Maybe Baby: Meine Gedanken nach zwei Runden social freezing

4. Oktober 2023 von in

Eine Entscheidung für sich selbst zu treffen, ist oftmals leichter als sie mit anderen zu teilen. Als ich mich entschloss, meine Eizellen einzufrieren, habe ich gar nicht mal so lange überlegt, mit wem ich es teilen mag und mit wem nicht. Ich bin von Anfang an offen damit umgegangen. Kaum ein Thema ist so emotionalisiert, wie die Kinderfrage. Mein Umfeld hat glücklicherweise entweder positiv, mit viel Neugierde oder Unwissenheit reagiert. Dabei ist mir oft aufgefallen, wie irreführend der Begriff ‚social freezing‘ letztlich ist (Zitat eine Freundin von mir: ‚Ich dachte, du machst Quarantäne.‘) – mittlerweile bin ich dazu übergegangen ‚egg freezing’ zu sagen. Meine Eltern haben die Entscheidung sehr begrüßt, mein Partner hat mich auf dem Weg unterstützt und mein Chef fand die Sache eine kluge Entscheidung. 

Mir war es wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen und auch solche Lebensentscheidungen mehr in den Mittelpunkt zu rücken. 

Zudem ist während dieser Zeit in mir der Wunsch herangereift, dass mehr Leute mit ihren Antworten auf die Kinderfrage offen umgehen. Ich wünsche mir eine Welt, in der Leute verkünden „Ich habe eine wichtige Entscheidung getroffen: Ich möchte keine Kinder bekommen.“ oder bei Instagram posten, wie viele Eizellen sie eingefroren haben. Und dass sie dafür genauso Anerkennung bekommen, wie wenn jemand ein Baby bekommt. 

Immer öfter trudeln Kurznachrichten in diversen WhatsApp-Gruppen mit Ultraschall-Fotos ein. So auch am Tag meiner zweiten Eizellen-Entnahme. Ich werde emotional, als mich das zerknautschte Gesicht eines Neugeborenes über den Screen anleuchtet und bin kurz davor zu verkünden, ich hätte gerade die zweite Charge Eizellen auf Eis legen lassen. Der gesamte Prozess des Eizellen-Einfrierens war eine schmerzhafte, unschöne, aber auch sehr emotionale Prozedur. Denn letztlich war es auch mein Entschluss, irgendwann eigene Kinder bekommen zu wollen. Eine Frage, die mich jahrelang umtrieb. Man kann das Herangehen sehr technisch finden, aber es war mein Weg, mich der Kinderfrage entschlossen zu stellen.

Wir müssen dringend umdenken und können nicht so tun, als ob unser Umgang rund um Schwangerschaft und Kinder kriegen gleich bleibt.

Die Grußkarten werden versendet, die Geldbeutel geöffnet, wenn ein Kind geboren wird. Wo bleiben die Blumen, wenn man die x-te Runde IVF hinter sich hat, wo bleibt der safe space und die Sichtbarkeit für diese Themen, die in so vielen von uns stecken? Ich verstehe, dass nicht jede Person so offen darüber reden möchte oder kann. Aber ich habe auch gesehen und gehört, wie viele Personen mit dem Thema Kinder Ja – Nein, und dem Schwangerwerden strugglen.

Vielen ist zwar die biologische Uhr, aber nicht deren Feinheiten geläufig.

Neben einem emotionalen Auf und Ab habe ich viel Neues über meinen Körper, meinen Zyklus und meine Fruchtbarkeit gelernt. Was mich daran sehr ernüchtert hat, ist der Fakt, dass ich viele hilfreiche Antworten bekommen habe, weil ich die richtigen Fragen gestellt habe – wobei es leicht wäre, mehr Aufklärung zu betreiben und mehr Bewusstsein zu schaffen. Ein großer Pfeiler, auf den ich, wenn das Thema nun aufkommt, immer verweise, ist die Annäherung an die eigene Fruchtbarkeit. Sich richtig checken zu lassen, statt sich mit ewigen Grübeleien zu plagen. 

Eine Möglichkeit mehr über das eigene Ticken der Uhr zu erfahren, ist der sogenannte AMH-Wert, der mittels Blutabnahme gemessen wird und ein Indikator für die eigene Fruchtbarkeit sein kann (aber nicht muss). Der Wert zeigt an, wie viel Eizell-Reserve eine Person noch hat. Also wie viele Eier sind noch da – das kann sehr variieren. Wenn ein Mädchen geboren wird, dann hat sie schon alle Eizellen und ab dem Zeitpunkt der Geburt sinkt ihre Fruchtbarkeit. Bereits bevor sie auf die Welt kommt, ist ihre Fruchtbarkeit bestimmt, und der Zeitraum, wie lange sie selbst Kinder bekommen kann.*

Bevor der Prozess des egg freezing startet, wird eben jener Wert gemessen – um ablesen zu können, wie sehr sich ein solcher (sehr teurer) Vorgang lohnt. Mein eigener Wert hat sich zwischen den beiden Eizellen-Entnahmen rapide verändert, was als ungewöhnlich gilt. Auf meine Frage, welche Erfahrungswerte und Verlaufskurven es zu diesem Wert gibt, bekam ich lediglich ein Schulterzucken. Diese Daten werden einfach nicht erhoben, da es Geld kostet und es auch nicht unbedingt beim Frauenarzt oder der Frauenärztin vorgeschlagen wird. Das hat mich sehr wütend, aber auch ratlos werden lassen. Viele verweisen immer wieder darauf, dass es nur ein Indikator von vielen sei und man am Ende gar nicht so viel wisse, denn Frauen mit niedrigem AMH-Wert können dann doch plötzlich schnell schwanger werden.

Leider ist es ein wahnsinniges Privileg, die eigenen Eizellen einfrieren zu lassen, da man die nötige Geldbörse dafür benötigt.

Es ist ein wenig widersprüchlich, denn je früher man das angeht, desto mehr lohnt es sich. Sprich, wenn ich das Eizellen-Einfrieren nur ein paar Jahre angegangen wäre, hätten sich die Kosten noch einmal mehr gerechnet. Zu dem Zeitpunkt hatte ich zwar bereits darüber nachgedacht, hatte aber keine finanziellen Möglichkeiten aufgrund meines nicht ausreichenden Gehalts. 

Es ist ein wenig umstritten, wenn Firmen sich einmischen und egg freezing anbieten (so wie es bereits viele US-amerikanische Unternehmen tun). Allerdings glaube ich, dass sich in Zukunft mehr und mehr Personen frühzeitiger mit dem Umgang von abfallender Fruchtbarkeit befassen werden. 

Oft habe ich das Gefühl, dass viele ins Blaue hinein mit dem Thema umgehen und gar nicht wissen, wo sie mit ihrer Fruchtbarkeit stehen. Es vielleicht auch nicht wissen wollen, was fair ist. Aber bedenklich, wenn große Entscheidungen wie die Partnerwahl darauf basierend getroffen werden. Andererseits verstehe ich es heute besser denn je: Unwissenheit kann ein Segen sein. Das ganze Thema hat so viel in mir aufgewühlt, mich durch viele Emotionen von Freude, über Wut, Traurigkeit, Enttäuschung und Erleichterung laufen lassen und meinem Leben auf seine Art ziemliche plot twists verpasst.

Am Ende war es der Versuch, ein wenig Kontrolle oder Selbstbestimmtheit zu erlangen.

Fruchtbarkeit kann etwas sehr Launisches sein, aber der Prozess des egg freezings hat mich dazu gebracht, mich mit meiner auseinanderzusetzen. Und ich bin heute mehr denn je dankbar, dass ich das in dem Ausmaß tun konnte, mit dem ich es getan habe. Schon jetzt hat mich der Prozess vor Entscheidungen bewahrt, die ich später sicherlich bereut hätte. Für mich gilt nach wie vor, dass eigene Kinder schön wären, aber nicht um jeden Preis. Dafür habe ich eine nicht umbeachtliche Geldsumme in die Hand genommen, aber mir war und ist es das schlicht wert, nicht aus einer Torschlusspanik heraus Kinder bekommen zu wollen – auch wenn das egg freezing keine Garantie, sondern lediglich ein Back-up ist.

*Externe Faktoren wie Zigarettenkonsum, Lebensstil, Stresslevel beeinflussen die Fruchtbarkeit im Laufe des Lebens zusätzlich. 

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