Umzugs-Update: Von der Enge des Alten und der Freiheit des Neuen
Knapp fünf Wochen wohne ich in der neuen Wohnung. Und bevor ich euch mit Einrichtungsideen, Tipps zur Wohnungssuche und Interior-Bildern versorge, wollte ich euch noch einmal in meine Gedanken zum Umzug mitnehmen. Denn der Schritt, umzuziehen, war für mich ein riesiger. Ich bin ein Gewohnheitstierchen, aber ich hatte irgendwann genug. Die Erkenntnis, dass ich meiner alten Wohnung entwachsen war, obwohl mein Herz nicht loslassen wollte, kam mir erst in den vergangenen Wochen. Mit dem Leben in den neuen vier Wänden. Und so gibt’s das etwas andere Umzugs-Update.
Ganz lange war ich mir sicher, dass ich niemals aus meiner alten Wohnung ausziehen möchte. Diese knapp 60 Quadratmeter waren der vielleicht wichtigste Ort in München für mich. Hier habe ich mich immer wohlgefühlt und so gut wie nie Angst gehabt. Ich habe den Garten geliebt, er war meine Oase im Sommer und Treffpunkt meiner Freund:innen. Die Nachbar:innen über die Jahre ein Stückchen Heimat, und das Viertel ein Hauch Dorfleben, wie ich es aus meiner Kindheit kannte. Niemals hätte ich gedacht, dass mir diese vier Wände zu eng werden würden. Und dann waren sie es plötzlich doch.
60 Quadratmeter für eine Person in München sind purer Luxus. 60 Quadratmeter zu zweit völlig okay. 60 Quadratmeter zu zweit im Homeoffice, manchmal anstrengend, oft kuschelig, hin und wieder nervig. 60 Quadratmeter mit großem Hund und Katze irgendwann zu eng. Zu eng für Freiraum, zu eng für Entfaltung und zu eng für Freund:innen-Besuch.
Expert:innen, die zum Thema Wohnraum forschen, sagen, im Schnitt braucht eine Person mindestens einen Raum und bis zu 50 Quadratmeter Wohnfläche zum Leben. Zwei Personen sollten mit bis zu 65 Quadratmetern Wohnraum auskommen. Jede weitere Person kann mit 15 Quadratmetern zusätzlich glücklich leben. So die Theorie.
In der Praxis sieht die Welt dann doch anders aus. Weil Menschen unterschiedliche Bedürfnisse haben, nach Raum und Bewegungsfreiheit. Aber auch, weil Wohnraum hierzulande wie weltweit sehr unterschiedlich verteilt ist. Nicht jede:r, der oder die sich mehr Raum wünscht, kann diesen haben. Manchmal fehlt der Wohnraum, manchmal die finanziellen Mittel und manchmal auch der soziale Vermieter oder die soziale Vermieterin, die Wohnraum jedem zugänglich machen. Wohnen ist politisch, die Wohnungssuche oft diskriminierend, und die Kosten für viele eine Hürde, die die Theorie relativ schnell widerlegt. Gerade in Städten wie München, Berlin oder Hamburg.
Wohnen ist politisch, die Wohnungssuche oft diskriminierend, und die Kosten für viele eine Hürde, die die Theorie relativ schnell widerlegt. Gerade in Städten wie München, Berlin oder Hamburg.
Und dann gibt es mich. Ich bin ein Mensch, der tatsächlich sehr viel Raum zum Leben braucht. Eine Einzimmer-Wohnung lässt mich klaustrophobisch fühlen. An Tagen mit Anxiety brauche ich das Gefühl, mich bewegen zu können. Ich muss die Räume wechseln können, brauche Luft zum Atmen und im besten Fall einen Ort, der mich erdet und auffängt. Wohnraum ist mir immens wichtig. Ich arbeite von zu Hause, ich lebe hier, ich verreise selten. Schon immer gebe ich gerne mehr Geld für mehr Raum aus. Denn meine Wohnung ist der Ort, an dem ich die meiste Zeit verbringe.
Ich war mir immer sehr bewusst, wie viel Glück ich mit dieser Wohnung hatte. Knapp 60 Quadratmeter für mich alleine mitten in München, eine Wohnung mit mehr als nur einem Raum und einem riesigen Garten, die ich auch noch alleine bezahlen konnte? Keine Selbstverständlichkeit, ich war so dankbar. Und so sicher, diese Wohnung würde ich niemals aufgeben.
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Dann zog mein Freund ein. Und mit ihm seine Sachen. Hatten Polly und ich die 60 Quadratmeter bereits gut gefüllt, waren sie mit seinem Einzug noch ein bisschen voller geworden. Und das, obwohl wir beide im Vorfeld noch einmal den Versuch des Minimalismus gewagt hatten. Mit zwei Homeoffices und einer großen Liebe zu Mode und Schuhen wurde es dann doch voller als gedacht.
Einen Lockdown später, die erste Verliebtheitsphase vergangen, bemerkten wir beide: Irgendwie ist es doch recht eng. Bis der Sommer kam und wir den Garten als drittes Zimmer in vollen Zügen genossen. So viel Luft, so viel Raum.
Und irgendwann so viel Hund. Denn zwischendrin war dieser kleine süße Hund eingezogen, der innerhalb von wenigen Monaten vom kleinen Fellmonster zum pubertären Junghund mutierte. Und Raum einnahm. Ist doch nur ein Hund, nicht? Falsch gedacht! 25 Kilogramm und jede Menge Hunde-Accessoires in der XL-Variante machen sich in einer bereits vollen Wohnung, die auch gleichzeitig Office ist, bemerkbar. Wir stolperten irgendwann nicht mehr nur über Spielsachen, sondern auch Leinen und Hundebett. Und irgendwann auch wieder über eine Katze.
Jede Wohnung, die wir ansahen, war irgendwie alles, nur nicht der Ort, an dem ich leben wollte. Der war immer noch diese eine Wohnung. Und doch hatte sich diese verändert. Nicht nur optisch, von einer Single-Wohnung zur Zwei-Menschen-Hund-und-Katze-Homeoffice-Wohnung. Auch das Gefühl zu ihr war schleichend ein anderes geworden. Da war nicht mehr nur Liebe, sondern ganz oft Genervtheit, Müdigkeit und ein Enge-Gefühl.
Ich wollte keinen Besuch mehr. Diesen Satz sprach ich nicht aus, aber ich lud einfach kaum mehr Leute ein.
Ich wollte keinen Besuch mehr. Diesen Satz sprach ich nicht aus, aber ich lud einfach kaum mehr Leute ein. Zu chaotisch, zu voll, zu eng, zu viele Menschen auf einem Raum. Die Vorstellung von Besuch glich der eines Lebens in einer Ein-Zimmer-Wohnung. Ich bekam Enge-Gefühle, einen Kloß im Hals und Schnappatmung. Die Wohnung war für uns schon zu eng, für Freund:innen gefühlt, kein Platz mehr.
Und ich hasste es. So gerne ich alleine bin, ich liebe auch die Momente mit Freund:innen. Gemeinsam essen, kochen oder sprechen. Gerne in meinen vier Wänden. Diese Wohnung war nie nur meine Wohnung gewesen, sondern eben auch der Ort, an dem ich meine Freund:innen traf. Nur wie sollte das funktionieren? Die Küche war mein Büro, das Schlafzimmer unsere Abstellkammer und das Wohnzimmer Konferenzraum, Office, Hundetagesstätte, Café und irgendwie auch noch Wohnzimmer. Keine gute Ausgangslage – zumal pandemiebedingt nur wenig Ausweichmöglichkeiten blieben.
Die Küche war mein Büro, das Schlafzimmer unsere Abstellkammer und das Wohnzimmer Konferenzraum, Office, Hundetagesstätte, Café und irgendwie auch noch Wohnzimmer.
Wie unzufrieden ich über diese Situation war, bemerkte ich, als ich irgendwann nicht mehr nur nach Wohnungen Ausschau hielt, sondern auch nach Büroflächen. Vielleicht einfach das Homeoffice auslagern? Spoiler: Büroflächen sind noch teurer in München. Idee verworfen. Die Monate vergingen, und je mehr Zeit ins Land zog, desto intensiver suchte ich nach Wohnungen. Nie bewusst, aber das tägliche Durchforsten auf Immoscout verzeichnete irgendwann definitiv eine signifikante Steigerung. Bis wir unsere Traumwohnung doch noch fanden.
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Der Umzug ist vollbracht. Seit knapp fünf Wochen leben wir jetzt in unserer neuen Wohnung, und ich hatte keine Sekunde Abschiedsschmerz. Was mich verwunderte. Ich war mir sicher gewesen, ich würde in eine Art Loch fallen, wenn ich mein jahrelanges Zuhause aufgeben würde.
Aber: Da war fast nichts. Es war okay. Der Aufbruch ins Neue beschäftigte mich so sehr, dass kaum Zeit zum Trauern war. Und irgendwie gab’s auch keinen Grund. Stattdessen kam mir vor Kurzem die Erkenntnis: Mein Herz hing schon lange nicht mehr an meiner alten Wohnung, die Gewohnheit war es, die mich abhielt. Und meine Angst vor Veränderung. Genau wie vielleicht die Sorge, ein Stückchen Unabhängigkeit zu verlieren. Ähnlich wie in einer Beziehung, die längst zu Ende ist, aus der man sich trotzdem nicht zu gehen wagt, aus Angst vor dem, was kommt.
Mein Herz hing schon lange nicht mehr an meiner alten Wohnung, die Gewohnheit war es, die mich abhielt.
Doch wie das Leben so will, ist das, was kommt, meistens besser, als man es sich auszumalen wagt. Heute, knapp fünf Wochen später, denke ich mir: Warum bin ich nicht viel eher umgezogen?
Denn ich fühle mich vor allem befreit.
Endlich, eine Entscheidung getroffen zu haben. Der alten Wohnung auf Wiedersehen gesagt zu haben. So viel Raum für mich und meinen Freund sowie die Tiere. Den Hund endlich mit mehr Platz beim Spielen zu sehen. Die Katze, die sich noch besser entfalten kann. Ein eigenes Büro, das ich an Tagesende nicht hektisch aufräumen muss. Die Wohnung als weiße Leinwand, die nach und nach bemalt werden darf. Ein Esstisch für viele Menschen. Und endlich wieder Besuch.
Anfang des Jahres wünschte ich mir, dass ich 2023 endlich wieder mehr Zeit für meine Freund:innen haben werde. Ich wollte nach drei Jahren Pandemie und einem absolut stressigen Arbeitsjahr meinem Privatleben endlich wieder mehr Priorität einräumen.
Und ich kann kaum glauben, wie gut es – auch dank der neuen Wohnung – klappt. Die neuen Räume sind wie ein neues altes Leben, das ich so lange vermisst habe. Plötzlich kommen Freund:innen spontan zu Besuch, ich trinke mit einer Freundin Tee am Nachmittag zwischen Meeting-Calls, oder esse spontan Sonntagabend noch Pizza essen mit Freund:innen, die wir viel zu lange nicht gesehen haben. Und es fühlt sich nicht mehr eng, chaotisch oder unangenehm an, sondern nur noch schön. Ich fühle mich lebendiger und freier. Klingt fast wie nach einer Trennung, nicht?
Der Umzug war nicht nur ein Umzug in eine neue, größere Wohnung. Ich habe Schluss gemacht. Ich habe die Enge des Alten gegen die Freiheit und etwas Neues getauscht. Ich habe endlich wieder den Raum und den Kopf für das richtige Leben in meinen vier Wänden. Zeit und Platz für Besuch. Ich fühle mich jetzt, seit Langem wieder richtig wohl in meinen vier Wänden. Etwas, das ich unterschwellig lange nicht mehr gefühlt habe. Nur das einzugestehen habe ich mich nicht getraut.
Und mit dieser Erkenntnis ist wieder einmal eine große Dankbarkeit in mir, dass ich mich nicht nur getraut habe, diesen Schritt zu gehen, sondern dass er mir auch möglich war. Weil ich diese Wohnung gefunden und bekommen habe. Weil ich sie mir leisten kann. Weil ich diesen neuen Raum mit Familie und Freund:innen teilen kann, ein Stück Glück abgeben kann, wenn wir hier zusammen arbeiten, Zeit verbringen und uns gemeinsame Zeit schenken. Und weil ich weiß, dass eigentlich jede:r diesen ganz besonderen Wohnraum verdient hat, den er für sich braucht und sich wünscht.
4 Antworten zu “Umzugs-Update: Von der Enge des Alten und der Freiheit des Neuen”
Danke für deine Gedanken – konnte mich in vielem wiederfinden. Der Artikel macht Lust auf Veränderung!
Das freut mich :)
Hallo liebe Antonia,
danke für diesen persönlichen Text, schön, deine Wohnungsreise so intensiv mitzubekommen. Freue mich auch auf mehr Interior-Content!
Tatsächlich erlebe ich gerade das genaue Gegenteil davon, von dem, was du da schilderst – ich bin gerade umgezogen, aber es war der absolut falsche Zeitpunkt, ich war einfach noch nicht bereit dafür. Ich könnte gerade auch einen ganzen Amazed-Gastbeitrag mit meinen Gedanken füllen …
Herzlich,
Nina
Hallo liebe Nina,
danke dir :) Und das tut mir so leid, kann das sehr gut verstehen, manchmal macht man einen Schritt und man merkt im Nachhinein, das war zu früh, die falsche Wohnung oder gar nicht das, was man will. Aber daraus lernt man auch – und das Gute ist: Man kann es auch wieder ändern.
Ich wünsche dir, dass sich alles noch zum Guten wendet.
Liebe Grüße!