Safety First: Die Pille danach

7. Februar 2017 von in

Ich liebe es eine Frau zu sein. Wir haben High Heels, Sneaker, Baggys, sogar Cargo Hosen, Röcke und Kleider, wir haben Lippenstifte und keine Lippenstifte und eine riesige Frisurenauswahl. Doch das Thema Verhütung vermiest mir in regelmäßigen Abständen diese Einstellung. Denn Sex macht Spaß und Sex ist toll, keine Frage, aber Sex kommt immer mit einem bitteren Beigeschmack für die Frau: der Verhütung. „Ich habe das Problem nicht“, können die Pillen-, Ring- und Kupfergirls aus den hinteren Reihen schreien, aber Schätzchen, ihr habt völlig andere Probleme. Das ist es ja. Es gibt bislang keine befriedigende Lösung für Sexliebhaber, die ihre Familienplanung irgendwo zwischen „Jetzt noch nicht“ und „Auf gar keinen Fall“ ansiedeln.

Spätestens nervt es an dem Punkt, eine Frau zu sein, wenn man kurz nach dem letzten Sex einen Walk of Shame zur Apotheke macht. Zwar dürfen wir uns für unseren Fehler des geplatzten Kondoms oder des nie vorhanden gewesenen Kondoms, mittlerweile den Weg zum Frauenarzt sparen, aber das macht den aktiven Kauf der „Pille danach“ nicht weniger erniedrigend. Ich sage so schnippisch, es sei unser Fehler, wenn das Kondom platzt und hoffe, ihr versteht: Natürlich ist das nicht unser Fehler. Dennoch ist es unser Problem. Wer das Kondom „vergisst“, hat klare Teilschuld. Wenn das womöglich gemachte Baby jedoch nicht existieren soll, bleibt das Problem an der Frau hängen. Das ist nicht die Schuld der Männer, das ist die verdammte Biologie, die es einer Frau ohne Kinderwunsch und mit Sexwunsch ziemlich schwer macht. Wie sehr hätte ich mir gewünscht, dass ich meine Pille danach am Automaten hätte kaufen können oder bei einem Roboter, der mir keinen mitleidigen Vortrag darüber hält, dass ich dumm bin, Verhütung wichtig ist und die Pille danach nur im absoluten Notfall eingenommen werden darf. „Ich weiß, danke, lass mich in Ruhe, ich möchte dich nie wieder sehen und die nächsten 24 Stunden nicht existieren“. Da dachte man sein Leben lang, der unangenehmste Kauf wäre die Canesten Creme gegen Vaginalpilz und ehe man sich versieht, steht man fünf Minuten vor der Apotheke seines Vertrauens und wartet darauf, die Pille danach ohne Publikum am Tresen ordern zu können.

Nachdem mir die Apothekerin mit ihrem mitleidigen Blick erklärt hat, dass ich dumm sei und die Pille zwar relativ ungefährlich, aber dennoch Hand in Hand mit Nebenwirkungen daher kommt, verziehe ich mich zurück in meine Wohnung, schmeiße meine Fertigpizza in den Ofen und stelle mich mental auf die kommenden unangenehmen 12 Stunden ein. Denn klar: Nach Einnahme der Pille des Grauens muss nichts passieren, aber es kann. Und ich kenne fast keine Frau, die aus der Nummer völlig schmerzfrei herausgekommen wäre. Freundinnen, die auf der Party am Samstagabend mit leerem Blick eine Apfelschorle bestellen und sich gegen 23 Uhr aus dem Staub machen, weil ihre Bauchkrämpfe und Unterleibschmerzen kaum auszuhalten waren, weil ihnen schwindelig wurde, übel oder ihre Laune im Keller, bestätigen nur, dass die Pille danach nicht so unproblematisch ist, wie sie immer tut. In ihrer netten Verpackung und ihrem winzigen Format. Was kann so eine kleine Pille schon machen? Nein, mal ehrlich: Was macht so eine Pille danach eigentlich?

Die Pille danach mit dem Wirkstoff Levonorgestrel wirkt bis 2-3 Tage vor dem Eisprung und kann diesen bis zu 5 Tage verschieben. In dieser Zeitspanne können Spermien theoretisch im Genitalbereich überleben. Die Notfallkontrazeption mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat wirkt bis kurz vor dem Eisprung und ist somit noch sicherer. In den zwei Tagen des Eisprungs im Monat ist die Frau fruchtbar. Wer also einen dummen Monat hat und die Verhütung gleich zweimal oder noch öfter versagen sollte, der muss die unangenehme Verhütung jedes Mal aufs Neue einnehmen. Das sollte man allerdings vermeiden, denn die Pille danach mischt den Hormonhaushalt komplett auf, bringt alles durcheinander und spielt dem Körper etwas vor, was er nicht ist. Sie kostet zwischen 15 und 30 Euro, und da wir Frauen diejenigen sind, die das gesundheitliche Risiko bei einem Unfall tragen, für den beide gleichermaßen verantwortlich sind, dann sollte sich wenigstens der Preis symbolisch zwischen Mann und Frau – egal ob in einer Beziehung oder nicht – aufgeteilt werden.

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12 Antworten zu “Safety First: Die Pille danach”

  1. es ist wahnsinnig unprofessionell von deiner apothekerin, dich als „dumm“ zu bezeichnen. sowas ähnliches ist mir passiert, als ich mich vorsorglich auf geschlechtskrankheiten testen lassen wollte. dämlicher arzt, der mich behandelt hat, als wäre ein ein verantwortungsloser mensch. ich war wirklich sauer.

    übrigens: demütigend ist nur das, was wir zulassen.

  2. ich hatte das problem schon zweimal, musste beide male noch ein rezept holen und einmal dafür sogar sonntags zum notdienst.
    mir war es nicht übermäßig unangenehm, die ärzte und apotheker waren professionell und nicht-wertend, wie sie es ja auch sein sollen.

    wenns sein muss, muss es halt sein.

  3. Das erste Mal, mit 16, war es für mich auch ein Walk-Of-Shame, aber mittlerweile (wenn ich sie seitdem auch nur einmal für eine Freundin geholt habe) stehe ich da drüber. Ich verstehe nicht, wieso Apotheker/innen das nicht auch tun können – gerade sie sollten kompetent sein. Es kann immer ein Unfall mit einem Kondom passieren, das sollte heutzutage doch kein großes Thema mehr sein…

  4. Überziehst Du in Deinem Text nicht etwas. Dass Dich eine Apothekerin tatsächlich als „dumm“ betitelt hat glaube ich ehrlich gesagt nicht mal ansatzweise… Vielleicht kamst Du Dir nur dumm dabei vor, aber mehr glaube ich auch nicht. Mein Vater ist Apotheker und ich kenne daher viele Apotheker/Innen und Angestellte, die Kunden, insbesondere in einer Notlage!, NIEMALS als dumm bezeichnen würden… Daher kann ich mir nicht vorstellen, dass es sich tatsächlich so zugetragen hat…

    • In dem Text steht nicht, dass die Apothekerin sie als dumm betitelt hat, sondern dass sie es aus dem Blick der Apothekerin zu lesen scheint. Reine subjektive Interpretation der Schreiberin in einer misslichen Lage.

  5. Ich denke mal, Amelie meinte den Blick der Apothekerin, der zu dem dem Gefühl des Sich-Dumm-Fühlens weitestgehend beitrug. Alles andere kann ich mir nicht vorstellen. Dennoch finde ich die Aussage des Textes ziemlich gefährlich. Die Pille Danach sollte nicht in eine Reihe mit Kondomen etc. gestellt werden, quasi gleich an 2. Stelle nach NFP. Finde ich schwierig. Auch das Fazit am Ende, sich die Kosten zwischrb Mann und Frau aufzuteilen finde ich dementsprechend zu oberflächlich und kurz gegriffen….ansonsten mag ich die Reihe sehr und bin gespannt auf künftige Artikel.

  6. „„Ich habe das Problem nicht“, können die Pillen-, Ring- und Kupfergirls aus den hinteren Reihen schreien, aber Schätzchen, ihr habt völlig andere Probleme.“
    Ich bin etwas überrascht über diese Wortwahl, die ich als abschätzig den Frauen gegenüber empfinde, die sich für diese Verhütungsmethoden entschieden haben und das vllt bewusst nach Abwägen des Für und Wider. Ich weiß, dass es gerade sehr ‚in‘ ist die Pille als Verhütungsmittel, die uns alle dumb macht zu verurteilen. Ich persönlich halte viel von der Kritik für überzogen, aber das ist nun mal meine Meinung und das muss nun wirklich jeder für sich entscheiden. Aber das ist genau der Punkt: Bitte belächele nicht Frauen, die sich für diese Methoden entschieden haben.

    • Liebe Katharina, ich möchte damit nur sagen, dass es einfach bislang keine gute Lösung für Frauen und Männer im Bereich Verhütung gibt. Dass auch die Pillen- oder Kupferkandidatinnen sich nicht in Sicherheit wiegen können, da alles bisher, wirklich alles, seine Nachteile mit sich bringt. Ich belächle absolut gar keinen. Don’t hate the player, hate the game.

      • Ich denke auch nicht dass sich „die Pillen- oder Kupferkandidatinnen sich in Sicherheit wiegen“ oder meinen dass sie da „kein Problem haben“. Wie du bereits geschrieben hast, hat alles seine Vor. und Nachteile und ich kenne nur wenig Frauen, die mit der von ihnen gewählten Methode aus vollem Herzen glücklich sind.
        Von demher finde ich deine Wortwahl hier auch etwas irritierend, denn ich habe das noch nie so erlebt als gäbe es da irgendwleche Lager oder Fronten mit „den Kupfer- Pillen- oder sonstigen Girls“. Die meisten Frauen probieren doch verschiedenes aus und finden sich am Ende mit etwas ab. Und wenn jemand die perfekte Methode für sich findet ist das doch auch schön, auch das kann ja durchaus möglich sein :) Da verstehe ich jetzt das Gestichel nicht.

  7. Ich weiss gar nicht, wieso man Apotheker, die sich so oder in ähnlicher Form verhalten/äußern, nicht mit einem entsprechenden Spruch sofort auf Eis legt – soll heissen, sie erst gar nicht ausreden lässt.
    Ich hatte Situationen, in denen mir vermeintlich professionelle Menschen etwas auf meinen weiteren Lebensweg mitgeben wollten; den Versuch kann man ziemlich schnell unterbrechen :)

    Dumm kann man sich nur selber fühlen – ein anderer könnte einen gar nicht dazu bringen, wenn man es nicht ein wenig auch selbst über sich denkt.
    Vielleicht fühltest du dich dumm, dass das überhaupt passieren konnte und die Apothekerin hat das nur zum Vorschein gebracht?
    Ich weiss; Spekulation, doch der Gedanke kam mir so.
    Ich würde es als Erfahrung abstempeln und dankbar sein, dass es diese Art von Medikation gibt.

    Dumm wäre in meinen Augen nur, NICHT in die Apotheke zu gehen, wenn man die Folgen einer unerwünschten Schwangerschaft nicht tragen will.
    Lieber Gruss
    Ava

  8. Ich finde den Text sehr gut und er spricht mir aus dem Herzen. Ich habe Apotheker Gott sei Dank immer sehr nett und einfühlsam erlebt, schade, dass das nicht immer der Fall ist.

    Apropos “ihr habt ganz andere Probleme.”: dem kann ich leider zustimmen. Hormonelle Verhütung sollte nicht schlechter gemacht werden, als sie ist, aber sie hat einfach Risiken und jeder, der aufhört die Pille zu nehmen, fühlt sich danach völlig anders. Man sollte sich schon sehr genau überlegen, ob man immer etwas nehmen will, dass einen sich so anders fühlen lässt. Die ganze Verhütungssache ist nicht simpel, sondern im Endeffekt ein Abwägen zwischen vielen Alternativen, wobei jede mit Nachteilen einhergeht. Ich benutze seit 4 Jahren die Temperaturmethode und verhüte in der gefährlichen Zeit mit Kondom, das hat mir aber schon Pille danach und schlimmes Warten auf die Periode eingebracht. So richtig lustig ist das auch nicht. Aber ich bin froh, dass ich mich wieder wie ich selbst fühle und vor allem wieder Lust auf Sex bekommen habe! (Zwischenzeitlich habe ich mir eingeredet, dass ich vielleicht einfach nicht so der Mensch bin, der Sex braucht…!)

  9. Ich hätte Gott sei Dank nach der Einnahme überhaupt keine Beschwerden oder Nebenwirkungen. Aber das ist wahrscheinlich echt eine absolute Ausnahme :)
    Aber ich hatte auch das Gefühl, dass, als ich sie geholt hatte, die Apothekerin mich sehr mitleidig angeschaut hat, weshalb ich mir noch dümmer vorgekommen bin, als sowieso schon.
    Auch der ellenlange Vortrag über Verhütung, zu dem Apotheker wahrscheinlich verpflichtet sind, macht das alles nicht besser.

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