Sorry for the rant, aber: LinkedIn ist die wahre Hölle
Leute, wir müssen reden. Denn während alle Welt um mich herum über Instagram und falsche Wertvorstellungen schimpft, TikTok als Zeitfressmaschine verunglimpft oder auf Threads seinen Ärger über X und jegliche andere Social Networks Luft macht, habe ich ein ganz anderes Problem: LinkedIn. Müsste ein Social Network in Flammen aufgehen, würde ich das Berufsnetzwerk wählen. Denn für mich ist LinkedIn die wahre Hölle in Sachen Social Networks. Und ich sag euch auch, warum.
Fangen wir mit den leichten Dingen an. Während wir auf Instagram gerade noch versuchen, unser Leben in ästhetische Bilder zu packen, in Stories meistens gut aussehen und ganz subtil zeigen, wie toll unser Leben ist, funktioniert das auf LinkedIn eher nicht. Hier ist das Motto ganz nach Wir sind Helden: „Hol den Vorschlaghammer.“ Oder einfach mega cringe: Seht her, ich habe einen neuen Job und ich bin so unfassbar cool, dass ich direkt noch ein perfekt geschossenes Foto dazu hefte. Oder mein ganzes Team lobe, das ich jetzt leider verlasse. Gemeinsam haben wir so viel geschafft – was so viel heißt, wie: Danke fürs Aufarbeiten, jetzt bin ich weg, ciaoi!
LinkedIn ist für mich die Plattform, die nur so vor Selbstbeweihräucherung und #Sehtherwietollichbin trieft. Und ich kann es nicht mehr sehen. Ja, wir alle haben einen Job. Die ganz Glücklichen unter uns einen, der sie komplett erfüllt. Die Masse meist einen, der sie ernährt. Und ganz ehrlich: Das ist auch okay. Dieses absolute Abfeiern von Arbeit, von Stress, Überstunden und das Aufarbeiten im Job macht mich fertig. Ja, es ist schön, sich bei den Kolleg:innen zu bedanken. Aber braucht es einen LinkedIn-Post? Oder wäre eine Überstunde weniger und ein Kaffee mehr zusammen vielleicht besser? I don’t know.
Die Hustle-Culture im echten Leben und auf Instagram nervt mich oft genug. Aber auf LinkedIn bekomme ich wirklich zu viel.
Offen gestanden: Zu einem neuen Job gratuliere ich meistens schon. Auch wenn ich gerne mal mit den Augen rolle und mir denke, das war in 90 Prozent der Fälle keine Life-Changing-Idea auf dem sogenannten Weg des Erfolgs, sondern ein erzwungener oder notwendiger Jobwechsel, weil der andere wohl nicht mehr ganz so gut war. Die Kolleg:innen genervt haben. Man sich weiterentwickeln wollte. Oder mehr Geld verdienen wollte. Oder ganz einfach: Weil’s halt nicht mehr gepasst hat. Würde ich mich bei jedem Ex-Freund so bedanken, wie viele ihren Ex-Arbeitgeber:innen auf LinkedIn, wäre ich wohl – tja -nicht getrennt. Ihr seht die Problematik.
Richtig schlimm wird’s jedoch bei den Anekdoten auf LinkedIn. Die sogenannten beruflichen Erkenntnisse, die sich im Laufe einer Karriere so ergeben. Von denen man lernt – und die man allzu gerne teilt. Damit andere auch lernen. Denn auf dieser Plattform sind wir alle schlau, nicht wahr?
Und das sieht dann meistens so aus. Thorsten, 34, normalerweise in der Pole-Position im Unternehmen, hatte jetzt vier Wochen Elternzeit. „Ich kann es nicht glauben, aber es ist wahr: Wenn man erstmal vom Job zurücktritt und Zeit mit seiner Tochter verbringt, weiß man, was wirklich wichtig ist. Und ich danke meiner Frau Helena, die ihren Job als Mutter so gut macht, dass ich jetzt, nach vier Wochen, wieder beruhigt ins Unternehmen zurückkehren kann. Und hier will ich mich engagieren, jeder Vater sollte vier Wochen Elternzeit nehmen. Sie sind so wichtig.“
Oder alternativ:
„Gestern war ich so lange im Büro, dass ich auf die Reinigungskräfte traf. Und wisst ihr was? Wenn man sich mit denen mal unterhält, weiß man, wie wir doch alle miteinander verbunden sind. Wie wichtig wirklich jede Person im Unternehmen ist. Von der Reinigungskraft bis zum Geschäftsführer. Ab sofort schätze ich wirklich diese Arbeit noch mehr. Denn ohne sie gebe es mich nicht. Wir alle sind ein großes Team. Nur gemeinsam sind wir stark.“
Würg. Wenn ich noch eines dieser Postings lese, muss ich schreien. Ist das euer Ernst?
Männer – und es tut mir leid, LinkedIn ist immer noch ein mehr männlich geprägtes Social Network, zwar mit guten 52 Prozent, feiern sich hier – mal wieder – für das Bare Minimum. Weil sies können. Und Günther, Paul und wie sie alle heißen applaudieren. So toll, wie du das machst. Ja, diese Erkenntnis hatte ich auch. Wir brauchen mehr Männer, die über Elternzeit sprechen. Ja, viel zu oft übersehen wir die kleinen Helfer im Unternehmen. Gut, dass du das ansprichst, werde heute auch mit unseren Reinigungskräften sprechen.
Nicht nur, dass es mich nervt, dass sich hier Männer für Bare Minimum Erkenntnisse feiern oder wirklich absurde Lebensphilosophien ableiten, meistens sind es auch noch Themen, die eigentlich uns Frauen gehören. Gleichberechtigung, Elternschaft, Vereinbarkeit, Diversität und Inklusion – alles Themen, von denen Frauen ein Lied singen können. Themen, von denen Frauen vor allem betroffen sind. Themen, bei denen Frauen das Nachsehen haben. Und von denen auf LinkedIn zu gerne Männer sprechen. Statt diese Themen für sich zu besetzen, könnten sie sich ja auch für Gleichberechtigung einsetzen. Equal Pay für alle fordern. Oder auch Elternzeit für alle. Nee, lieber nicht.
Ich habe nichts gegen soziale Netzwerke. Auch nicht gegen berufliche. Ich bin großer Fan von Netzwerken, vom sich austauschen und voneinander lernen. Ich finde es auch wichtig, über Geld und Job zu sprechen. Genauso wie ich bei LinkedIn wirklich mit vielen tollen Menschen vernetzt bin, die ich in meinem Berufsalltag nicht mehr missen mag. Aber aus irgendeinem Grund ist der Algorithmus auf LinkedIn für mich nur noch eines: unangenehm. Vielleicht liegt es eben an jenen Anekdoten aus dem beruflichen Alltag, die so oft an den Haaren herbeigezogen zu irgendwelchen großen Lebensfragen führen, anstatt einfach das zu sein, was sie sind: Anekdoten aus dem Joballtag.
Und dann frage ich mich oft genug beim Durchscrollen: Warum nicht einfach auch mal sagen, was scheiße ist im Job. Was nervt – und warum man gekündigt hat. Statt jeden Jobwechsel oder jeden Schritt der eigenen Karriere unnötig zu glorifizieren – oder eben mit irgendeiner großen Lebensfrage zu erklären. Nein, Herbert, nicht jeder Kaffeeplausch in der Mittagspause führt dazu, dass man neu über Inklusion denkt. Warum nicht einfach mal die Klappe halten, wenn man nichts zu sagen hat, anstatt sich großartig zu profilieren? Hach, das wäre zu schön.
Ihr seht, ich bin echt genervt. Vielleicht ist es aber auch genau das, was mich so auf die Palme bringt: Ich wünsche mir, dass Menschen weniger quasseln, dafür mehr machen. Denn viel zu oft erlebe ich auch Unternehmen und Mitarbeitende, die sich auf LinkedIn so großartig positionieren, bis man selbst mit ihnen arbeitet oder mit Menschen aus dem Unternehmen spricht. Und merkt: Es ist überall gleich. Es gibt Aufs und Abs, es gibt Freunde und doofe Kolleginnen, und es gibt tolle Jobs, aber auch verdammt blöde.
Und vielleicht wäre manchmal ein besserer Lohn für die Reinigungskraft viel fortschrittlicher, als der dämliche Post auf LinkedIn.
Was ich mir wünsche – und da schließt sich dann der Kreis zu allen anderen Social Networks: Authentizität. Ehrlichkeit. Einfach mal sagen, wie es ist. Statt sich irgendeine Geschichte aus dem Finger zu saugen, um möglichst wichtig zu erscheinen. Nein, die meisten von uns operieren nicht am offenen Herzen. Wir sind alle nicht so wichtig, wie es auf LinkedIn scheint.
Und da lobe ich mir fast schon wieder Instagram & Co.. Wo ich eben all die LinkedIn-Highperformer mit zerzausten Haaren in den Stories sehe. Zu müde vom Vortag, keine Lust auf den Tag. Wir sind eben doch alle nur Menschen. Egal, wie sehr wir versuchen, im Social Network anderes zu behaupten.
3 Antworten zu “Sorry for the rant, aber: LinkedIn ist die wahre Hölle”
Hab direkt nachgeschaut, ob du den Artikel auch auf LinkedIn gepostet hast ^^
Alles was du hier schreibst, spricht mir so aus der Seele … Für Linked In wird auch via OMR Workshops erzählt, dass es die Authentizität ist, die dieses Netzwerk braucht. Dreimal die Woche mindestens. Puuuuh. Im Büro sind LinkedIn Seiten der letzte Schrei, jede Abteilung, jedes Projekt bracht Eine – ääääh, habt ihr alle nicht miterlebt, was bei FB passiert ist? Meine favorisierte Form des Austausch ist immer wieder das Blog – merke ich sooo oft. Deswegen gebe ich den Glauben an das große Come Back auch nicht auf ;-) Liebe Grüße aus dem Norden in den Süden.
Hihi, nein, hab ich (noch) nicht auf LinkedIn gepostet :D
Danke dir – und ja, unterschreibe alles, was du sagst :) Es ist so anstrengend geworden :)
Liebe Grüße aus München!
Netter Beitrag bis du unbedingt Männer als Beispiel nutzen musstest. Warum? 50 Prozent des LinkedIn-Schwachsinns bei mir sind HR-Ladies die Bullshit über HR erzählen. Sorry, aber musste nicht sein.