Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2021 des Gallup and the Survey Center on American Life sagten 12 Prozent der Befragten aus, keine engen Freunde zu haben. In den 90ern waren es noch 3 Prozent.
Real Friends: Wann haben wir uns das letzte Mal gesehen & kann man das noch Freundschaft nennen?
„Welchen Tipp würdest du deinem jüngeren Ich geben?“: Stellt man diese Frage auf diversen Social-Media-Plattformen, wird man regelmäßig daran erinnert, dass Freundschaft jenseits der Uni-Zeit rares Gut sein soll. Nicht durch Streitereien oder Meinungsverschiedenheiten sollen einst gute und enge Freundschaften auseinandergehen. Sondern durch mangelnde Zeit und neue Prioritäten. Also solle man seine engsten und treusten Freunde schätzen und die Freundschaften pflegen, so gut es geht.
Als ich 20 Jahre alt wurde, war ich darauf bedacht, in meinen 20ern auf jeden Fall so viel wie möglich richtigzumachen. Das Freundschafts-Thema hatte ich dementsprechend auch auf dem Schirm und wusste: Wenn mich weisere Menschen darauf hinweisen, dann wird das wohl stimmen. Freundschaften müssen gepflegt werden, sonst sitze ich an meinem 30. Geburtstag vielleicht alleine am Tisch.
Wie man seine Freundschaften pflegt, das war mir allerdings nicht so richtig bewusst. Denn meine Freunde waren doch alle so eng mit mir. Schließlich sahen wir uns so gut wie jeden Tag, feierten Erfolge miteinander und waren füreinander da, wenn Dinge nicht so liefen wie geplant. Besser kann man seine Freundschaften nicht pflegen, oder?
Die post-pandemischen Freundschaften
Wie die meisten anderen auch verlor ich durch die Pandemie den Kontakt zu zahlreichen Menschen. Hauptsächlich, weil ich sie einfach nicht mehr sah. Denn so viele enge Freunde hat man ja nicht unbedingt. Einige Menschen aus unseren Freundeskreisen sind nur Teil unseres Lebens, weil wir sie regelmäßig sehen und sie in unserem Alltag stattfinden. Dadurch hat man auch immer was zu besprechen und teilt vielleicht die gleichen Sorgen und Wünsche. Aber was passiert, wenn man diese Menschen nicht mehr sieht? Tja, dann ist man nicht mehr befreundet.
Ich bin natürlich nicht die Einzige, die zwischen 2020 und 2022 Freunde „verloren“ hat. Während der Pandemie waren Freundschaft und sozialer Kontakt präsente Themen und auch jetzt findet man aktuelle Artikel dazu. Wir alle wurden von der pandemischen Einsamkeit getroffen.
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Die Monate, die wir fast durchgängig zu Hause verbringen mussten, haben uns soziale Kontakte gekostet. Aber wenn ich ehrlich zu mir bin, ist es nicht unbedingt schlimm, einige der besagten Menschen nicht mehr zu sehen. Nicht weil ich einen Groll gegen sie hege – sondern einfach, weil wir uns auch vorher wahrscheinlich nicht so viel zu sagen hatten. Meine engen Freunde sehe ich nach wie vor und dafür bin ich insbesondere nach der Pandemie unendlich dankbar.
Trotzdem merke ich langsam, dass es im Erwachsenenalter gar nicht mal so einfach ist, Freundschaften zu halten. Auch enge Freundschaften.
Kann man das noch Freundschaft nennen?
Kindergarten, Schule und Ausbildung – wir sind die ersten Jahre gezwungen, jeden Tag mit den gleichen Menschen verbringen. Alle in der gleichen Altersklasse wohlgemerkt – und mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Je älter man wird, desto unterschiedlicher werden unsere Leben. Und dann gibt’s ja noch so Dinge wie Umzüge, Familiengründung und so weiter.
In meinem Freundeskreis hat zwar niemand ein Kind, aber Umzüge gab es einige. Meine beste Freundin zog beispielsweise nach Österreich und auch wenn das unserer Freundschaft keineswegs geschadet hat, ist es schon komisch, wenn eine der vertrautesten Personen in einem ganz anderen Land lebt. Denn nicht nur verlangt das von uns ab, dass wir uns aktiv um die Kontaktpflege kümmern, man kann schließlich nicht einfach mal spontan am Freitagabend was unternehmen.
Als ich noch zur Uni ging und meine Freunde quasi in Reichweite hatte, war Freundschaften pflegen fast nur auf das „echte Leben“ beschränkt.
Wieso soll ich ein FaceTime-Telefonat planen, wenn wir uns auch auf einen Kaffee treffen können? Warum sollte ich meine Freunde per Textnachricht fragen, wie es ihnen geht, wenn ich sie ohnehin sehe?
Was früher selbstverständlich war, bedarf heute genauer Planung. Das liegt teilweise an den eben erwähnten Umzügen, teils aber auch an Faulheit und veränderten Prioritäten. Langsam, aber sicher steigen die Leute um mich herum so richtig ins Berufsleben ein und das bedeutet, dass das Zeitfenster, in dem man sich noch treffen kann, unglaublich klein geworden ist: ab Feierabend oder am Wochenende – wenn überhaupt.
Wir konzentrieren uns auf die Arbeit, Beziehungen oder eigene Hobbys und finden allmählich immer weniger Zeit füreinander. Das ist wahrscheinlich einfach der Lauf der Dinge, aber ein bisschen schmerzhaft ist es schon.
Kann man seine Freunde wirklich Freunde nennen, wenn man sich nur alle paar Monate sieht?
Na ja, die Antwort lautet natürlich Ja, auch wenn ich mir das vor ein paar Jahren so wahrscheinlich gar nicht vorstellen konnte. Denn die Wahrheit ist, egal wie viele „Wie geht es dir“-Nachrichten verschickt werden oder FaceTime-Termine im Kalender stehen – ich werde einige meiner Freunde in Zukunft einfach nicht mehr so oft sehen wie früher. Aber das heißt ja keineswegs, dass die Vertrautheit, die man sich durch gemeinsame Erlebnisse aufgebaut hat, einfach verschwindet. Ich meine, ihr kennt das sicherlich auch: Man sieht eine Person nach Monaten wieder, aber das letzte Treffen fühlt sich an wie gestern – einfach weil man sich so unglaublich gut versteht.
Heißt natürlich nicht, dass es mit diesen monatlichen Treffen getan ist. Manchmal muss man – auch wenn sich die andere Person nicht meldet – über den eigenen Schatten springen und selbst nachfragen, was los ist. Oder vielleicht einfach mal die ganzen Dinge erzählen, die man gerne loswerden würde. Was hält uns davon eigentlich ab? Bei mir ist es wahrscheinlich eine Mischung aus Faulheit und Ego. Und an diesen Dingen zerbrechen dann vielleicht Freundschaften, die schon jahrelang bestanden.
Freundschaften zu pflegen und zu halten ist nicht so einfach wie ich dachte und ich glaube, dass es mit zunehmendem Alter und vor allem zunehmender Verantwortung immer schwieriger wird. Aber vielleicht hat mir die Phase der Einsamkeit in der Pandemie ja gezeigt, was man tun muss, damit so etwas nicht passiert – und vor allem, dass es auch okay ist, Menschen gehen zu lassen?
Ich meine das absolut nicht böse, aber ich vermisse die ganzen Menschen, zu denen ich nun keinen Kontakt mehr habe, nicht. Wir waren eben „nur“ Schulfreunde, Unifreunde oder Jobfreunde. Keine Freunde-Freunde, wenn man das so sagen kann. Und auch das ist schön – aber nichts, dem man hinterher trauern muss. Stattdessen wird es mal wieder Zeit, sich bei den besten Freunden zu melden. Oder die Sache selbst in die Hand zu nehmen und direkt ein Treffen mit den engsten planen. Ich bin mir sicher, mein Gegenüber freut sich über eine Nachricht.
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