#representationmatters: Über ständiges Starren und Haare anfassen

26. Mai 2019 von in

Dieser Text erschien zuerst auf Vogue, geschrieben von Julia Dalia

Wollen Sie mit mir auf eine Reise gehen? Leider komme ich oft nicht weit, weil mich schon am Flughafen SXF die Polizei stoppt. Beim letzten Mal waren es ein junger Auszubildender und ein älterer Ausbilder. Ich fragte die beiden: „Wieso eigentlich? Nach welchen Kriterien wird hier entschieden?“ Die Antwort: „Na, schon so dunkle oder arabisch-stämmige Menschen.“ Phänotypen also. Selbstverständlich. Als sei doch klar, wo das Übel zu suchen ist…
Der Polizist war sich ganz sicher: „Ich bin doch kein Rassist.“ Es ist ja schließlich nicht besonders hip, Rassist zu sein. Nichtmal Hipster-Rassismus ist hip. Aber irgendwo muss er doch sein und ich sage Ihnen wo: Rassismus verkriecht sich in Denkmustern, gut getarnt zwischen den Synapsen. Oft so gut, dass der Kopf den Untermieter nicht einmal bemerkt.

Wegschauen in München. Zurückweichen in Frankfurt.
Ignorieren in Südtirol.

Ungefragt die Haare anfassen und Starren: Überall. Was auch sehr beliebt ist: Ein kurzer Blick auf die Haare, gefolgt von einem amüsierten Grinsen – und ich frage mich dann: Hab ich einen Witz verpasst? Die beschriebenen Erlebnisse sind allesamt Mikroaggressionen. Subtile, verdeckt aggressive Ausdrucksformen von Rassismus. Und die sind deshalb so gemein, weil sie sich nur schwer greifen und leicht abtun lassen. Gut getarnt, nie so gemeint und doch Teil des kolonialistischen Erbes Deutschlands.

 

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Es ist die psychologische Tendenz, vereinfacht über eine Gruppe von Menschen zu denken – nicht zwingend von Hass getrieben – aber diese täglichen kleinen Wunden sind für PoC nicht weniger gefährlich als offener Rassismus. Früher habe ich es ignoriert und mir für die anderen irgendwelche Ausreden einfallen lassen. Aber irgendwann sind mir keine mehr eingefallen. Was macht man also? Enttarnt man den Rassismus, ist man ganz schnell die angry PoC im Raum. Soll man es ignorieren, stolz bleiben? Mir tut’s trotzdem weh. Ich hab da so ein Limit, dann heul ich.

 

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„Du bist eben auch eine schöne Frau“, höre ich in solchen Situationen oft, wenn man mich aufmuntern will. Danke für das Kompliment, aber das ist eben auch eine Mikroaggression – um genau zu sein eine Mikroinvalidation, eine Ungültigkeitserklärung. Solche Bemerkungen nehmen meine Lebensrealität als PoC nicht ernst, negieren und rechtfertigen Ungleichheit in unserer Gesellschaft. Wenn man mich fragt: „Für mich sind alle Menschen gleich – was kann ich tun?“ Dann antworte ich, dass meine Erfahrungen real sind und es Unterschiede gibt.

Stellt euch nicht farbenblind. Nehmt die Nuancen bewusst wahr.

Lasst der Oma keine Bemerkung durchgehen, wenn sie bei Kaffee und Kuchen die Political Correctness unter den Tisch fallen lässt. Redet miteinander, mit euren Eltern, Onkeln, Tanten, Freunden. Denn nur so kommen wir irgendwann an.

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