Summertime Sadness: Warum mir dieses Jahr der Abschied vom Sommer so schwer fällt
Die Luft ist noch klar, die Sonne bereits stark, als ich meine Bahnen im kühlen Wasser ziehe. Ich muss blinzeln, wenn ich der Sonne entgegen schwimme. Sobald ich sie im Rücken habe, wärmt sie mich und ich genieße jeden Zug. Es wird mein Sommerritual, morgens schwimmen zu gehen. Um 8 Uhr schon am Eingang des Schwimmbads zu stehen, nur um mich wenige Sekunden später ins Wasser zu wagen. Und doch habe ich es zu selten geschafft.
Die letzten Tage des August sind angebrochen. Der September klopft schon an die Tür. Und auch wenn ich weiß, dass der September oft die Sonne bereithält, der Oktober hier in Bayern meist sehr golden wird, mischt sich Wehmut zwischen die Zuversicht auf den Herbst. Der Abschied vom Sommer fällt mir dieses Jahr besonders schwer.
Es ist März, als ich auf Sonne hoffe. Es ist April, als ich auf den Frühling warte. Und es ist Mai, als ich mir nur noch trockene Tage wünsche. Es wird Juni, und endlich ist er da, der Frühling und Sommer zugleich. Während meine Freund:innen in Berlin im Mai den Frühling genieße, werde ich nur nass. Selbst am Tag unserer Hochzeit nieselt es. Es ist Ende Mai, und ich habe längst aufgehört, das Wetter über meinen Gemütszustand bestimmen zu lassen.
Als der Sommer endlich da ist, spüre ich, wie dringend ich ihn gebraucht habe.
Die ersten Tage vergehen wie im Rausch. Einfach nur raus. Die Wärme genießen. Die Sonne aufsaugen. Den Mantel endlich an den Haken hängen, in die kurzen Kleidungsstücke hüpfe und diese neue spürbare Freiheit selbst am Körper aufsaugen. Ich nutze jede Sekunde an der frischen Luft. Arbeite im Garten, esse auf dem Balkon oder in Restaurants. Selbst nach anstrengenden Tagen zwinge ich mich raus, wer weiß, wann es doch wieder regnet.
Der Regen bleibt die meiste Zeit aus. Und wenn er doch kommt, kann ich endlich wieder entspannen. Der Natur beim Bewässern zusehen. Der Regen ist längst nicht mehr mein Feind, sondern die erholsame Pause zwischen Sonnentagen.
Es ist mein Jahr der Veränderung. Im Januar ziehe ich um. Eine neue Wohnung. Eine neue Umgebung. So viel Umschwung nach dem Stillstand durch eine Pandemie. Ich heirate. Und ich wage mich heraus.
Dieser Sommer, er verändert mich.
Ich erkunde mein Viertel. Ich wage mich mutig an neue und alte Orte. Ich lerne meine Stadt endlich wieder mehr kennen. Ich gewinne an Freiheit. Und an Leben.
Es sind kleine Momente, die diesen Sommer unvergesslich machen. Es ist das spontane Abendessen in einer lauen Sommernacht. Es ist der Ausflug an den See meiner Kindheit. Es ist der Bummel über den Viktualienmarkt. Oder der Besuch eines Pop-Up-Stores. Es ist das Radler an der Isar. Das Schlendern durch den Rosengarten. Es ist der Duft der Blumen. Oder das Gezwitscher der Vögel. Es ist der erste Sprung ins Wasser, oder das Trocknen in der Sonne. Es ist Pepe, der mit seinen knapp drei Jahren endlich ein Kuschelhund ist. Und es ist Minnie, die unseren Garten erforscht. Es sind die Abende mit Freund:innen. Es ist mein Mann, mit dem ich diesen Sommer morgens, mittags und abends genieße. Und das bin ich, die sich wieder frei fühlt.
Manchmal möchte ich diese Momente festhalten. Nicht in einem Foto, sondern als Gefühl. Diese Glückseligkeit einfangen. Ich atme jede Minute ein, nehme das Gefühl des Glücks in mir auf. Um es immer wieder abrufen zu können. Ich will mich erinnern können.
Dieser Sommer war intensiv. So wunderschön. So herrlich frei. Ein glücklicher Sommer.
Ich fühle mich wie Frederick, die Maus. Der in einem Kinderbuch alle Sonnenstrahlen einfängt, damit diese die Mäuse im Winter wärmen. Ich fange all diese Erinnerungen ein, konserviere sie und nehme sie mit. In die kalte Jahreszeit. In den Regen. In die Dunkelheit. In den Schnee. Und in Momente der Trauer, des Frustes oder Ärgers.
Normalerweise freue ich mich auf die neue Jahreszeit. Ich liebe jede Saison für sich. Und doch ist der Frühling oft verheißungsvoller. Es wartet noch ein ganzer Sommer auf einen. Mit dem Herbst kommt der Winter. Und mit beiden die Kälte, die Dunkelheit, das langsame Leben.
Ich ziehe den Pullover über und weine meinem Minirock mit den nackten Beinen nach. Ich wechsle Sonnenbrille gegen Regenjacke. Und verstaue meine Badesachen in der hintersten Schublade. Auch wenn ich weiß, die Sonnentage sind längst nicht vorbei, der Hochsommer, diese warmen Tage und Nächte, sie tauschen langsam Platz mit Nebel und Morgentau im Herbst.
Ich vermisse den Sommer. Dieses Gefühl der Leichtigkeit. Des ganz großen Glückes. Beides will ich kaum loslassen.
Und doch heißt es ja nicht umsonst in einem abgedroschenen Zitat von Konfuzius: „Was du liebst, gib frei. Kommt es zurück, gehört es dir.“ Vielleicht ist in meinem Fall dieses Jahr die Leichtigkeit gemeint. Vielleicht aber auch einfach der Sommer. Und der kommt wieder. Wie jedes Jahr.
6 Antworten zu “Summertime Sadness: Warum mir dieses Jahr der Abschied vom Sommer so schwer fällt”
Uff, I feel you. Richtig schön geschrieben <3
Danke <3 ja, ich vermisse diesen Sommer jetzt schon so :(
Liebe Antonia, ich kenne wenig Autoren deren Texte mir so zusagen wie deine. Ich liebe deinen Schreibstil und die Inhalte (besonders aus den Themen „Leben“ und Gefühle“) sprechen mich jedes Mal an. Keep up the good work =)
Danke <3 Das freut mich so so sehr! :)
So schöne Worte!
[…] ihr wisst ja schon, dass ich den Sommer dieses Jahr am liebsten gar nicht gehen lassen würde. Die Sommerpause mit fast durchweg schönem Wetter tat so […]