. Es wird besser und auch ein paar – wenn auch sehr wenige – alte Filme bestehen ebenso den Bechdel-Test. Und doch muss ich sagen, dass es immer noch überraschend schwer war – selbst heute im Jahre 2022 – diese Liste zu erstellen. Doch ein paar Filme gibt es – und die zähle ich euch heute auf.
15 wirklich gute Filme, die den Bechdel-Test bestehen:
But I’m A Cheerleader (Auf Netflix)
Ich habe das Gefühl, mit diesem Film einen Joker anzuwenden – denn er ist queer. Und erfahrungsgemäß erfüllen die meisten LGBTQ-Filme den Bechdeltest, es sei denn, es handelt sich um eine schwule Liebesgeschichte. In denen sprechen in der Regel auch nur Männer miteinander und die Frauen sind meistens nur die Mütter oder so. Jedenfalls ist But I’m a cheerleader nicht einer dieser Filme, denn die Parodie handelt von einem Camp, das queere Personen zu hetero Personen verwandeln soll. Dass das nicht so gut funktioniert, ist natürlich klar. But I’m a cheerleader zählt zu meinen absoluten Lieblingsfilmen, und muss dementsprechend in dieser Liste mit aufgenommen werden.
Pitch Perfect (Auf Netflix)
Wer meine Filmlisten kennt, weiß, dass in fast jeder Filmliste mindestens ein Teil von Pitch Perfect vorkommen muss. Das klingt wie ein Scherz, ist es aber nicht. Ich liebe Pitch Perfect. Und es gibt nichts, was ihr dagegen tun könnt. Dieser Teeenie-College-Film macht mir unglaublich gute Laune, und er passt fast immer in meine Filmlisten hinein. Und ich würde den Film nicht lieben, wenn er nicht selbstverständlich den Bechdel-Test bestehen würde. Der ironisch lustige Teenie-Film handelt von einer Acapella-Gruppe auf dem College.
Blue Is The Warmest Color (Auf Netflix)
Auch hier ziehe ich mal wieder den Joker. Denn natürlich bestehen alle lesbische Liebesgeschichten den Bechdeltest. Wieso sollten sich auch queere Frauen über Männer austauschen, wenn sie denn ins gleiche Geschlecht verliebt sind? Zwar kann man kann Blue ist the warmest color in vielerlei Hinsicht kritisieren, zum Beispiel wegen der übergriffigen und sexistischen Arbeitsbedingungen hinter den Kulissen, zu denen sich beide Schauspielerinnen mehrmals öffentlich äußerten. Doch nicht, dass er nicht den Bechdel-Test bestehe. Er besteht den Test und ist deshalb mit dabei.
Crazy Rich Asians (Auf Netflix)
Auch ein Film, der immer mal wieder in meinen Filmlisten auftaucht, ist Crazy Rich Asians. Die Rom Com handelt von einer Verlobung zwei asiatisch gelesener Personen, die anlässlich der bevorstehenden Hochzeit die Familie des Mannes in Singapur besuchen. Diese Familie ist zufälligerweise eine der reichsten Familien in ganz Singapur, und die Familienmitglieder sind ein eigenwürdiger Haufen, der es der Bride-to-be schwer macht, Teil von ihr zu werden. Er ist außerdem einer der wenigen Hollywood-Filme, dessen Besetzung ausschließlich aus nicht-weißen Personen besteht. Das nur mal so am Rande. Außerdem besteht er den Bechdel-Test.
Tiger Girl (Auf Netflix)
Der Film Tiger Girl handelt von einer Bekanntschaft aus zwei jungen weiblich gelesenen Personen, die anfangen, eine Freundinnenschaft miteinander zu führen. Die brave und pflichtbewusste Maggie wollte ursprünglich Polizistin werden, doch ist fasziniert von der rebellischen und furchtlosen Art von Tiger. Sie wird in ihren Bann gezogen und wirft schon bald ihre Prinzipien über Bord, um Tiger gleichzutun. Schon schnell kommt sie auf den Geschmack und wird zu einem neuen Menschen. Der Film ist zwar ziemlich dark und gewaltvoll, doch er erfüllt den Bechdel-Test.
Wine Country (Auf Netflix)
Amy Poehler ist Feministin der ersten Stunde, und auch wenn ihr aus heutiger Sicht ein zu weißer Feminismus vorgehalten wird, so kann man ihr immerhin nicht vorwerfen, Filme zu produzieren, die den Bechdel-Test nicht bestehen würden. Im Gegenteil. Poehlers Produktionen bestehen immer den Bechdel-Test. Das haben sie schon damals in dem Parodie-Higschool-Film Mean Girls, und das tun sie auch noch heute – in Wine Country. Einem Film über eine langjährige Freundinnenschaft zwischen fünf Frauen, die das Wochenende miteinander verbringen.
Melancholia
Der bedrückende Film ganz im typischen Stil von Lars von Trier widmet sich wieder einmal einem verstörenden Thema: Was, wenn die Menschheit wüsste, dass sie bald untergehen würde? Die zwei Schwestern Justine und Claire gehen mit der Tatsache ganz unterschiedlich um, dass sie bald sterben würden. Ein tiefenpsychologisches Meisterwerk, das mit tollen Bildern besticht.
Wirklich gut, weil: Die depressive Justine und die fröhliche Claire wechseln mit der Nachricht, dass die Welt untergehen würde, die mentale Stabilität. Während sich die Melancholikerin Justine von dem Gedanken beruhigt fühlt, dass sie und alle anderen auch bald sterben würde, verfällt Claire der Melancholie, Trauer und Panik. Dieser Film ist mit zwei weiblichen Hauptrollen besetzt, die sich weder über Liebe und Männer unterhalten, noch hauptsächlich für Frauen geschrieben wurde oder primär weibliche Interessen ansprechen. Das Thema „Der Untergang der Welt“ ist doch ziemlich genderneutral.
Girl, Interrupted
Der Film mit Wynona Rider und Angelina Jolie in den Hauptrollen handelt von einer jungen Frau, die aufgrund eines Selbstmordversuches für 18 Monate in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wird und dort einige psychisch kranke Frauen kennenlernt. Es stellt sich heraus: Psycho-Dramen wie Girl, Interrupted sind kein gutes Material für süßes Liebesgeschichten. Dieser Film ist verstörend, unterhaltend und tiefgründig zugleich.
Wirklich gut, weil: Die Besetzung ist hauptsächlich weiblich, da es sich um die Frauen-Abteilung in der Klinik handelt. Die Frauen spielen erkrankte Menschen, die versuchen, ihr Leben in den Griff zu kriegen – und das hat in diesem Film glücklicherweise absolut gar nichts mit Männern zu tun.
Hunger Games
Eine offensichtliche Wahl, doch dennoch wichtig für diese Liste ist die Trilogie Hunger Games. Katniss Everdeen, gespielt von Jennifer Lawrence, spielt in dieser Dystopie die Rolle der Antiheldin, die aufgrund eines grausamen Spiels zur Belustigung der reichen Gesellschaft, Anführerin eines Kriegs zwischen arm und reich wird.
Wirklich gut, weil: Katniss Everdeen hat zwar parallel zu ihrem Überlebenskampf eine Liebesgeschichte am Laufen, doch ist diese sekundär. Vor allem in den Büchern ist die Liebesgeschichte vielmehr eine Liebesgeschichte aus Männersicht – für Katniss Everdeen ist diese oft eher eine logische Konsequenz zum Überleben und Teamwork. Unabhängig von der Protagonistin wurde hier en Detail auf die ausgewogene Rollen- und Machtverteilung zwischen Mann und Frau geachtet.
Kill Bill (Auf Netflix)
Wo wir gerade bei offensichtlichen Wahlen bleiben: Kill Bill ist natürlich ein Muss, wenn es um Filme geht, die den Bechdel-Test bestehen. Uma Thurman, die Braut oder auch „Kiddo“, nimmt Rache an ihrem Ex „Bill“, der aus Wut die gesamte Hochzeitsgesellschaft inklusive des Kindes von seiner ehemaligen Frau umbringen ließ.
Wirklich gut, weil: Uma Thurman bringt nach und nach das Team ihres Exmannes Bill skrupellos um. Sie ist tough, cool, etwas wahnsinnig und die perfekte Protagonistin in einem Actionfilm, der eigentlich dem Klischee des Mannes zugeschrieben ist. Es ist selten, dass Filme mit nicht nur einer weiblichen Protagonistin, sondern auch mit weiteren unglaublich coolen weiblichen Rollen, von vielen Männern gesehen werden. Kill Bill bestätigt glücklicherweise mit seiner Besetzung die Regel.
La Cérémonie (Biester)
Der französische Film von Chabrol besticht nicht nur mit seiner skurrilen Hitchcock-artigen Bildsprache, sondern ebenso seiner sozialkritischen Handlung, die die Beziehung eines einfachen Hausmädchens zu einer wohlhabenden Akademikerfamilie beschreibt. Der Film ist von 1995, doch die Ästhetik könnte auch aus den Sechzigerjahren stammen. Ein spannendes Werk einer der renommiertesten Regisseure der Nouvelle Vague.
Wirklich gut, weil: Die zwei Protagonistinnen Jeanne und Sophie lernen sich zufällig kennen, doch verstehen sich sofort blind. Der Konflikt der unsichtbaren Klassengesellschaft in der heutigen Zeit ist auf unterhaltsame Art und Weise ausgearbeitet und auch hier unterhalten sich die ausgewogenen Männer- und Frauenrollen über vieles, aber nicht über Männer.
Florida Project
Wo wir gerade von Klassendrama sprechen: Florida Project ist die Geschichte des 6-jährigen Mädchens Moonee, die mit ihrer Mutter am Rande des Existenzminimums in einem billigen Motel in Orlando lebt. Der Film beschreibt das Leben eines Kindes, das sich seiner misslichen Lage aufgrund seines Alters noch nicht bewusst ist und versucht, sich ein schönes Leben durch Traumwelten zu stricken. Er zeigt detailreich und auf feinfühlige Art und Weise eine komplexe Mutter-Kind-Beziehung. Die Mutter liebt ihr Kind offensichtlich, doch wird aufgrund fehlender Mittel ihrer Rolle als Mutter nicht gerecht.
Wirklich gut, weil: Umgekehrte Geschlechterklischees! Die Mutter von Moonee gibt sich den Drogen hin und ist offensichtlich mit dem Mutterdasein überfordert und der Hotelmanager Bobby versucht geduldig, die beiden vor dem Schlimmsten zu bewahren und unter Kontrolle zu kriegen. Das i-Tüpfelchen in einem tollen Film mit fantastischen Bildern.
Toni Erdmann
Das Vater-Tochter-Drama handelt von einem einsamen und isolierten Papa mit Hang zu unangenehmen Scherzen, der seine entfremdete Karriere-Tochter in Bukarest besucht. Ab der ersten Begegnung erscheint dieser immer wieder im Leben seiner Tochter und findet auf sehr vorsichtige und langsame Art und Weise zurück zu einer Beziehung mit ihr, die allerdings dennoch bis zum Ende distanziert bleibt.
Wirklich gut, weil: Der rührselige, tiefgründige Film ist nicht nur nach außen hin feministisch, endlich kann ich in dieser Liste mal einen Film vorstellen, bei dem zur Abwechslung auch noch eine Frau die Regie führte. Maren Ade heißt die Regisseurin übrigens, die diesen tollen Film in die Kinos brachte.
American Honey
Die achtzehnjährige Star lebt in unglücklichen Verhältnissen und beschließt eines Tages kurzer Hand, nachdem sie eigentlich mit ihren zwei kleinen Geschwistern nur zum Supermarkt gehen wollte, sich einer Gruppe junger Arbeitssuchenden anzuschließen, die Zeitschriftenabos durch Haustürgeschäfte verkaufen. Es beginnt ein Roadtrip durch den Mittleren Westen und eine detailreiche Beobachtung der „White Trash“ Gesellschaft in Amerika.
Wirklich gut, weil: Dieser Coming-of-Age-Film ist ein absoluter Knaller. Die Bilder dieses Roadtrips brennen sich ins Gedächtnis ein, die langsam erzählte Geschichte ist perfekt und die Charaktere sind vielschichtig. Und auch hier versüßt mir die RegisseurIN den Film American Honey. Gute Arbeit, Andrea Arnold.
8 Antworten zu “Watchlist: 15 wirklich gute Filme, die den Bechdel-Test bestehen”
Da du „Girl, interrupted“ nennst, der mir persönlich viel bedeutet, könntest dich vielleicht auch „Gia“ interessieren. Ebenfalls mit Angelina Jolie (und Elizabeth Mitchell), ebenfalls tiefgründig und frauenzentriert. Extrem gut gespielt, Jolie war nach den Dreharbeiten psychisch vollkommen verausgabt, las ich mal. Dazu ist der Film noch auf dem Leben der echten Gia Carangi basierend.
Einen Blick wäre zudem „Foxfire“ wert. Seltsamerweise fällen mir zu diesem Thema auf Anhieb lauter Filme mit der jungen Angelina Jolie ein. ;)
Liebe Liv, danke für den Kommentar! Ich lieeeebe Foxfire, zu dieser Zeit war Angelina Jolie ja tatsächlich mit ihrer Kollegin in dem Film zusammen :). Hatte tatsächlich kurz überlegt, den mit rein zu nehmen, allerdings ist dieser Film auch ein Film über Frauen, die sich gegenüber Männer radikalisieren und spricht sexuelle Gewalt an etc. – was SUPER wichtig ist! Aber in dieser Liste soll es um Filme gehen, die das alles nicht thematisieren, sondern einfach „nur“ gut sind, ohne politischer oder gesellschaftskritischer Aussage. Ich bin auch ein riesiger Jolie-Fan aus der damaligen Zeit. Wenn du noch ein paar Tipps in die Richtung hast, dann freue ich mich sehr. Gia habe ich noch nicht gesehen, das werde ich aber ganz bald nachholen. Danke dafür!
Gia ist tatsächlich der Hammer! Daran dachte ich auch sofort, als ich „Girls, interrupted“ las :D
Nur habe ich ihn online nicht mehr gefunden. Vielleicht hast du einen Tipp?
LG Ava
PS: Gerade selbst gefunden :)
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Mein ganz persönlicher Favorit ist „Julie & Julia“! Ein absoluter Wohlfühl-Film in dem sich die Selbstverwirklichung der weiblichen Hauptrollen nicht um Männer oder deren Aufmerksamkeit dreht.
Das stimmt, der Film ist so wunderbar!