Megan Fox lehnt sich lasziv über die Motorhaube. Die Kamera lässt sich Zeit; sie fährt in Zeitlupe einmal von unten nach oben quer über ihren schwitzigen Körper, der in derart engen Jeans steckt, dass man sich fragt, wie zur Hölle man in diesem Outfit bequem einen Keilriemen austauschen soll. Diese Szene aus „Transformers“ ist zugegebenermaßen ein Extrembeispiel, aber sie illustriert eine traurige Wahrheit, die beinahe für das gesamte Filmbusiness gilt: Filme werden in der Regel für Männer gemacht.
Der männliche Blick
Schon 1975 schrieb die britische Filmkritikerin Laura Mulvey das Essay, das den Begriff „Male Gaze“ – also den „männlichen Blick“ – in den Fokus von Feminist*innen und Filmtheoretiker*innen rückte. Ihre Theorie: Hollywood reproduziert Patriarchat und Sexismus, denn es geht immer von einem männlichen Zuschauer aus. Dementsprechend werden Männer immer in die aktiv-dominante Zuschauerposition gedrängt, Frauen andererseits in die passiv-unterwürfige Position der Angesehenen. Männer sind die Träger des Blicks, Frauen die Erträgerinnen. Und während Männer im Film Bedeutung erschaffen, haben Frauenfiguren den bloßen Nutzen, diese Bedeutung zu transportieren. Es sind meist Männer, die das Narrativ vorantreiben. Männer erfahren für ihre Leistungen Anerkennung, Frauen in der Regel nur für ihre Erscheinung. Das zeigt sich bis heute in nahezu jedem populären Film – wenn man genau hinschaut. So werden zum Beispiel lesbische Liebesbeziehungen immer sehr viel sexueller und körperlicher dargestellt als schwule. Selbst komplexe und facettenreiche Frauencharaktere entsprechen stets dem Schönheitsideal und Frauen über 40 kommen in Hollywood so gut wie gar nicht vor – im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen.
Das hat auch Folgen für die Frauen in den Kinositzen: Ihnen wird durch die verkürzte Darstellung von Frauencharakteren im Film jegliche Möglichkeit genommen, sich mit ihnen zu identifizieren. Stattdessen haben sie meist keine Wahl, als stattdessen mit den männlichen Protagonisten mitzufühlen. Die Blicke im Film gehen von einem männlichen Standpunkt aus und machen Frauen zu Objekten dieser Schaulust. Das hat auch psychische Folgen und führt dazu, dass wir diese Art, angesehen zu werden, als normal empfinden. Diese Logik gilt übrigens nicht nur für Actionblockbuster à la „Transformers“, sondern bei genauerem Hinsehen auch für nicht so offensichtlich sexistische Independentfilme wie „Blau ist eine warme Farbe“ oder „Elle“. Denn die Male Gaze ist Filmemacher*innen – egal, welchen Geschlechts – und Zuschauer*innen inzwischen derart in Mark und Bein übergegangen, dass ein Umdenken eine echte Herausforderung ist. Das liegt an den in Jahrzehnten entstandenen Sehgewohnheiten und an den Außenbedingungen, auch Patriarchat genannt.
Gibt es eine Female Gaze?
Klar: Es gibt auch sexualisierte Männer in Filmen – es gibt „Magic Mike“. Es gibt inzwischen massenhaft Reboots von alten Filmen mit umgekehrten Geschlechterrollen. Das bedeutet aber nicht, dass die Male Gaze damit ausgeschaltet ist: Denn auch in diesem Filmuniversum befinden sich die Charaktere in einer patriarchalen Gesellschaft und dementsprechend in einem ungleichen Machtverhältnis. Geschlechterrollen bleiben machtvoll. Eine exakte Umkehr des Blicks scheint daher unmöglich. Dennoch: Seitdem Feminist*innen sich mit Hollywood befassen, sind sie auf der Suche nach der Female Gaze, also der Umkehr der Blickdynamik, die Frauen die Rolle des aktiven und dominanten Blicks zuschreiben. Aber das ist gar nicht so einfach – und in unserer gesellschaftlichen Realität wahrscheinlich unmöglich. Nicht zuletzt auch, weil es „die Frau per se“ überhaupt nicht gibt und neben Sexismus auch andere Diskriminierungsformen existieren, die auch im Kino eine Rolle spielen. So ist beispielsweise die Position schwarzer Frauen nochmal eine ganz andere – denn die kommen in Hollywood in der Regel entweder gar nicht oder nur in extrem stereotyper Form vor. Hinzu kommen Kategorien wie Klasse oder Sexualität – und die Liste geht weiter. Der männliche Blick im Hollywoodkino ist nämlich genau genommen ein heterosexueller, weißer männlicher Blick und die Frau, die objektifiziert wird, ist ebenso meist weiß und normschön. Es ist also eine ziemliche Herausforderung, dieses Umdenken im Mainstream-Kino.
Aber ein bisschen was tut sich dann ja doch. Zumindest Szenen wie die einer sich über Motorhauben beugenden Megan Fox gehören inzwischen zurecht der Vergangenheit an. Netflix und Co. produzieren ein diverses Format nach dem anderen und dank der #metoo-Bewegung bleibt Sexismus in Hollywood nicht mehr unkommentiert. Vielleicht brauchen wir also überhaupt keine Female Gaze. Vielleicht ist der bessere Weg, das Ganze konsequenter anzugehen und uns nicht auf die Repräsentation von Frauen zu beschränken, sondern gleich alle in die Gleichung mit aufzunehmen – egal, welchen Genders, welcher Herkunft, welcher Sexualität. Das konsequente Ziel wäre eigentlich eine Equal Gaze – auf Augenhöhe. In den letzten Jahren hat Hollywood durchaus bewiesen, dass es nicht komplett immun ist gegen Fortschritt. Wer weiß, wie weit wir kommen, wenn wir laut und kritisch bleiben!?
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