Das Snapchat-Experiment: iam.serafina
Snapchat: Das Phänomen, das die Social-Media-Landschaft im letzten Jahr noch mal komplett von hinten aufgerollt hat. Man hat es gehasst, man hat es geliebt, man hat es ausprobiert und fasziniert beobachtet, was im Leben der Anderen so vor sich ging. Wie weit man hineinblicken konnte in den Alltag, die Privatsphäre oder sogar ins Bett vor dem Schlafengehen oder nach dem Aufwachen. Es war fesselnd, dann wurde es nervig, dann kamen Instagram Stories. Und plötzlich weiß kein Mensch mehr, wo er überhaupt gucken soll, ob es sich wirklich noch lohnt, beide Feeds durchzugucken, wenn man doch nur immer dasselbe sieht, oder ob man das Handy nicht einfach weglegen und ein Buch lesen sollte.
Ja, Snapchat ist ein Medium, das für viel Verwirrung sorgt und das gleichzeitig wahnsinnige Möglichkeiten bietet. Die Welt an tatsächlich spontanen und ungeschönten Erlebnissen teilhaben zu lassen ist und bleibt spannend und birgt Suchtcharakter, sowohl für den Snapper, als auch für den Zuschauer. Die, die es durchziehen, ihren ganzen Tag zu teilen, sind zu persönlichen Realitysoaps geworden, die von Tausenden geschaut werden. Und dann gibt es noch die unspektakulärere Fraktion wie mich, die hier und da mal ein Foto oder einen schüchternen Snap posted, das mit dem In-die-Kamera-Sprechen aber nach ein paar Versuchen direkt wieder gelassen hat. Ob viel oder wenig, beim Snappen bleibt das Positive im Vordergrund, und die richtig echten und spannenden Dinge passieren natürlich nach wie vor trotzdem hinter verschlossenen Türen.
Doch was wäre, wenn nicht? Wenn es wirklich jemanden gäbe, der gnadenlos alles snappen würde, was ihm so passiert – und man alles wirklich live mitbekommen könnte? Social-Media-Mastermind Kevin Schramm von PULS hat sich genau diese Frage gestellt und ein Medienexperiment fü das Content-Netzwerk „funk“ von ARD & ZDF gestartet, das Snapchat mal auf ganz andere Weise nutzt: Als Medium für eine tatsächliche Soap, in der zur Abwechslung auch wirklich Dinge passieren – ganz GZSZ-mäßig natürlich nicht nur gute, sondern auch dramatische.
Franca aka. Serafina ist die Hauptperson der ersten Snapchat-Soap, die am Sonntag mit viel Herzschmerz startete: Nach der Wiesn erwischt Serafina ihren Freund mit einer anderen Frau im gemeinsamen Bett, läuft daraufhin aus der Wohnung und weiß nicht, wohin mit sich. Immer dabei hat sie nur Snapchat, das sie an absolut allem teilhaben lässt. Ab sofort erlebt sie die zwei turbulentesten Wochen ihres Lebens, und auch amazed, unser Büro und wir selbst werden einen kleinen Part in Serafinas Geschichte übernehmen. Das Spannende an diesem Medienexperiment: Es gibt ein grobes Drehbuch, der Rest liegt bei Serafina selbst. Und natürlich lebt sie die zwei Wochen über tatsächlich in ihrer neuen WG und erlebt alles, was sie snappt.
Hier gibt es alle Infos und die bisherigen Folgen zum Anschauen, und schon nach einem Tag hingen mehrere Tausend Menschen an Serafinas Snapchat-Lippen (iam.serafina), täglich steigt die Zahl. Und wie das so ist mit den ganz privaten Einblicken kann auch ich nicht aufhören, mir ständig anzuschauen, was mit Serafina passiert – das Prinzip ist dasselbe wie immer, das RTL II kürzlich erst mit seinem Mjunik-Format aufgegriffen hat. Mit dem Unterschied, dass durch Snapchat als einziges Medium noch mehr Nähe zugelassen wird. Erwischt Serafina ihren Freund mit einer anderen, hält sie mit dem Handy drauf – kein darüber Nachdenken, keine Postproduktion und kein Abstand liegt zwischen dem Erlebten und dem Posten, denn es gilt das Prinzip Snapchat: Sind die 10 Sekunden aufgenommen, wird direkt rausgefeuert. Das Ganze verliert wiederum dann an Spannung, wenn klar wird, das alles ist nicht echt. Snapchat lebt von der Authentizität und dem Voyeurismus – ob das Medium auch bereit für Scripted Reality ist?
Zumindest die Zahlen der ersten Tage zeigen, welche Medienpower auch abseits von privaten Accounts in Snapchat stecken kann – diese Form der Unmittelbarkeit kriegt einfach bislang kein anderes Medium hin. Das Experiment der gescripted-dramatischen Snapchatsoap zeigt aber auch, welche Wirkung es hat, das Privatleben komplett öffentlich zu machen. Snapchat ist und bleibt ein Instrument, mit dem man sehr schnell sehr viele Menschen an sich binden kann, und es war nie einfacher, das eigene Leben zu einer Soap zu machen. Doch wo die Snapchat-Reise für einen persönlich und die große Masse hingeht – das bleibt die Frage dieses Jahres.
Bis dahin heißt es jetzt aber erstmal zwei Wochen lang, Serafina bei ihren Hochs und Tiefs zu verfolgen – und wer dran bleibt, sieht ganz zwischendurch auch uns in ihren zwei turbulenten Wochen – was genau unsere Rolle ist, wird natürlich noch nicht verraten!