Meine Leidenschaft mit Stoffen, Farben und Formen zu arbeiten, hat sich schon in meiner frühen Kindheit gezeigt.
Ich habe immer viel gemalt und gezeichnet. Außerdem kann ich mich daran erinnern, dass ich es schon als kleines Kind geliebt habe, mich zu verkleiden, zu schmücken und alles um mich herum zu dekorieren.
Schöne Stoffe, Drucke, Farben und Schnitte zogen mich magisch an, ich habe beispielsweise alle möglichen Kleidungsstücke in meinem Schrank zerschnitten und wieder neu zusammengebastelt.
Als ich dann mit vier Jahren meine erste Nähmaschine bekam, gab es kein Halten mehr.
Mit 14 Jahren bin ich dann in meiner Heimat Österreich auf die weiterführende Modeschule gegangen und habe die Kunst des Mode-Handwerks noch näher studiert.
Im dritten Ausbildungsjahr wurde mir klar, dass ich auf jeden Fall in der Zukunft mit „fertigen“ Kleidungsstücken arbeiten möchte – noch mehr am Geschehen dabei sein und Looks kreieren will.
Tschüss Jet-Set-Leben, hallo München: Wie Fashion Stylist Stefanie Schwaiger die Corona-Zeit erlebt
Fotocredit: LATEST – Johannes Graf, Andrew Williams / San Francisco
Von Warschau nach Südafrika, dann wieder ins Studio nach München, schnell ein Shooting in Berlin, bevor es weiter nach London geht. Fashion Stylist Stefanie Schwaiger aus München lebt den wahr gewordenen Modetraum – normalerweise. Seit über zehn Wochen ist ihr Jet-Set-Leben ausgebremst. Statt im Team an beeindruckenden Shootinglocations zu arbeiten, sitzt sie in ihrem Münchner Büro – allein. Ohne Aufträge, ohne dem Wissen, wann es wirklich wieder weitergeht. Auch wenn erste Fotostudios wieder öffnen, scheint ein Shooting am Strand von Kapstadt noch in weiter Ferne. Dafür kämpft sie mit jeder Menge Bürokratie-Kram, den Solo-Selbstständige ohne Einkommen gerade bewältigen müssen.
Wie geht es Menschen, die von heute auf morgen „arbeitslos“ sind. Was für Ideen entwickeln sich in einer Krise? Modestylistin Stefanie Schwaiger erzählt, wie es ihr in dieser neuen Normalität geht, welche neue Geschäftsidee ihr durch die Krise helfen soll und gibt auch eine Antwort auf die Frage: „Kann man Stil lernen?“
Normalerweise reist du als Modestylistin um die Welt, arbeitest mit Teams an großen Shootings und bist nur selten zu Hause. Wie sieht dein Leben gerade jetzt zu Corona aus?
Ja das stimmt, normalerweise sieht mein Leben so aus. Aktuell pendle ich hingegen nur zwischen meiner Wohnung und meinem Büro. Doch dank der Pandemie gibt es gerade viel Zeit für Dinge, die sonst zu kurz kamen, beispielsweise ein Never-ending-dates mit meinem Freund und viele neue Ideen und Wünsche.
Viel qualitative Zeit sozusagen – ich freue mich aber auch wahnsinnig, bald wieder im Studio zu sein!
Du bist freie Stylistin. Wie war dein beruflicher Werdegang?
Wie ging es nach deiner Ausbildung in Österreich weiter?
Nach fünf Jahren Ausbildung und mit meinem Diplom in der Tasche ging es mit 19 Jahren erstmal zu einem Praktikum mit anschließendem Trainee in eine Münchner Werbeagentur. Hier lernte ich alles, was zu einer Modeproduktion dazu gehört – von der Ideen-Entwicklung über Pitches bis hin zur Postproduktion. Danach assistierte ich bei Shootings, machte kleine Testshootings und baute mir nach und nach ein Portfolio auf.
Die Liebe zur selbstständigen Arbeit und meine Ideen haben mich angetrieben, meinem Traum der Fashion Stylistin zu folgen. Das ist auch bis heute meine treibende Kraft. Heute, knapp 10 Jahre und viele Aufträge rund um die Welt später, liebe ich meinen Job noch genauso wie am Anfang.
Seit über zehn Wochen ist alles anders. Du bist nun nur in München, wie ging es dir in dieser Zeit?
Die Zeit war intensiv, schnell und langsam zu gleich. Ich habe vor allem neue Dinge über mich selbst gelernt. Ich hatte und habe definitiv mit den Herausforderungen zu tun, mit denen jeder Selbstständige gerade kämpft. Das kann man kaum in Worte fassen. Es gab auch sehr viel Zeit nachzudenken, sehr viel Zeit, um mich im Inneren und Äußeren neu zu sortieren. Da half manchmal stundenlanges Spazierengehen, viel Schlaf, putzen und aufräumen, schreiben, neue Ideen entwickeln, vieles wieder verwerfen, auf den jetzigen Moment besinnen.
Die Zeit dafür zu haben ist auf jeden Fall großer Luxus und Herausforderung zu gleich.
Was fehlt dir jobtechnisch gerade am meisten?
Da ich meinen Job so sehr liebe, war es für mich das Schlimmste, ihn nicht so auszuführen, wie ich es gerne möchte.
Ich vermisse meine Teams, mit denen ich über all die Jahre schon so viel erlebt habe. Ich vermisse die verschiedenen Arten der Projekte und Aufträge.All das zu spüren ist auch wahnsinnig wichtig – es hat mir wieder mal bewusst gemacht, dass ich das, was ich mache, mit Leib und Seele bin.
Fotocredits: Annina Roescheisen – Christian Geisselmann, VOGUE ARABIA – Michael Weniger,
Elyas M´Barek – Andreas Hosch , LATEST – Johannes Graf
Statt in Südafrika am Strand das nächste Shooting zu stylen, hast du die Krise genutzt und dir jetzt was Neues überlegt: Was genau?
Ja, das stimmt aufgrund des Geschehens lag mein Hauptaugenmerk darauf, neue Wege zu finden, um einen Teil meines Jobs weiterhin irgendwie machen zu können. Hauptfrage war: Wie kann ich meine Expertise auch außerhalb der Produktionswelt anbieten.
Über all die Jahre gab es immer wieder Fragen, ob ich auch privat als Stylistin und Modeberaterin zu buchen bin. Jetzt ist es soweit: Ich möchte in Zukunft zusätzlich 1:1 Beratungen anbieten und das überwiegend digital. Das versuche ich jetzt, aufzubauen und langfristig sowie nachhaltig zu etablieren.
Wie läuft deine Modeberatung digital ab?
Gerade bekomme ich meine KundInnen über Facebook und Instagram, langfristig wird es aber eine Website geben, auf der man mich dann stundenweise buchen kann. Steht der Termin, frage ich nach Infos und Details, die für mich wichtig sind, um mich auf die Beratung vorzubereiten. Hier frage ich zum Beispiel nach dem Wunsch der KundIn, dem Problem und dem gesetzten Ziel. Der Rest entsteht, sobald wir digital im Gespräch sind. Jedes Anliegen ist so individuell wie die Person selbst.
Es macht großen Spaß, gemeinsam aktiv durch die Beratung zu gehen. Von Kleiderschrank ausmisten über individuelle Looks finden oder Beratungen zu speziellen Anlässen bis hin zu Online-Fittings ist alles möglich. Ich möchte neue Impulse setzen und inspirieren. Ich möchte durch die Sessions ein wenig mehr Licht in den Kleiderschrank reinbringen und Ungesehenes sichtbar machen. Und ich möchte Mut machen, sich zu trauen, sich authentisch zu zeigen und das eigene Ich mit Mode zu unterstreichen.
Dir ist Nachhaltigkeit sehr wichtig. Wie schlägt sich das in deinem Styling wieder?
Beim Thema Nachhaltigkeit ist es mir wichtig, mit dem zu arbeiten, was schon da ist und was der heimische Kleiderschrank her gibt. Bei den meisten Menschen hängt so viel Ungesehenes – regelrechte Schätze, aber auch vieles, das aussortiert werden kann. Mir ist wichtig, dass sowohl KlientInnen und ich Freude an der gemeinsamen Arbeit haben. Wenn am Ende einer Session beide ein Strahlen im Gesicht haben, ist jedem geholfen. In Bezug auf die Kleidung finde ich es gut auf das „Weniger ist mehr“-Prinzip zu setzen.
Lieber gut ausgewählte Stücke besitzen als ein Überfluss an Dingen, die man eh nicht alle tragen kann.
Ich liebe es Ungesehenes wieder sichtbar zu machen und aus Vorhandenem neue Outfits zu gestalten.
Schön finde ich es, Impuls und Inspiration zu geben, wie man zum Beispiel aus einem Teil mehrere Looks gestalten kann.
Was sind so die größte Fragen, die KundInnen haben,
wenn sie um deine Hilfe bitten?
Was steht mir wirklich?
Ich weiß nicht was ich damit anfangen soll, was meinst du?
Soll ich das behalten oder mich davon trennen?
Welcher Typ bin ich?
Welche Farben stehen mir?
Was empfiehlst du mir?
Wo fang ich überhaupt an?
Fotocredit: N.A.E. Commercial – Maeva Delacroix
Was fehlt den meisten Menschen in ihrem Kleiderschrank?
Der Überblick und neue Inspiration.
Kann man Stil lernen?
Man kann sich selber besser kennen lernen. Je mehr man sich selbst annimmt und lieben lernt, desto mehr macht es Spaß mit der Mode zu spielen. Es geht darum, sich wohl zu fühlen, und das durch die Kleidung zu unterstreichen.
Ich liebe es, wenn man authentisch ist und sich zeigt!
Was bedeutet Mode in solchen Krisenzeiten für dich?
Für mich war es schon immer ein Tool, um mir selbst und anderen gute Laune herbeizuzaubern.
Was kann auf jeden Fall aus jedem Kleiderschrank weg?
Die Teile, die zu lange ungetragen im Schrank hängen. Die Teile, bei denen automatisch die Frage aufkommt: Ich weiß nicht was ich damit tun soll?
Und zu guter Letzt: Wie baut man sich am besten seinen Kleiderschrank auf?
Gute Basics – gut geschnittene Tshirts zum Beispiel.
Klassiker – wie das perfekte weiße Hemd.
Zeitloses – minimalistisch geschnittene Teile.
Etwas Modisches – das gerade Freude bereitet und im Trend ist – Davon reichen zwei bis drei Teile, und man kann diese je nach Saison wieder wechseln.
Lieblingsteile – die einfach gute Laune machen.
Praktisches – Teile, die ihren Zweck erfüllen ohne viel Schnickschnack
Generell liebe ich das Baukasten-System, mit dem man alle Teile untereinander kombinieren kann. Das finde ich genial und erleichtert vieles. Es ist super geeignet für alle, die sich nicht all zu viele Gedanken machen wollen oder weniger Zeit haben. Das Schöne an der Mode ist aber, dass es keinerlei Grenzen gibt, mit Kleidung und Mode zu arbeiten.