Warum es ok ist, nicht auf jede Hochzeit oder Babyparty zu gehen
Vor ein paar Wochen war ich auf einer Hochzeit. Eine Hochzeit, auf die ich mich monatelang gefreut hatte und die so schön war, wie eine Hochzeit auch nur sein hätte können. Nicht nur, weil ich beim Kennenlernen der beiden vor über 10 Jahren live dabei gewesen war. Und auch nicht nur, weil der ganze Tag genau so ablief, wie es sich die beiden immer gewünscht hatten. Die Hochzeit war auch deshalb für mich so schön, weil sich bei mir gerade keinerlei Ängste, unerfüllte Wünsche oder Liebeskummer mit in diesen Tag mischten, an dem es eben nur um ein großes Thema geht: die große, tiefe Liebe und das Glück, sich gefunden zu haben. Diesem Thema kann man an Hochzeiten nicht aus dem Weg gehen, was auch immer es gerade in einem auslösen mag. Hochzeiten sind Veranstaltungen, auf denen groß und breit die Liebe prangt. Und bei denen meist vorrangig auch ein Haufen langjährige Paare und Kinder anwesend sind.
Eine Welt, die für einige selbstverständlich, für andere aber ziemlich belastend und triggernd sein kann.
Die Dreißiger bringen viele dieser Tage mit sich, die Meilensteine im Leben unserer FreundInnen bilden.
Hochzeiten, Junggesellinnen- und Junggesellenabschiede, beides möglicherweise sogar ein ganzes Wochenende lang. Aber auch Babyparties oder erste Kindergeburtstage sind Events, zu denen man plötzlich eingeladen wird. Und die man natürlich mit seinen FreundInnen zusammen verbringen und zelebrieren möchte. Aber die sich auch manchmal wie ein Salzstreuer anfühlen, der genau in eine Wunde zielt. In eine frische Wunde, aber auch in ältere Wunden, die wir sonst vielleicht gar nicht mehr so sehr gespürt hätten. Oder in diese Art von Wunden, die für immer bleiben werden und mit denen wir gerade erst gelernt haben zu leben.
Diese Wunden können viele Gesichter haben. Es kann natürlich Liebeskummer sein, der uns nicht nur ganz frisch komplett die Füße wegziehen kann. Auch Liebeskummer, der schon lange andauert, das Vermissen eines Menschen, eines Lebensentwurfs, einer anderen Phase des Lebens kann man immer wieder fühlen wie einen tiefen Stich, besonders dann, wenn man plötzlich umringt ist von vielen glücklichen Paaren. Und von Menschen, die das Gefühl von Liebeskummer schon ganz vergessen haben.
Doch es sind nicht nur Wunden, die durch Hochzeiten, JGAs oder Babyparties aufgerissen werden können. Manchmal löst die Vorstellung, zu einem dieser Events zu gehen, auch einfach tiefes Unbehagen aus, wenn man eigentlich gerade ganz zufrieden mit sich selbst und dem eigenen Leben ist und sich ganz aufrichtig nichts davon wünscht. Eine Freundin erzählte mir kürzlich von einer Babyparty, bei der sie absolut niemanden als die baldige Mutter kenne und schon jetzt wisse, sie werde sich im festen Kreis der Mütter-Freundinnen fehl am Platz fühlen und nichts zum Thema beitragen können. Und ihre Freundin viel lieber losgelöst von diesem Event treffen, als zwanghaft mit dabei zu sein.
Müssen wir also wirklich auf jeder Hochzeit, jedem JGA und jeder Babyparty mit dabei sein?
An Meilensteinen des Lebens unserer FreundInnen teilzuhaben ist natürlich eine wunderbare Sache. Doch je älter wir werden und je unterschiedlicher unsere Lebensentwürfe sich entwickeln, desto weniger kann man Teil von jedem Lebensweg sein – und immer gleich viel mit jedem dieser Wege anfangen. Das ist nicht nur natürlich, sondern auch völlig legitim. Denn dass die Lebensrealität, die aktuellen Interessen, Ziele und Prioritäten von FreundInnen gerade nichts mit unseren eigenen zu tun haben, heißt absolut nicht, dass wir den oder die Andere nicht mehr mögen. Ganz im Gegenteil: Die vielen verschiedenen Lebenswege, die sich in den 20ern und 30ern ebnen, schenken uns unzählige Sichtweisen, die unseren Horizont erweitern. Die tiefen Freundschaften sind es, die unterschiedliche Lebenswege überdauern. Und die es auch verkraften, wenn man nicht jeden Schritt auf jedem Lebensweg live mitgeht.
Ist es nicht also völlig legitim, sich selbst Grenzen zu stecken und auch mal ganz offen und ehrlich zu sagen: Ich hab dich wahnsinnig gern, aber diesmal bin ich nicht mit dabei?
Und so plädiere ich dafür, bei jeder künftigen Einladung zu Hochzeiten, JGAs oder Babyparties tief in sich hineinzuhören. Dem eigenen Bauchgefühl Raum zu geben und sich zu fragen: Bin ich bereit, mich diesem Fest, diesem Wochenende, den anderen anwesenden Leuten und der Bubble dort auszusetzen? Habe ich Lust darauf und fühle alles davon, oder zieht sich in mir schon etwas zusammen? Ist es mir wichtiger, dabei zu sein und kann ich über meinen Schatten springen und trotz Unbehagen hingehen? Kann ich mir mentale Unterstützung davor, währenddessen oder auch danach holen, um nicht in ein Loch zu fallen? Oder wäge ich alles ab und komme zum Schluss, offen und ehrlich zu sagen, ich bin in Gedanken bei dir, aber ich möchte nicht dabei sein?
Am Ende können wir so am allerbesten für unsere FreundInnen da sein: Wenn es uns gut geht, wenn wir stabilen Boden unter den Füßen haben und wenn wir authentisch gerne Zeit miteinander verbringen. Auch wenn das bedeutet, sich nach der Babyshower, Hochzeit oder dem JGA zu zweit zu treffen, das Geschenk erst dann zu überreichen und am Tag der Tage nur mental anwesend zu sein. Wer auf sein Inneres hört und ehrlich kommuniziert, wird auf Verständnis treffen. Denn schließlich wollen auch wir selbst mit keinem unserer Schritte, Meilensteine oder Parties FreundInnen unglücklich machen – und nur mit denen feiern, die auch wirklich gerade gerne anwesend sind.
3 Antworten zu “Warum es ok ist, nicht auf jede Hochzeit oder Babyparty zu gehen”
Eine Hochzeit ist in erster Linie eine narzisstische Angelegenheit und in zweiter Linie ein Fest, an dem gefeiert wird, dass bestehende Verhältnisse bleiben, wie sie sind – sehr beruhigend für einen Großteil der Menschen.
Das Brautpaar erwartet von anderen Menschen, dass diese ihre eigene – sie ganz privat und intim betreffende Liebe – würdigen und feiern. Und glücklicherweise finden sich auch meist viele Menschen, die dazu bereit sind und authentisch Lust dazu haben, die Freude des Hochzeitspaares zu teilen. Egal ob eine Hochzeitsgesellschaft aus 7 oder 150 Personen besteht: Ich würde schätzen, auf jeder Hochzeit machen die „sich aufrichtig mitfreuenden“ Menschen rund maximal 70 % aller Gäste aus. Die restlichen Personen sind da, weil sie sich verpflichtet fühlen, mitgebracht wurden, höflich sind. Einige Gäste täuschen Begeisterung oder Freude vor, weil es „sich nicht gehört“, gemischte Gefühle zu zeigen, keine Freude zu empfinden oder – welch mieser Angriff! – gar Gleichgültigkeit zu verspüren, angesichts der Tatsache, dass zwei andere erwachsene Menschen entschieden haben, einen amtlichen oder kirchlichen Siegel unter ihre Beziehung setzen zu wollen.
Wäre es nicht wunderbar, wenn wir dieser Gäste-Gruppe einfach ersparen könnten, dem Fest beizuwohnen?
Der Denkfehler beim Thema Hochzeit: man darf von niemandem erwarten, dass das eigene Liebesglück für die anderen einen so großen Stellenwert einnimmt, dass sie Zeit, Geld und Emotionen bereithalten wollen oder können. Aber genau das wird vorausgesetzt – Hochzeiten haben unter allen Festen den allerhöchsten Stellenwert, übertrumpft nicht einmal vom 100. Geburtstag der Großmutter. Warum eigentlich?
Es wird meist erwartet, dass andere sich einen halben, einen ganzen oder gar mehrere Tage freinehmen, oft wahnsinnig viel Geld in Geschenke, Outfits, Anreise und Übernachtung investieren. Kaum einer stellt infrage, wie absurd es ist, ein Brautpaar zu bejubeln, so als ob diese zwei Menschen sich mit viel Fleiß und im Schweiße ihres Angesichts einen wahnsinnig großen Meilenstein im Leben erarbeitet hätten.
Ich bin verheiratet, die allermeiste Zeit sehr glücklich. Wir hatten damals ein Hochzeitsfest, ein richtig schönes mit rund 30 Menschen. Das ist über ein Jahrzehnt her, wir haben im September 2011 geheiratet. Wenn ich eines in meinem Leben anders machen würde: ich würde viel kleiner heiraten – obwohl das Fest wunderschön war und wir sehr bewusst jedem einzelnen Gast signalisiert haben, dass wir NICHT erwarten, dass die Welt sich um uns dreht, nur weil wir das Privileg genießen können, jemanden gefunden zu haben, mit dem wir hoffentlich für immer zusammen bleiben wollen. Wir haben sehr offensiv betont, dass wir NICHT erwarten, dass andere sich für uns in Unkosten stürzen. Und trotzdem würde ich es heute anders machen. Ich war seitdem auf vielen Hochzeiten und habe mich oft geschämt für die Erwartungshaltung des Brautpaares, und habe oft beobachtet und gespürt, wie viele Gäste sich auf dem Fest unbehaglich gefühlt haben. Und ich war oft dabei, wenn Freundinnen, Verwandte oder Bekannte rückwirkend von einer Hochzeit erzählt haben, auf der sie Gast waren – nicht immer wohlwollend und begeistert, ganz schön oft wird rückwirkend gelästert, nach Hochzeiten fallen in der Berichterstattung es viele spitze Bemerkungen.
Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen, um rauszufinden, ob das auf unserer Hochzeit auch vielen so ging. Ob einige eigentlich eher nicht da sein wollten, ob sie gestresst waren… ich weiß es retrospektiv nur von einer Freundin und hatte zum Glück ein sehr schönes und ehrliches Gespräch mit ihr über das Thema.
Ich finde, der ganze Kult um das Thema Hochzeit darf gerne im individuellen Fall bestehen bleiben, wenn es einzelnen Paaren so wichtig ist – aber wir als Gesellschaft sollten davon abrücken. Es sollte viel mehr Freiheit geben zu entscheiden, ob man hingeht oder nicht – und es sollte einen Konsens geben, dass das Brautpaar sich nicht vor den Kopf gestoßen fühlt, wenn andere absagen, weil ihnen Anteilnahme, Begeisterung, Zeit, Interesse, Geld oder was auch immer fehlt, um das Paar an diesem einen Tag so zu bejubeln, wie das Paar es erwartet.
Vielen Dank für deine interessanten Gedanken! Du triffst es echt ziemlich auf den Punkt – jemanden gefunden zu haben, mit dem man glücklich ist und leben möchte, ist schon ein wahnsinniges Glück und Privileg, das sehr viele nicht haben. Von ihnen dann zu erwarten, Zeit und Geld zu investieren und sich auch noch ohne einen Funken eigenes negatives Gefühl mitzufreuen, ist schon viel verlangt. Ich finde es auch einen schönen Gedanken, offen zu kommunizieren, dass man von niemandem einen Pflichtbesuch erwartet und es ohne Vorwürfe oder Enttäuschungen akzeptiert, wenn jemand nicht kommt. Es gibt ja trotzdem immer die, die sich einfach aufrichtig freuen und wirklich gerne da sind, so wie es mir jetzt auch bei der Hochzeit ging.
„Es sollte viel mehr Freiheit geben zu entscheiden, ob man hingeht oder nicht – und es sollte einen Konsens geben, dass das Brautpaar sich nicht vor den Kopf gestoßen fühlt, wenn andere absagen, weil ihnen Anteilnahme, Begeisterung, Zeit, Interesse, Geld oder was auch immer fehlt, um das Paar an diesem einen Tag so zu bejubeln, wie das Paar es erwartet.“, da stimme ich dir vollkommen zu.
Vielen Dank für deine Worte! Ich stimme dir hundertprozentig zu! Ich selbst gehöre zu den Menschen, die überhaupt nicht gern auf Hochzeiten gehen. Und ich kann noch nichtmal so genau definieren, warum. Irgendwie ist es immer ein bißchen cringe und vor allen Dingen meist wahnsinnig heteronormativ und traditionell, ich fühle mich da einfach nicht wohl. Mein Mann und ich haben damals allein auf dem Standesamt geheiratet und im Nachhinein einen größeren Restaurantbesuch mit meiner Familie und Essengehen mit seiner Familie und eine Party mit Freunden bei uns zuhause gemacht. Im Nachhinein würde ich nur noch allein mit ihm auf’s Standesamt wollen, alles andere war zwar ganz nett, aber überflüssig. Dann lieber tolle Geburtstagsfeiern.:)
lg,
Sarah