Von Tribals, chinesischen Zeichen und Tattooketten
Irgendwo habe ich mal aufgeschnappt, dass ein Trend mindestens zehn Jahre im Sarg der Uncoolness liegen muss, bis er wieder langsam aus den Tiefen der Finsternis hervorkriechen darf. Vielleicht ist es aber auch eine Faustregel, von der ich nichts weiß. Und ja, da ist schon was wahres dran – wobei zehn Jahre optimistisch berechnet sind. In Deutschland zumindest.
Wenn ich versuche, mich daran zu erinnern, was wohl einer der größten modischen Fehltritte war, die ich gemacht habe, fallen mir spontan einige ein. Welcher davon der allerschlimmste ist, kann ich nicht mehr sagen. Da wäre zum Beispiel ein Longsleeve aus glänzendem Polyesterstoff, das einen breiten Streifen voller Fransen der Brust entlang hatte. In Khaki. Ich mochte es so gerne, weil mich die grünen Fransen an eine Wiese erinnerten.
Ich bin also nicht besonders gut in Faustregeln, aber eine gibt es, die ich aufstellen kann: Wir tun uns besonders schwer, die Trends aus der eigenen Jugend zehn Jahre später zu tragen.
Das sieht man auch an unseren Eltern – wie oft ich mir schon von meiner Mama anhören durfte, dass die Latzhose oder die Karottenjeans keine gute Idee wären. Ich weiß schon, dass ich meine zukünftigen Kinder nur müde lächelnd ansehen werde, wenn sie mir ihren Retrolook von 2013 präsentieren und zu Robin Thicke und Pharell Williams tanzen. Keine gute Idee, ihr Süßen.
An den Pressetagen für die Herbst/Winter-Kollektionen ging es dann wieder los. Weekday machte den ersten Schritt und wagte sich an chinesische Zeichen, Tribals und reflektierende Leuchtstreifen. Setzen sich die 90er-Jahre Trends jetzt schon wieder für die Blümchen- und Scooter-Generation durch? Ich glaube nicht; keiner einzigen Person im Raum haben diese Teile gefallen. Für Editorials sind sie gut, in der Realität wird’s schwierig, wenn man keine Bonnie Strange ist. Die übrigens auch den nächsten 90ies-Trend aufgriff und sich die bekannten Tattooketten erneut umschnallte. Unsere Bloggerfreundin Angela sprang auf den Zug auf und trägt das Drahtkettchen, das es früher in der Bravo als Geschenkzusatz gab, mit vollster Überzeugung.
Ein paar Leute gibt es also, die die Jugendtrends in eine zweite Runde lassen. Ob sie sich tatsächlich wieder für die breite Masse durchsetzen, wage ich aber zu bezweifeln. Obwohl ich es mir schön vorstelle – Buffalo Plateaus, wo hin man auch sieht und Tattooketten statt Sabrina Dehoff.
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6 Antworten zu “Von Tribals, chinesischen Zeichen und Tattooketten”
Mir gefäält auf jeden Fall der Gedanke, dass man die größten Schwierigkeiten hat, die eigenen Sünden, sobald man sie einmal als diese erkannt hat, wieder als ästhetisch anzuerkennen. Tatooketten und z.B. extreme Musterwaschungen (in Form von weißen Streifen oder sogar Flammen auf einer dunkelblauen Schlagjeans) habe ich mir einfach so sehr übel genommen, dass ich nicht glaube, dass sie sich je wieder mein Wohlwollen erarbeiten werden.
Anders sehe ich es aber dann auch mit Spaghettiträgern, die habe ich jahrelang heimlich, als Unterhemden im Winter getarnt getragen und dann abends kurz bewundert, bevor es ins Bett ging, und jetzt suche ich schon ganz gespannt nach dem genau richtigen um es wieder an die frische Luft zu lassen.
Im Endeffekt gilt es doch aber, sich seine Lieblinge aus jeder Zeit herauszusuchen und diese zu genießen und als Jugendlicher haben ja die meisten die Zeit ausgelebt, so wie die meisten auch mal hauptsächlich Chartmusik gehört haben, und das bringt auch mit sich, dass man Sachen trägt, die nicht zu einem und einem vielleicht auch überhaupt nicht passen. Das maximiert auch die Sündenanzahl um ein Vielfaches und erhöht die tedentzielle Abneigung gegen solche Trends, wie ein Kind, das sich mal die Finger verbrannt hat und auch erstmal Angst hat, wenn jemand es bittet, auf die erkaltete Herdplatte zu fassen, müssen wir gebrannte 90er Kinder vielleicht erst wieder eine neutrale Sichtweise erlangen, bevor wir uns unser eigenes Urteil bilden können.
Mir gefällt auf jeden Fall deine Theorie, ich hatte da auch schonmal drüber nachgedacht und finde deinen Ansatz interessant.
Also der wieder aufgelegte Look, den Du hier zeigst, gefällt mir auch nicht so wahnsinnig gut ;) Wobei ich wirklich ebenfalls festgestellt habe, dass die Dinge, die ich vor 10 Jahren oder 20 Jahren oder 30 Jahren schon gerne getragen habe, auch dann wieder mit Vorliebe anziehe, wenn der Look neu aufgelegt wird. Dazu gehören derzeit zum Beispiel vor allem , Latzhosen, Cropped Tops und gemusterte Pants :)
Danke für diesen hervorragend geschriebenen Post, die absolut interessanten Ansätze und das gut aufbereitete Thema!
Liebe Grüße, Rena
http://www.dressedwithsoul.blogspot.de
Ich musste schmunzeln, sehr schön geschrieben. Aber in der Tat, acid wash, bauchfrei und Lurexfäden können noch so fulminant ihr Comeback feiern, kommt mir alles trotzdem im Leben nicht (wieder) an den Leib.
Hihi, ich war erst am Wochenende auf einer 90er-Party.
Da wurde auch einiges an Modesünden angezogen, inkl. Tattoo-Ketten.
Trainingshosen, Neon-Farben und Grunge-Look mit karierten Hemden gehörten auch dazu.
Ich finde es auch schwierig, alte Trends, die man hinter sich gelassen hat, wieder anzuziehen. Ich bin eigentlich immer ganz froh, wenn ich mich weiterentwickele und dementsprechend verändert sich auch meine Garderobe ganz langsam und subtil, aber stetig. Alte Lieblingsteile, die ganz vereinzelt noch da sind, sind eigentlich immer eher zeitlose Dinge von toller Qualität, aber eben keine Trends. An mir selbst bemerke ich auf jeden Fall eine Liebe zu Stücken, bei denen ich mir schon beim Kauf ausmale, wie ich sie lieben und solange tragen werde, bis sie zerfallen und in Ruhe altern können. Trends setze ich wenn, dann gerne mit einem kleinen Detail um (zB kein neonfarbener Pulli, sondern ein Tuchschal in gedeckter Farbe und mit ein wenig Neon drin, oder eine Kette mit ein wenig Neon).
Unabhängig davon wollte ich nochmal loswerden, dass ich euer Blogzine LIEBE! Ich bin jeden Tag gespannt und freue mich, hier neues zu entdecken. Ihr seid ein tolles Trio und man spürt euren Zusammenhalt und wie ihr dennoch eure eigenen, unabhängigen und echten Gedanken über Mode, Kunst und Leben habt. Es ist einfach immer so erfrischend, hier zu lesen. In einer Zeit, in der grad so viele Bloggerkollektive wieder zerfallen, umso beeindruckender. Vielleicht liegt es auch daran, dass ihr damals eure eigenen Blogs aufgegeben habt? Wie ich finde, eine mutige Entscheidung, und sie gibt eurem gemeinsamen Blogzine umso mehr Leben ein.
Seltsamerweise mag ich die meisten Trends, die mich an meine Kindheit und die frühen 90er erinnern (Latzhosen, Stoffschuhe, Flanellhemden, Streifenshirts, Samthüte… Amy und die Wildgänse, anyone?) sehr gerne, während ich die späteren meist vehement ablehne (Tattooketten, bauchfreie Shirts, Tribals, grelle Farben, Spaghettitops, Batik, Plateausohlen, Schlaghosen…). Vielleicht hat das was mit dem Modebewusstsein zu tun, das man in der frühen/Prä-Pubertät entwickelte und munter viele Trends mitmachte (Plateau und Tribals fand ich allerdings immer schon blöd!). Es fällt einem eben schwer, sich von solchen, heute als Modesünden angesehenen, Trends zu distanzieren und diese neu zu interpretieren, da gebe ich dir schon Recht.