Meine 30er: Ein Zwischenfazit

9. Oktober 2024 von in

Die 30er hitten für mein Gefühl bisher nochmal anders: Man hat mehr Geld, die Antibiotika-Toleranz ist höher und manche Dinge erscheinen irreversibel. Sie fühlen sich weniger verzeihend an als meine 20er. Was im letzten Jahrzehnt zu heiß gebügelt wurde, ließ sich immer noch gut richten – oder wie meine Mutter sagt ‚Die Kurve hat sie immer noch bekommen.‘

Mit Ende 20 hat es mich dann nochmal ziemlich aus der Umlaufbahn geworfen und ein neuer Anfang hat mir damals gar nicht geschmeckt.

 

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Der Sommer, der gerade spürbar war und mich mein 35. Lebensjahr abschließen ließ, war gezeichnet von einem Neubeginn, mit einem widerwilligen Naturell: Ich wollte gar nicht schon wieder neu anfangen. Mein Leben mal wieder sortieren, überlegen, wo ich leben möchte, wen ich um mich brauche und wie ich mein Gründungsunterfangen am besten in die Tat umsetze.

In diesem Jahr aber leuchtet die Helligkeit der Tage aus, wo viel zu lange Schatten war: Ich habe mich an einem Lebensentwurf probiert, der mich nicht fassen und meine Bedürfnisse nicht decken konnte. Mir tut die Wärme gut, ich bleibe stehen, um mit geschlossenen Augen mein blasses Gesicht gen Sonnenlicht zu wenden. Mein Körper entspannt sich, dem verheißungsvollen Zirpen der Vögel höre ich gerne zu. Hoffnung ist doch das, was mich meine 30er hat beginnen lassen und wird jetzt auch das sein, das mich durch die zweite Hälfte trägt.

 

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Die große 30 fiel über mein Leben her, das wie Brachland vor mir lag.

Single, gerade die Uni abgeschlossen, kein fester Job und somit viel Potenzial – zumindest auf dem Papier. Die Karten sollten noch einmal in ganz viele neue Richtungen fallen. Ich fand zu mir, habe meine Traumata durch Clubs, Nächte, ferne Städte und Länder geschleppt, bin bei mir auf dem Sofa meiner Therapeutin neu angekommen und habe gelernt zu verzeihen – vor allem mir selbst. Und mit 31 bekam ich einen Aufwind, mit dem ich gerne noch länger gesegelt wäre: Ich hatte einen Job mit Purpose und wieder jemanden ernsthafter kennengelernt, neue Freundschaften geschlossen und alte vertieft.

Die fetten Jahre waren dennoch irgendwie vorbei.

Als Corona erst in den Nachrichten und dann auch in Europa aufkreuzt, nimmt mich niemand ernst, als ich sage, dass uns das Jahre begleiten wird. Ich weiß, wir waren alle dabei und niemand erinnert sich wirklich gerne an die Lockdown-Jahre. Erst nachdem ich dem Kokon, in den sich mich eingeschlossen hatten, entfliehen konnte, habe ich gemerkt, wie krass sie für mich waren. Ich hatte ehrlich Angst, mich anzustecken, war super vorsichtig und habe mich isoliert. Das bedeutete in meinem Fall manchmal wochenlang niemanden in Person zu erleben. Meine Arbeitszeit ist explodiert, nicht selten saß ich 12 Stunden vor dem Arbeitsrechner und die neue Romanze entwickelte sich zur ziemlich schwurbeligen On-Off-Beziehung.

Während andere zusammen gewachsen sind, stand ich vor einer Enttäuschung nach der nächsten. In keinem Freundeskreis wirklich integriert, zählte ich oft nicht in den inner circle und so wurde ich zumeist in die zweite Reihe derer degradiert, die man draußen traf. Meine Bedürfnisse musste ich immer wieder neu formulieren, was in meinem Fall bedeutete, viel alleine zu machen sowie die damalige Beziehung irgendwann wirklich endgültig zu beenden. Es gab einen Punkt, da hatte ich einfach die Nase voll, denn die ersten Jahre meiner 30er kamen mir wie viel Arbeit vor und ich habe mich oft gefragt, wofür eigentlich, wenn ich am Ende wieder nur alleine zu Hause saß.

Als Teenager und Anfang 20-Jährige habe ich mir oft ausgemalt, was ich wohl alles bis 30 geschafft habe und wo ich dann im Leben stehen würde.

Das Gleiche ist passiert, als ich 30 wurde und ich mir Gedanken darüber gemacht habe, wo ich wohl mit 35 wäre. Wie gesettled ich dann wohl wäre, wie sich vieles geordnet und zum Guten aufgeklärt haben würde. Wie ich endlich von der guten Seite des Lebens geküsst worden wäre.

 

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Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Ich bin ungebunden, Single nach 2 Beziehungen, die ich in meinen 30ern geführt habe, und immer noch auf der Suche nach dem richtigen Ort für mich. Schwerelos schwebe ich zwischen Freundeskreisen und Zwischenmieten. Als ich Anfang des Jahres verzweifelt eine Freundin anrufe, sagt sie zu mir ‚Maybe it’s time to delete the paragraph.‘ und genau das werde ich tun. Von vielem habe ich mich losgelöst: Alten Glaubenssätzen, Freund:innen, die sagen, ich kann nicht die 100 % vom Leben erwarten und einem Job, bei dem ich zwar viel verdiene, der mich aber nicht erfüllt. Es tut weh, so viel gehen zu lassen, aber es ist auch ein Schlag der Befreiung. Natürlich sehne ich mich nach einem Verbundenheitsgefühl – sei es geografisch oder zwischenmenschlich. So lange habe ich viel probiert und um Dinge gekämpft. Gebracht hat es mir wenig, außer dem Gefühl, auf der Stelle zu treten.

So wie die erste Hälfte meiner 30er von unsteten Bedingungen geprägt war und davon, dass ich immer weiter gerannt bin, so soll die zweite Hälfte friedlicher werden.

Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich das Gefühl, jetzt angekommen zu können. Tatsächlich habe ich dann dort aber keinen Frieden gefunden und musste mir eingestehen, dass ich vieles, was ich mir gewünscht habe, wieder ziehen lassen muss.

Ich blicke oft neidisch auf meine Freundinnen, die mit Mann und Kind zu Hause sitzen. Natürlich sehe ich nur die guten Seiten in ihrem Leben, wenn ich meine drei Gepäckstücke durch die Öffis von Berlin zerre und ich das Gefühl habe, immer alles selbst zu machen, wenn ich Löcher in Wände bohre und auch mal eine Hand bräuchte. Die in der letzten Dekade friedlich neben dem warmen Körper ihres Partners einschlafen konnten, während ich in unzähligen Unterkünften auf anderen Kontinenten mal mehr, mal weniger Zuhause war.

Es stimmt, was alle sagen: Das Gute am Älterwerden ist, dass man sich selbst näher ist.

Ich merke, wie ich immer mehr bei mir ankomme und nun auch mit einer Unternehmensgründung mehr Sinn in meinem Schaffen sehe. Obwohl es ein Rollercoaster war, habe ich ein starkes Urvertrauen daran, dass alles gut wird und ich gar keinen falschen Weg einschlagen kann, weil alles ganz sicher so kommt, wie es kommen soll.

Ich habe mir lange gewünscht, woanders zu leben und nah am Meer zu sein, neue Leute kennenzulernen, alte Lieben zu vergessen und eine Neue zu finden. All das ist passiert – zwar zu einem gewissen Preis, aber es hatte seinen Grund, warum ich in Berlin irgendwann so unzufrieden war: Sonst hätte ich nie die Muse gehabt, alleine loszuziehen und einfach offen zu sein und mich wirklich dem Fluss des Lebens hinzugeben: Ein Job, der mir mit 32 angeboten wurde, hat mir so viele Freiheiten eröffnet und kam genau zur rechten Zeit – auch wenn ich in diesem heute nicht mehr arbeite. Eine Partnerschaft, die so anders war zu allem, was ich bis dato erlebt habe, hat eine ganz neue Seite an mir freigelegt und mir gezeigt, wie gesund lieben geht – auch wenn ich heute nicht mehr mit der Person zusammen bin.

 

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An dem Glaubenssatz, dass das Beste noch kommt, halte ich dieser Tage gerne fest.

Ich bin fest davon überzeugt, dass ich noch nicht alle Menschen getroffen habe, die ich in mein Herz schließen werde und ich bin genauso fest davon überzeugt, dass ich meine Person und mein Zuhause noch finden werde. Es ist ein Privileg zu Altern und es mit so viel Freiheit zu tun, wie ich sie habe, noch einmal mehr, so show me how good it gets dear thirties.

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