Money Talk: Darf ich von meinen Freund*innen Geld für meine Arbeit verlangen?
Dieser Artikel erschien zuerst auf Refinery29 von Ludmila Leiva
Es ist schon eine Weile her, da wurde die Fotografin und Künstlerin Areli Arellano von einer Freundin gefragt, ob sie ihr helfen könne, ein Corporate Design für ihr neues Business zu entwickeln. Areli schickte ihr ihren Stundensatz, woraufhin die Freundin fragte, ob sie es nicht für lau machen könnte. „Sie meinte, sie hätte noch keinen Cent mit dem Unternehmen verdient und deshalb kann sie auf keinen Fall Geld für das Design ausgeben”, erinnert sich Arellano. „Ich wünschte ihr für ihren beruflichen Weg alles Gute und das war’s dann. Das klingt jetzt vielleicht hart, aber meine Zeit und meine Arbeit kann ich nicht verschenken”.
Von Familienangehörigen und Freund*innen Geld für die eigene Arbeit zu verlangen, ist ein kniffeliges Thema, dem sich besonders Freelancer*innen und Kleinunternehmer*innen der Kreativbranche oft stellen müssen. Vielen fällt es nicht leicht, Privates von Beruflichem zu trennen. Schließlich wollen sie weder die Freundschaft aufs Spiel setzen, noch sich in den finanziellen Ruin arbeiten.
Kreative Lösungsansätze & Hintergründe
Die freiberufliche Autorin Lauren Cocking umgeht das Dilemma, indem sie Tauschvereinbarungen eingeht. „Wir helfen uns gegenseitig, tauschen Artikel aus und geben Feedback. Wer lange an einem Text schreibt, ist irgendwann betriebsblind. Dann ist es gut, wenn eine andere Person noch mal drüber liest. Ich würde dafür aber nie Geld verlangen, weil sich die*der Freund*in irgendwann revanchiert.” Lauren hat auch einen Deal mit einer Freundin, die ihren Blog hostet. Im Gegenzug hilft sie ihr ab und zu bei Werbetexten. Allerdings muss sie zugeben, dass es manchmal gar nicht so leicht ist, die gegenseitigen Erwartungen zu erfüllen und eine Balance zwischen beiden Dienstleistungen zu finden.
Ähnlich wie Lauren lässt sich auch die Grafikdesignerin Heather Marie oft nicht bezahlen (oder gibt großzügige Rabatte), wenn sie sich durch das Projekt neue Fähigkeit aneignen kann. Freund*innen müssen ihr jedoch grundsätzlich ihren Businessplan zeigen, bevor sie beispielsweise ein Logo für sie entwirft. „Freund*innen, die vorhaben, mit ihrem Blog oder Etsy-Shop Geld zu verdienen, wissen zum Beispiel meistens nicht, wie sie soziale Medien gewinnbringend nutzen können und haben auch keine Content-Engagement-Strategie. Ich nehme sie dann sprichwörtlich an die Hand und sag ihnen, sie sollen ein Pinterest-Inspirationsboard erstellen. Mit dieser kleinen Hausaufgabe finde ich heraus, ob sie einfach nur faul sind und hoffen, dass ich die ganze Arbeit für sie übernehme”.
Areli Arellano ist da noch etwas strenger: Sie macht nur ganz selten mal eine Ausnahme und verlangt weniger Geld als sonst – vor kurzem hat sie die Hochzeitseinladung für ihren Bruder kostenlos designt. „Die meisten meiner Freund*innen haben Verständnis dafür, weil sie mich auf meinem Karriereweg begleitet haben und auch wissen, wie viel ich immer um die Ohren habe. Trotzdem habe ich schon die eine oder andere unangenehme Unterhaltung über Geld führen müssen. Deshalb versuche ich, das Thema Gehalt offen und ehrlich anzusprechen – noch bevor wir über die Projektidee an sich reden. So wissen sie direkt, was sie erwartet”.
Ob mit oder ohne Rabatt, im Tausch gegen eine Dienstleistung oder for free: Für Freunde zu arbeiten ist eine schwierige Angelegenheit. Vielleicht liegt es am Imposter-Syndrom (Betroffene glauben, sie hätten ihren Erfolg nicht verdient), vielleicht an der Angst, Freundschaften aufs Spiel zu setzen.
Schuldgefühle & Gender-Sozialisierung
Und auch Arellano gibt zu, dass sie sich manchmal schuldig fühlt und befürchtet, egoistisch zu wirken. „Kurz bevor ich auf den Send-Button klicke, habe ich immer ein ungutes Gefühl und überlege, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Ich habe Angst, meine Freund*innen verstehen mich falsch oder sind genervt von mir”, erklärt sie. „Weil ich eine Schwarze Frau bin, mache ich mich oft kleiner als ich bin und halte mich im Hintergrund”.
Angesichts dieser Realität stellt sich die Frage:Wie und wann spricht man denn jetzt das Thema Bezahlung als Frau am besten an?
Die Angst vorm Grenzen setzen, kann laut Karriere- und Lifecoach Cynthia Pong für Frauen besonders herausfordernd sein. Die Gründerin von Embrace Change – einem Coaching-Business, das sich hauptsächlich auf (Schwarze) Frauen konzentriert – erklärt: „Es fällt ihnen besonders schwer, weil es ihnen wichtig ist, Anerkennung für gute Arbeit zu bekommen. Außerdem gibt es eine Doppelmoral: Wir haben das Gefühl, besser zu performen als Männer und wurden gleichzeitig dazu erzogen, entgegenkommend und großzügig zu sein”. Sollten wir dieser traditionell weiblichen Verhaltensweise nicht nachkommen, kann das weitreichende, wenn auch subtile Konsequenzen haben. „Frauen werden zum Beispiel viel schneller als anstrengend, nervig oder bitchy bezeichnet – oder andere, negativ konnotierte Adjektive”.
Lerne, nein zu sagen & stelle einen Plan auf
Gender-Sozialisierungen abzulegen und sich mit der Angst, auf das eigene Selbstbewusstsein geprüft zu werden, auseinander zu setzen, ist laut Pong ein vielschichtiger, stufenweiser Prozess. Doch Übung macht die Meisterin. „Lerne, nein zu sagen – und zwar am besten zuerst in Situationen, bei denen es auf nichts ankommt. Sage nein zu Kleinigkeiten”, rät Pong. Außerdem empfiehlt sie, sich vorab schon Gedanken über die eigenen Grundsätze zu machen. Lege beispielsweise genau fest, unter welchen Umständen du Freund*innen einen Rabatt gewähren willst. „Es ist wichtig, nicht zu schwafeln, sondern klare persönliche Richtlinien aufzustellen”. Also setz dich hin, mach es dir bequem und überlege dir ganz in Ruhe, was du für Vorstellungen hast – und zwar schon bevor dich jemand nach deinen Preisen fragt. Dann fällt es dir nämlich auch leichter, nicht so oft Ausnahmen zu machen.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Es kommt natürlich auch darauf an, welche Dienstleistung(en) du anbietest und in welcher (finanziellen) Lage du dich befindest. Als Pong beispielsweise noch in Vollzeit als Pflichtverteidigerin gearbeitet hat und dementsprechend gut verdient hat, willigte sie öfter ein, Beratungen kostenlos durchzuführen. Mittlerweile ist sie eine Kleinunternehmerin und da sieht das Ganze schon wieder anders aus.
Wir können also festhalten, dass es keine starren Regeln gibt, die auf jeden zutreffen. Vielleicht hast du auch gerade einfach gar nichts zu tun und freust dich, über jeden Auftrag, den du bekommst – auch, wenn du damit nichts oder nur wenig verdienst. Oder vielleicht bringt das Projekt deiner Freundin auch gewisse Freiheiten mit sich und du kannst einfach mal freidrehen und dich endlich mal wieder richtig kreativ austoben. Aber natürlich kann es auch sein, dass du deine Miete kaum bezahlen kannst und du auf jeden Cent angewiesen bist. Oder du wegen des Projekts deiner Freundin einen anderen, gut bezahlten Job absagen müsstest. Es gibt viele verschiedene Szenarien und demzufolge auch unterschiedliche Herangehensweisen.
Letzten Endes kommt es laut Pong oft einfach auf dein Bauchgefühl an. „Ich glaube beispielsweise an die Überfluss-Mentalität (Gegenteil einer Mangel-Mentalität, bei der das Leben als Kampf um Ressourcen gesehen wird und man Angst hat, selbst zu wenig abzubekommen). Ich möchte nicht geizig wirken, kenne aber auch meine Grenzen. Ich weiß ganz genau, ab wann es sich um die Art Arbeit handelt, die bezahlt werden muss”.
Fazit
Es ist nicht leicht, Freundschaft und Professionalität unter einen Hut zu bringen, aber es ist machbar – wenn du vorab einen detaillierten, unumstößlichen Plan machst und für dich persönlich festlegst, was dir am wichtigsten ist. Überlege dir genau, was du dir Wert bist und verpflichte dich selbst dazu, deine eigenen Grenzen einzuhalten. Vielleicht ist es am Anfang beängstigend, aber es ist machbar. Bestes Beispiel: Areli Arellano. Sie scheint das Ganze gut im Griff zu haben und rät: „Mach dir bewusst, wie viel Zeit, Geld und Nerven dich deine Arbeit kostet und wie viel du verlierst, wenn du kostenlos arbeitest”. Versuche, Vertrauen in dich und deine Arbeit zu haben und lerne, dich nicht unter Wert zu verkaufen.
Illustration: Mallory Heyer, Foto: Unsplash