Vom Schwangerwerden und dem neuen Kontrollverlust-Gefühl, das bleibt
TW: Falls eines der Themen dir gerade nicht gut tut: Im Text geht es um Schwangerschaft und die Angst vor Fehlgeburten
Es war ein Freitagabend, ich war gerade aus der Arbeit nach Hause gekommen, als ich plötzlich den positiven Schwangerschaftstest in der Hand hielt. Es war nur ein ganz leichter Hauch, und doch war er da, der zweite Strich. Völlig ungläubig hielten wir zusammen den Test ins Licht, der in den Monaten zuvor immer nur einen Strich angezeigt hatte. Ein paar Minuten später erschien der zweite Strich auf einem Frühtest, der schon viel klarer zu sehen war. Und was ich kurz zuvor noch nicht geglaubt hatte, fühlte sich plötzlich real an: Ich war wirklich schwanger.
Das Gefühl, bestimmt gleich wieder aus einem Traum aufzuwachen, blieb die nächsten Stunden.
Am nächsten Morgen wollte ich noch einen digitalen Test machen, glaubte es nach den ersten beiden am Abend immer noch nicht ganz. Nach komplett schlaflosen Stunden vor Aufregung schlich ich mich schon mitten in der Nacht ins Bad, machte den digitalen Test – und mir leuchtete ein großes Plus entgegen. Dass es wirklich geklappt hatte, dass ich wirklich schwanger war, überhaupt schwanger werden konnte, wurde mir jetzt so richtig klar, und mir kamen schon wieder die Tränen. Vor Freude, vor Aufregung.
Einen Anlass zu glauben, dass ich nicht schwanger werden könnte, hatte es nie gegeben. Und doch hatte ich den Gedanken schon immer mit mir herumgetragen: Was, wenn ich vielleicht nicht schwanger werden kann? Dann, wenn ich es mir wünsche, das Thema ganz bewusst angehe, wenn sonst alles passt? Ein Kind zu planen und genau dann, wenn der richtige Zeitpunkt für einen gekommen war, ohne Probleme schwanger zu werden, schien mir schon immer zu schön, um wahr zu sein. Und jede Geschichte von Paaren, bei denen es nicht klappte, bestätigte mich im Gefühl, dass eine Schwangerschaft nichts Selbstverständliches ist. Beide können sich durchchecken lassen, man kann seinen Zyklus unterstützen, man kann herausfinden, ob man Eisprünge hat.
Aber so ganz sicher wissen, ob es möglich ist, kann man es eben erst, wenn man schwanger wurde, dieser Gedanke hatte sich schon lange fest in meinem Kopf verankert.
Ich wurde nicht, wie es so viele Leute gerne von sich erzählen, gleich beim ersten Versuch schwanger. Und natürlich kam sie direkt ein bisschen über mich: die Angst, dass es bei mir eben nicht gehen könnte. Noch ein Monat verging und die Verunsicherung wurde stärker: Woher sollte man auch wissen, wann und ob man jemals schwanger werden wird? Ich googelte, las Erfahrungsberichte, beschäftigte mich mit der Frage, wie ich wohl damit umgehen würde, wenn es bei mir nicht klappen könnte. Doch dann, ganz plötzlich, begann eine Veränderung in mir, die mich seitdem immer mehr begleitet.
Denn es gab nun zwei Möglichkeiten: Sich in das Gefühl des Kontrollverlustes und die Angst hineinzusteigern, sie die ganze Zeit mit sich herumzutragen, sich den Kopf darüber zu zerbrechen und sich Worst-Case-Szenarien auszumalen. Oder sich erstmal ganz bewusst nach Zuversicht umsehen und sich darauf konzentrieren. Zwei Freundinnen, bei denen es eine ganze Weile gedauert hatte, bis sie schwanger geworden waren, gaben mir die Zuversicht, die ich gebraucht hatte. Und auch die einfachen Fakten: Auch, wenn körperlich bei beiden Beteiligten alles in Ordnung ist, ist es völlig normal, dass es bis zu einem Jahr dauern kann, las ich. Und selbst nach längerer Zeit kann es plötzlich von ganz alleine klappen. Ich konzentrierte mich erstmal auf all die Dinge, die mich glücklich machen, auch völlig losgelöst von diesem einen Thema. Und auf die Zuversicht, dass alles in Ordnung war.
Und plötzlich war er doch schon da, der zweite Strich.
Und mit ihm die Intuition, von der viele sprechen, die mich eigentlich ein paar Tage zu früh schon dazu gebracht hatte, den Test zu machen.
Einen Tag lang war ich einfach nur glücklich. Glücklich darüber, zu wissen, ich kann schwanger werden, allzu lang hatte es im Nachhinein sogar gar nicht gedauert. Glücklich darüber, offenbar auch wirklich gerade schwanger zu sein. Glücklich darüber, dass nun alles seinen Lauf nimmt, ich gar nicht mehr so viel zu allem beitragen kann.
Dann kam Instagram. Und der Algorithmus, der bekanntlich früher als alle anderen erkennt, dass man schwanger ist.
Plötzlich waren sie überall: die Posts über Abgänge, Blutungen, Fehlgeburten. Und kaum war die Angst, vielleicht nie schwanger werden zu können, überstanden, war da eine neue: die Angst, dass das winzige Herz in meinem Bauch plötzlich aufhört zu schlagen.
Über Fehlgeburten wurde lange Zeit geschwiegen. Zu intim, zu privat, zu schmerzhaft. Heute ist es anders, Fehlgeburten sind kein Tabuthema mehr. Und vor allem sind die Gefühle, die damit verbunden sind, nichts, was ein Paar mehr mit sich alleine ausmachen und heimlich mit sich herumtragen muss. Über Fehlgeburten zu sprechen ist wichtig, sie zu verarbeiten, statt sie zu verschweigen der richtige Weg. Doch es gibt eine ganz spezielle Zeit, in der man am besten jegliche Fehlgeburts-Geschichte für sich ausblendet: die ersten 12 Wochen einer Schwangerschaft, für viele wahrscheinlich sogar die gesamte Schwangerschaft hindurch.
Schließlich ist die Möglichkeit, einen großen Verlust und eine wirklich traumatische Katastrophe zu erleben, vor allem in der ersten Zeit einer Schwangerschaft immer präsent. Niemals sonst liegen die Themen Leben und Tod so nah beieinander und sind so sehr mit einem selbst verknüpft. Niemals sonst hat man so wenig Kontrolle über etwas, das einem so wahnsinnig wichtig ist. Und auch, wenn man weiß, dass die Natur am besten regeln kann, ob sich alles weiterentwickeln soll oder nicht, ist und bleibt es eine traumatische Erfahrung, eine Fehlgeburt zu erleben.
Noch nie war ich so sensibel, so verletzlich und so leicht aus dem Konzept zu bringen wie in diesen Wochen. Und noch nie ging mir jede einzelne Geschichte über Abgänge so nah. Die ersten Geschichten, die ich hörte oder Posts, die ich mir durchlas, zogen mir fast den Boden unter den Füßen weg. Am liebsten wäre ich jedes Mal sofort zur Frauenärztin gegangen, um nachzuschauen, ob noch alles in Ordnung ist. Doch auch dann half sie mir wieder: die Zuversicht, an die ich mich ganz bewusst klammerte.
Noch nie in meinem Leben wurde ich so herausgefordert, in das Gefühl des Vertrauens zu gehen, wie in den letzten Monaten.
Wenn sie über mich kam, die Angst, versuchte ich mir ganz bewusst vorzusagen: Es ist alles in Ordnung. Es gibt keinen wirklichen Anlass zur Sorge. Wenn etwas wäre, könnte ich es eh nicht ändern. Ich kann nichts tun, als abzuwarten. Ich habe keine Kontrolle, also kann ich auch alles positiv sehen. Es liegt nicht in meiner Hand.
All diese Sätze sagte ich mir immer wieder vor. Kleine Mantren, die mir wie nie zuvor halfen, zuversichtlich zu sein. Denn tatsächlich hat man kaum eine andere Wahl. Durch die ersten 12 Wochen einer Schwangerschaft muss jede schwangere Person gehen, manche in Panik, manche tiefenentspannt.
Nach dem ersten Trimester wurde es besser mit den Sorgen, einige Wochen später fühlte ich mich sogar so gut, die Neuigkeit hier zu teilen. Und prompt ging es einen Tag später ganz unerwartet ins Krankenhaus, zwar ohne Beschwerden, aber mit einer Komplikation, die vermutlich durch die Schwangerschaft ausgelöst wurde. Was das Ganze für die nächsten Monate bedeuten wird, kann noch niemand genau vorhersehen, das Kontrollverlust-Gefühl, das ich vor und Anfang der Schwangerschaft schon kennenlernen durfte, wird also erstmal zum Dauerzustand.
Was mir dabei gerade mehr und mehr bewusst wird: Wenn man erstmal schwanger geworden ist, geht das Gefühl der Unsicherheit eigentlich erst richtig los.
Genauso geht es nach den ersten 12 Wochen nicht vorbei, sondern geht weiter. Ob mit oder ohne Komplikationen, die meisten Schwangeren machen sich Sorgen, sind verunsichert und fiebern auf den nächsten Kontrolltermin hin. Dann ist da ja auch noch die Geburt mit all ihren Unvorhersehbarkeiten. Und mit ihr geht es dann eigentlich erst richtig los, das Leben eines kleinen Kindes, das für ständige Überraschungen und Ausnahmezustände sorgen kann.
So ganz werden einen Ängste und Sorgen ab sofort wohl nie mehr verlassen. Die Zeit rund um die Schwangerschaft kann eine Zeit voller Sorgen und Vorsicht, aber auch eine glückliche Zeit voller Vorfreude und Dankbarkeit sein. Vor einer Geburt kann man riesengroße Panik haben – wer weiß, was da noch für Gefühle auf mich zukommen werden -, man kann sie aber auch als eines der überirdischsten Ereignisse im Leben sehen, die alles verändern wird. Um ein Neugeborenes kann man sich 24 Stunden am Tag Sorgen machen, oder sich auch hier an die Zuversicht schmiegen und auf das Leben vertrauen.
Und dass man sich wohl ab sofort ein Leben lang um jemanden sorgen wird, in dieses Gefühl wachse ich gerade hinein.
Einfach zuversichtlich sein, das klingt natürlich leichter gesagt als getan. Was mir in der letzten Zeit am meisten geholfen hat ist, die Situationen anzunehmen und mir klar zu machen, dass ich nichts tun kann, sondern Ruhe bewahren und zuversichtlich sein die einzigen Dinge sind, die mir gut tun. Neben den beruhigenden Sätzen, die man sich immer wieder vorsagen kann, können vielleicht auch positive Erfahrungsberichte helfen oder bestimmte Podcasts wie „Die friedliche Geburt“ oder „Hebammensalon“. Sich schnell eine gute Hebamme suchen und mit ihr über Ängste und Sorgen sprechen. Eine gute Frauenärztin, vielleicht sogar gute Fachärzte zu haben, die einen kompetent betreuen und zu denen man ohne Scham auch einmal öfter als geplant kommen kann. Und sich in der ersten, vielleicht auch sogar in der gesamten Schwangerschaftszeit so viel Zeit für sich selbst nehmen und sich ganz bewusst Gutes tun – auch das ist etwas, das ich auch völlig unabhängig davon schon lange für mich übe. Was die Dinge sein können, die einem wirklich guttun und einen auch mal ablenken, kann übrigens komplett verschieden sein – von der Yogastunde oder langen Spaziergängen bis zu einem ganzen Tag nur Playstation spielen, lesen oder Serien schauen, wenn die Gedanken mal wieder zu sehr um die Ängste kreisen.
Diese letzte Zeit war emotional also ganz schön herausfordernd und wird es auch erstmal bleiben. Noch nie war ich so sensibel, so ängstlich, aber auch noch nie so glücklich und sogar zuversichtlich. Jeden Tag bin ich gerade einfach nur dankbar, dass da ein kleines Herz in meinem Bauch schlägt. Und während meine Schwangerschaft sicherlich gerade komplikationsloser sein könnte, bin ich jetzt schon ganz erstaunt, was für ein anderer, zuversichtlicherer Mensch schon jetzt aus mir geworden ist. Ein Kind zu kriegen ist ganz offensichtlich eine große Reise, die einen auf so vielen Ebenen berührt, verändert und wachsen lässt, und ich bin sehr gespannt darauf, wo sie mich noch hinbringen wird.
4 Antworten zu “Vom Schwangerwerden und dem neuen Kontrollverlust-Gefühl, das bleibt”
Vielen Dank für deine Einblicke! Mir ging und geht es ganz genauso (bin jetzt Ende der 16. SSW). Die Unsicherheit wird ab sofort wohl immer bleiben, hat man mir gesagt. Aber das gehört, glaube ich, auch einfach dazu. Ich wünsche dir noch eine schöne Schwangerschaft!
Die wünsche ich dir auch – und dass die Sorgen und Ängste immer weniger werden!
Liebe Milena, von Herzen alles Gute!
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