Seasonal Affection: (M)Ein Encounter mit dem Winterblues

14. Dezember 2022 von in
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In letzter Zeit könnte ich einfach jede freie Minute in meinem Bett verbringen. Mit heruntergelassenen Rollläden in meine zwei mal zwei Meter Decke gekuschelt. Denn nichts außerhalb von eins-vierzig auf zwei Meter reizt mich in irgendeiner Form. Draußen ist es kalt, ungemütlich oder beides zugleich. Dunkel und was soll ich da überhaupt. Vor allem an den Tagen, an denen ich keine feste Struktur oder einen bestimmten Plan habe, gibt es nichts. Was mich aufhält, mich den ganzen Tag nur zu verkriechen. Und es geht so einfach. Denn ich bin müde. Körperlich, aber auch innerlich völlig ausgelaugt. Für mich, als jemanden, der eigentlich immer Power hat und am liebsten von einem zum anderen Platz unterwegs ist, ist das ein völlig neuer Gemütszustand.

Was ist da los? Warum kann ich auf einmal keinen klaren Gedanken mehr fassen? Wieso habe ich meinen Antrieb verloren? Ist es München? Das Wetter? Die fehlende Quality-Time mit Freund:innen? Und viel wichtiger: Wie komme ich aus diesem Loch raus?

 

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SAD– Seasonal Affection

„Ich glaube, du hast einfach einen Winterblues, Fatima“, stellt eine meiner Freundinnen beim Spazierengehen im Englischen Garten fest. „Das geht gerade so vielen so, nur dieses Jahr fühlt es sich so viel doller an als sonst.“ Wegen der aktuellen Weltlage, der bevorstehenden Energiekrise und Existenzängsten. Irgendwie ist da um uns herum gerade so wahnsinnig viel los, das sich schlecht einordnen oder begreifen lässt. Denn es scheint so, als ob sich die Welt(-lage) seit der Pandemie zu etwas extrem überforderndem entwickelt hat – und das schlägt aufs Gemüt! Vor allem in Kombination mit der Dunkelheit und dem fehlenden Licht.

Winterblues also. Von der Wissenschaft auch als „Seasonal affective disorder„, kurz SAD genannt. Wie bezeichnend. Dabei klingt Seasonal affection doch eigentlich fast schon romantisch. Doch langanhaltende Müdigkeit und das Gefühl, sich den ganzen Tag nur verkriechen wollen, hat leider nichts mit romantisiertem Lovelockdown und Cuffing Season zu tun. Eher potenziert es Einsamkeit und gibt dem Winterblues höchstens eine euphemistische Note (Makaber), die so nichts mit der Fülle an Nicht-Gefühlen zu tun hat, die sich in dieser Zeit breitmachen. Ein Phänomen, mit dem auch ich mich dieses Jahr konfrontiert sehe. Verdammt.

Hello Winterblues, my new Friend!

Das hatte ich noch nie. Da ist diese unergründliche endlose Müdigkeit, die mich dazu bringt, für immer im Bett liegen zu wollen. Mit geschlossenen Jalousien unter meiner riesigen, warmen Decke. Und dann erst wieder aufstehen, wenn es draußen warm wird und die Sonne zurückkommt. Aber vermutlich würde ich das noch nicht einmal mitbekommen. Denn durch die nahtlosen Ritzen der Rollläden kommt kaum Licht. Ganz schön kontraproduktiv, oder? Denn es ist doch die alles verschlingende Dunkelheit, die genau diese Art der Lethargie und Antriebslosigkeit hervorruft. Wieso tendiere ich also dazu mich zu verkriechen und sitze nicht bei angeschalteten Lichtern herum, mit Calvin auf Anschlag oder der in den letzten Jahren so bleibt gewordenen Sonnenuntergangs-Lampe? Ein Rätsel. Ähnlich wie so ziemlich alles, was mit dem plötzlichen Auftreten dieses Winterblues zusammenhängt.

 

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Mein Körper lebt im Energiesparmodus

Das Schlimmste daran ist für mich die Anti-Produktivität. Denn Dinge zu machen kostet mich unglaublich viel Energie und Überwindung. Das geht sogar so weit, dass es mir teilweise schwerfällt einen klaren Gedanken zu fassen. Also gibt es Koffein. Aber das hilft auch nur temporär und erreiche ich die kritische Menge, dann schlägt der Kick um in ein Zittern. Dann bin ich hyperwach und in meinem Kopf rast es. Ich höre mein Blut durch die Adern rasen und das Herz klopft auf Anschlag. Schockstarre. Und dann fährt der Körper wieder runter in den Energiesparmodus. Er will schlafen. Dabei hat er schon 12 Stunden intus. Doch es reicht ihm nicht. Nur noch fünf Minuten. Umdrehen. Auf die andere Seite und die Decke bis zur Nasenspitze ziehen. Es ist kalt. Aber nichts kann mich warmhalten. Denn diese Kälte kriecht irgendwie aus dem Inneren heraus und lässt sich nicht überdecken und aufwärmen.

„Der Winterblues fühlt sich an wie Unterwasser atmen, und auf einmal ist alles in Watte gepackt.“

Er ist ein explosives Gemisch, dieser Winterblues. Der sich so gut wie um nichts schert, außer um sich selbst. Sich ausbreitet und alles andere übertönt. Was helfen soll, ist Bewegung. Aber ich kann nicht. Wie so vieles fühle ich Sport machen absolut nicht. Weil mir selbst Denken schwerfällt. Schreiben. Mich melden und auch Socializing. Dinge, die mir sonst leicht von der Hand gehen, sind zu einer überwältigenden Anstrengung geworden. Ich befinde mich in einer Sinnkrise. Und da hilft Bayern nicht wirklich dabei. Gerade kommt alles zusammen und nichts macht mehr Sinn. Keine Worte lassen sich mehr fassen und immer dann, wenn ich sie greifen kann, verschwinden sie wieder in diesem dumpfen Nichts. Das Leben ist Chaos oder die Aneinanderreihung der gleichen endlosen Routine, die mir jegliche Inspiration raubt. Hallo Winterblues, du trostloses Gefühlsstadium. Dich habe ich gerade noch gebraucht.

Und natürlich ist mir bewusst, dass dieser Zustand kein für immer ist. Dass der Winterblues nicht bleiben wird. Doch gerade jetzt verfolgt er mich wie ein Schatten und da können auch der Ausblick auf ein „im Frühjahr wird es besser“ oder andere Aufmunterungen nichts ändern. Denn Wissen ist das eine, aber die Realität zieht sich gerade wie Kaugummi und manchmal ist darin Versinken vielleicht auch genau das, was man gerade braucht, um sich danach wieder aufzurappeln. Also vielleicht sollten wir die Sinnkrise als Winterschlaf sehen und danach wieder auf Richtung neue Ufer Schwimmen.

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2 Antworten zu “Seasonal Affection: (M)Ein Encounter mit dem Winterblues”

  1. Tipp:
    Die Abschlussarbeit (oder andere wichtige Projekte) in den Winter legen. Dann hat man gar keine Zeit für Winterdepression. Im Gegenteil: Ich freue mich über jede (noch so kalte, aber) frische Luft, die ich kriegen kann. :)

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