Plädoyer fürs Simpen: Wieso wir uns mehr (temporär) schockverlieben sollten!

12. Februar 2024 von in ,

Es gibt Dinge, auf die kann man einfach nur mit verklärtem Blick zurückschauen. Das geht jedoch nur, wenn man zeitlich einen gehörigen Abstand zu ihnen aufgebaut hat. Darunter ganz viele erste Male: Schmetterlinge im Bauch. Der allererste Crush. Die erste große, alles einnehmende, romantische Liebe. Oh so bittersweet. Verbunden mit einem „weißt du noch“ der Superlative. Damals, als jeder Blick, jedes „Hallo“ zu einem gefeierten Meilenstein emporgehoben wurde. Begleiter von Kreischen, gegenseitigem Hypen und alles ins kleinste Detail ausschlachten. Am besten über eine längere zeitliche Periode.

Man zehrte von diesen banalen Augenblicken. Alles neu. Wir am Verdursten. „Heute haben wir uns umarmt und ich bin fast gestorben“. Oh sweet Teenage-Crush. Erinnere ich mich und fragend: Wieso ist uns dieses überspitzte Excitement abhandengekommen? Heute würde man vergleichsweise abgeklärt von „voll cringe“ sprechen und diesem Schwärmen, Simpen (dem so richtig einen Crush auf jemanden haben) keinen Raum mehr einräumen. Also tue ich es mit diesem Text, denn was diese komplizierte und überfordernde Welt gerade richtig gut vertragen kann, ist verklärte, hoffnungslose Romantik. Kitsch und blindes Verknalltsein. Schamloses Schwärmen für Orte, Dinge, Menschen. Einfach so. Im Moment. Unvollendet.

Let me Simp oder die Magie des Crush-to-go

„Ich glaube, ich habe mich gerade verliebt“, erzähle ich meinen Freund:innen. Kürzlich beim Spazierengehen hat es mich wie vom Blitzschlag getroffen. Blickkontakt, Wahnsinnslächeln und ja, mein Herz ist mir so was von in die Hose gerutscht. Mich hat es erwischt. Ganz schön. Ein ziemlich pathetischer Crush-to-go. Zack. Boom! Einfach so. Im Vorbeilaufen. Wer ist dieser Mann? Ich muss ihn kennenlernen! Dachte ich einige Ecken weiter. Aber Chance verpasst. Was nicht weiter schlimm war. Nur kurz, für einen schmachtenden Seufzer sorgte: „Goodby my almost lover“ (Dramatik impliziert). Allein dieses Gefühl, sich gerade bis über beide Ohren schockverliebt zu haben, gab mir Erfüllung.

Ich geriet ins Schwärmen über eine flüchtige Begegnung mit einer unbekannten Person, die ich nie kennenlernen würde. Die mir aber im Vorbeigehen ein längst vergessenes Gefühl zurückgegeben hat. Das, wie es ist, mal wieder so richtig einen Crush auf jemanden zu haben. In berühmter ‚verliebt in das verliebt sein‘ Manier. Völlig High auf Teenage Dreams. Kurzfristig verknallt. Bis über beide Ohren.

(V)erklärt: Generation Simpen!

Auch wenn man lautstark lieber anrät, keinen Crush zu entwickeln, gibt es natürlich auch für dieses völlig pathetische Verhalten einen coolen Gen-Z-Begriff. (Denn niemand möchte sich das Monopol auf einen ‚Jugendwort des Jahres‘- Anwärter nehmen lassen). Dieser lautet: Simpen. Der Superlativ von auf jemanden einen Crush haben. Es ist der passive Akt, banalen Handlungen und der puren Anwesenheit einer Person exorbitante Bedeutung beizumessen. Natürlich immer mit gesundem Abstand. Denn der Crush, von dem wir hier reden, soll nur ein kleiner Stimmungsaufheller für zwischendurch sein. Und keine obsessive Projektionsfläche werden.

Daher die Teenager-Referenz. Es geht einfach nur um das Schöne daran. Das Gefühl. Die Euphorie. Gepaart mit Adrenalin. Völlig befreit davon, sich selbst zu sehr darin zu verlieren oder aus unerwarteter „Liebe“ jegliche Form der eigenen Selbstachtung in den Wind zu schießen. It’s just a Crush! Temporär, wird er bald schon vorübergehen. Mit dem Wissen: Don’t meet your heros! Das lässt möglicherweise Seifenblasen platzen und zerstört die ganze Magie hinter dem Konzept!

 

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Buzzword, Synonym, Lifestyle

Doch zurück zu unserem Gen-Z-Buzzword. Denn auch hier gibt es eine kleine etymologische Bedeutungsgeschichte. Von dem englischen Wort „to simp“ abgeleitet, wurde es oft benutzt, um männlich gelesenen Personen zu beschreiben, die übermäßig ambitioniert (aus der Distanz) jemanden bewundern und ihm:ihr gegebenenfalls konstant ihre Anerkennung ausdrücken. Mit Komplimenten, Blicken, Schwärmen. Im Zeitalter von Social Media einfach und gut möglich auslebbar, durch Storys-Likes, Beiträge kommentieren und unverbindlich in die Dm’s sliden. Aber die goldene Regel bleibt dabei keinen wirklich verbindlichen Move zu machen. Eher konstant „Hints“ zu droppen. Schmachtende Blicke zuwerfen. Im richtigen Moment weggucke. Sich zurückziehen wie ein Jo-Jo. Tagträumen oder um es in Lindsay Lohans ikonischen Worten zu sagen: „On October 3, he asked me what day it was. It’s October 3rd.“ Ein to die for-Moment der Opokultur. Und sie in ihrer Mean-Girls-Rolle der Inbegriff von einem Simp – zumindest in den ersten Minuten des Films.

Mittlerweile bezieht sich der Begriff im Sprachgebrauch nicht mehr ausschließlich (negativ) auf hoffnungslos romantische Männer, sondern jeder:jede kann ei:n Simp sein. Denn simpen an sich ist die einfachste Sache der Welt.

Can you feel the magic?

Und ja, auch wenn Gen Z gerne so tut, als hätten wir das Pokerface sowie romantische Abgeklärtheit erfunden, wünscht sich doch jeder:jede manchmal, sich einfach so dem Verknallt sein hinzugeben. Auch wenn es nur ganz heimlich ist. Aus allen Nähten platzen, während man seinen Freund:innen mit ungebremster Begeisterung von einem Date, dem Office Crush oder dem schönsten Stranger der Welt am Hauptbahnhof oder im Supermarkt erzählt. Wieso auch nicht? Can you feel the magic? Ich für meinen Teil möchte wieder invested sein. Und zwar so richtig. Als würde man eine Serie schauen, nur dass es das Leben ist. Meins und das der Menschen um mich herum.

Wir glauben alle an wahre Liebe und kitschige Happy Ends. Wachen morgens mit dem Gedanken auf: Heute könnte ich wieder meinem Crush über den Weg laufen. Spinnen völlig unrealistische Bilder, ausgehend von dieser einen Begegnung. Bauen quasi Luftschlösser. Fiktive Story-Stränge. Lassen aus einem klitzekleinen Moment den sprichwörtlichen rosaroten Elefanten werden. Einfach für das eigene Gefühl. Für die ganzen „What if’s“ und das rein hypothetische. Ohne irgendeine weiterführende Intention. It’s just temporary!

 

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Ein Pladoyer für mehr Simpen!

Doch natürlich gibt es auch anderen Settings. Solche, in denen das Simpen realer wirkt und wird. Eben zum Greifen nah. „OMG LEUTE, ICH GLAUBE, ICH STERBE! ICH MAG DEN RICHTIG GERNE!“ Das textete ich kürzlich meinen Freund:innen auf dem Weg zur Arbeit! In unserem Gruppenchat teilen wir die Höhen und Hürden des Alltags. Hier können wir uns ganz schambefreit ausleben und den gesamten Cringe und Kitsch sowie das Chaos abladen. Wie ein Honigkuchenpferd grinsen, wenn jemand von einer Nachricht, einem Date oder Erlebnis erzählt. Und das Beste daran: Alle fiebern mit! Denn im Liebesleben der eigenen Freund:innen ist man im Regelfall an jedem noch so winzigen Detail interessiert. Im „Groupchat“ werden quasi schon Hochzeiten geplant und auf Date A, B, C oder D gewettet. Je nachdem, wer bei den anderen gerade die Poleposition hält.

Es ist eine seltsame Aufregung, die uns verbindet. Die gemeinsame Euphorie, fast schon Ekstase. Nicht ohne Grund ist „wie läuft es mit XY“ eine der erst gestellten Fragen, wenn man sich sieht. Denn am Ende lieben wir doch alle gute Lovestorys, die Liebe und das verliebt sein! Wieso also nicht genau diese Momente mehr zelebrieren und ausschlachten? Also frage ich euch hiermit: Wann hattet ihr zum letzten Mal so einen richtig dollen Crush? Einen, der euch den Atem geraubt hat? Einen, wo ihr nicht wusstet, wohin mit all diesen übersprudelnden, durcheinander purzelnden Gefühlen? Dann genau dann stehen alle Zeichen auf Simp!

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