The Talk: Über das Schlussmachen und die Angst, gehasst zu werden

30. Januar 2019 von in

Wir sind und waren jung als wir zusammen kamen, auch als wir uns trennten und auch jetzt, wenn wir an all das zurück denken. Wobei ich nicht weiß, ob er an uns zurück denkt. Ich tue das schon und dann hoffe ich immer, dass er, falls er es auch tut, an eine schöne Zeit denkt. Denn die hatten wir, auch wenn das Ende der Beziehung und die Zeit, die danach kam, erstmal nicht so schön war. Für uns beide nicht. Auch, wenn ich ihm das mehr angemerkt habe als er mir. Auch, wenn ich diejenige war, die Schluss gemacht hat.

Nach der Trennung habe ich immer wieder „Wide Awake“ von Josh Record gehört:

„Never meant to make you cry
Never meant to make you love me
Now I’m wide awake with open eyes
Lost in all the love that we shared
Oh I’m sorry that you even cared
Break these chains and walk without me“

Vor fast vier Jahren lernten wir uns kennen. Manchmal kommt es mir vor, als wäre es vor Kurzem gewesen. Und manchmal kommt es mir vor, als wäre es Ewigkeiten her. Das ist es ja irgendwie auch, weil wir uns so sehr verändern, wenn wir jung sind und nicht wissen, wer wir eigentlich sind. Vor fast vier Jahren wurden wir ein Paar und vor fast drei Jahren beschloss ich auch, es wieder zu beenden. Heute könnte ich das feige nennen, aber das wäre meinem früheren Ich gegenüber nicht fair. Deshalb würde ich zusammengefasst eher sagen, dass ich sehr überfordert war mit mir selbst und der Situation, in der ich mich befand. Das betraf die Schule, meine geplante oder erträumte Zukunft, meine Gefühle und auch die Beziehung.

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„Es liegt nicht an dir, es liegt an mir“

Der Satz „Es liegt nicht an dir, es liegt an mir“ wird zwar oft und oft wohl auch berechtigt für eine Ausrede gehalten, damit man direkt die zweite Floskel „Ich will dir wirklich nicht weh tun“ daran schieben kann, in meinem Fall hätte es aber nicht wahrer sein können.

Insgesamt war die Beziehung sehr harmonisch und schön mit kaum Unstimmigkeiten. Zumindest in der Zeit, in der wir zusammen waren. Es war im Sommer, ungefähr ein halbes Jahr. Wir fuhren Fahrrad und versuchten unsere Hände fest zu halten, ganz egal, ob wir so hinfallen würden. Wir sind nicht gefallen. Wir trafen uns heimlich auf einer Bank als ich Stress mit meinen Eltern hatte, ich schaute ihm beim Fußballspielen zu, munterte ihn auf, wenn sein Team verlor, unterhielt mich mit seiner Cousine an seinem Geburtstag, aß mit seinen Eltern Gulaschsuppe und erzählte von meinen Geschwistern. Wir, also er und ich, betranken uns. Wir versuchten gemeinsam zu tanzen, obwohl wir beide nicht tanzen konnten. Er versuchte, mich an der Security einer Feier vorbeizuschieben, weil ich kein Eintrittsbändchen hatte, mir aber draußen so kalt war. Wir tranken Früchtebowle, wanderten durch die Dörfer. Wir gingen mit den Hunden spazieren. Wir wollten auf einen Hochsitz klettern, bis ich mich vor einer toten Maus erschreckte. Wir schliefen zusammen ein. Wachten zerzaust und völlig planlos wieder auf. Schauten uns den Sternenhimmel an. Verließen das Treffen mit Freunden, weil ich keinen Horrorfilm schauen wollte, er aber lieber mit mir sein wollte. Ich zeigte ihm meinen Lieblingsfilm, er mir seinen. Wir telefonierten und fuhren zueinander, wenn wir die Sehnsucht nicht mehr aushielten. Immerzu grinsten wir uns breit an. Ein bisschen unsicher, ein bisschen kokett und immerzu verliebt.   

Ich hatte eine schwere Phase, wusste nicht mit mir und ihm und meinen Gefühlen, die nicht nur von Liebe, sondern auch von viel Unsicherheit, erfüllt waren, umzugehen. Das brachte mich dazu, unsere Beziehung zu beenden und zunächst erleichterte es mich. Ihn nicht. Ich hatte bis dahin einem Menschen noch nie so weh getan, dachte ich. Er litt ziemlich und ich litt dann auch und später waren es lang anhaltende Probleme und Verstrickungen, die sich ergaben, auch, weil ich nicht wusste, was nun das Richtige ist.

Er litt also zuerst sehr, dann ich und dann war es irgendwann ganz vorbei. Ich brach den Kontakt ab und hatte schon einige Wochen später die Bitte, die mich nicht mehr los ließ: Bitte, hass mich nicht. Ich wollte nicht die Böse sein, die unfair zu ihm ist. Ich wusste nur nicht, wie ich es gut machen kann: Gut mit ihm Schluss machen, ihm gut zu verstehen geben, dass ich ihn immer noch mag. Ihm gut zu verstehen geben, dass es trotzdem vorbei ist. Das schaffte ich nicht.

Und wie soll das auch gehen: Jemandem auf gute Art das Herz zu brechen?

Ich hatte Angst und irgendwie fühlte es sich lange so an, als hätte ich meinen besten Freund verloren. Die Liebe wollte ich nicht mehr, ich wollte meinen besten Freund zurück. Aber Freunde waren wir nie. Wie sollten wir also zu einem Stadium in unserer Beziehung zurückkehren, das wir übersprungen hatten?

Er könnte mich doch auch noch mögen für meine Qualitäten, die ich in einer Freundschaft hätte, dachte ich. Ich würde ihm zuhören, ich würde ihm Rat geben, wäre da für ihn, wir könnten zusammen lachen und Fahrrad fahren und uns das Leben gegenseitig ein kleines bisschen schöner machen.

Dass das nicht ging brach auch mein Herz. Dass ich das selbst auch nicht schaffte, deprimierte mich. Dass ich nicht wusste, was denn der Grund ist. Warum ich diese Unsicherheiten und Ängste nicht überwinden konnte und ich deshalb keinen anderen Ausweg wusste, als Schluss zu machen. Ich wusste nicht mehr viel, nur, dass ich nicht gehasst werden wollte für etwas, zu dem ich mich aufgrund meiner inneren Konflikte gezwungen fühlte. Ich wollte nicht gehasst werden, obwohl ich ihm doch wirklich nicht weh tun wollte. (Floskel, aber Wahrheit Nummer zwei)

Wenn wir uns jetzt, fast vier Jahre nach unserem ersten Treffen, wiedersehen, dann höchstens einmal im Jahr auf Dorffesten mit bunten Bändchen und viel Bier, einem schüchternen „Hey“, einer kurzen, nicht zu festen Umarmung, bevor man wieder verschwindet, damit es nicht zu unangenehm oder still wird.

Wir sind beide in glücklichen Beziehungen, soweit ich das beurteilen kann, und eigentlich könnte mir es doch egal sein, ob er mich nun hasst, ganz okay findet oder sogar positiv auf die Vergangenheit mit mir zurückblickt, oder? Aber mir ist es nicht egal, weil ich nicht will, dass die Zeit, die wir hatten, die Sommernächte, die Spaziergänge, die Partys und dieses Gefühl, dass alles so furchtbar neu und aufregend für uns war, von irgendwem in ein schlechtes Licht gerückt wird. Weil das Licht und die Zeit selbst schön waren. Auch wenn es irgendwann ausging. Von seiner neuen Freundin, seiner Familie und seinen Freunden kann ich das nicht verlangen, denn Menschen, die ihn lieben und sahen oder auch meist nur davon hörten, wie verletzt er war, werden natürlich wissen, dass ich daran beteiligt war. Aber diese Menschen waren eben nicht beteiligt. Auch nicht an der schönen Zeit, die wir zu zweit hatten.

Deshalb hoffe ich, dass er manchmal, wenn er doch nochmal an mich denkt, sich daran erinnert, wie glücklich wir einmal waren. So unbeschwert, so jung, so aufgeregt.

Ich bin nicht wehleidig, trauere ihm nicht hinterher. Ich will ihn nicht zurück, ich will nicht so tun, als hätte ich keine Fehler gemacht und auch nicht so als wäre er perfekt. Ich will, dass er mir von Herzen vergeben kann. Ich will, dass er das Gute nicht vergisst, wenn er auch den Schmerz nicht vergessen kann. 

„Verzeihen kann man sich nur selber“

Ronja von Rönne hat im Podcast „Hotel Matze“ gesagt: „Verzeihen kann man sich nur selber“. Vielleicht versuche ich meinem vergangenem Ich nicht nur zu verzeihen, sondern auch zu verstehen, dass ich heute ein anderer Mensch bin. Den er nicht mehr kennt. Wenn er mich hasst, dann hasst er eine alte Version von mir. Das ist so leicht gesagt, obwohl sich doch ab und an noch meine Magengrube zusammenzieht. Weil ich ihn so verletzt habe, weil ich das nicht wollte und weil ich nicht will, dass er mich dafür hasst, obwohl oder gerade weil er mich einmal so gemocht hat. Und ich ihn doch auch.

Wir kennen ja nicht mal mehr uns, sondern nur noch Erinnerungen. Aber die waren schön, das weiß ich. Ich hoffe, er weiß es auch noch.

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