Living Apart: Wie gehe ich den nächsten Schritt, wenn mein Partner und ich nicht zusammenwohnen?
Einer meiner ersten Texte, die ich auf amazed veröffentlichte, war zu dem Thema Living Apart Together – also mit einer Person zusammen sein, aber nicht zusammenwohnen. Seit diesem Text sind etliche Monate vergangen und auch heute wohne ich nicht mit meinem Partner zusammen – also quasi alles wie beim Alten. Zwischendurch haben wir aber so einiges dazugelernt und ich muss sagen, je länger man getrennt wohnt, desto eher merkt man, dass längst nicht alles perfekt abläuft.
Erstmal vorab: Living Apart Together funktioniert aktuell noch ziemlich gut für uns. Aber, und ich denke, das wird jede Beziehung irgendwann treffen, so langsam mache ich mir Gedanken darüber, wie es weiter geht. Wie lange wohnen wir noch getrennt? Hat sich unsere Beziehung in den letzten Monaten eigentlich weiterentwickelt? Was können wir tun, um den nächsten Schritt zu gehen?
Wenn ich über den nächsten Schritt spreche, dann meine ich nicht den Gang zum Standesamt oder einen filmreifen Antrag. Wenn ich über den nächsten Schritt spreche, dann meine ich ein neues Level an Verständnis für die andere Person, Intimität, geteilte Verantwortungen und noch so viel mehr, was mit dem Zusammenwohnen einhergeht.
Was ich das letzte Jahr über gelernt habe ist, dass das Alleine-Wohnen mir unglaublich dabei geholfen hat, mich selbst weiterzuentwickeln. Über entspannte Filmabende und nächtliche Putz-Sessions hinaus. Alleine-Wohnen ist nicht nur schön, weil man die eigene Zeit so einteilen kann, wie es einem beliebt. Es ist auch schön, weil man sich vielen Dingen (erstmal) alleine stellen muss. Sei es nun ein unangenehmer Brief, eine Mieterhöhung, Probleme in der Wohnung. Natürlich sind diese Dinge an sich nicht so toll – aber was dafür umso besser ist, sind die Lehren, die man aus neuen Situationen zieht.
Und dann wäre da noch das schlichte Alleinsein. Alleine einschlafen, alleine essen, sich selbst unterhalten. Wer hätte gedacht, dass sie so aufschlussreich ist, diese selbst aufgezwungene Einsamkeit? Vielleicht liegt es auch am Altersunterschied (bestimmt tut es das, bis zu einem gewissen Grad), aber wenn ich an die Person zurückdenke, die ich war, als ich noch nicht alleine gewohnt habe, dann habe ich den Eindruck, es liegen Welten zwischen uns. Und das ist gut so.
Unangenehme Fragen: Jetzt habe ich mich entwickelt, aber was ist mit meiner Beziehung?
Alleine wohnen hat mir unglaublich gutgetan, und ich würde behaupten, dass es auch anderen Menschen nicht schaden würde, eine Zeit lang einfach alleine zu sein. Ich habe mich weiterentwickelt und bin eine „bessere“ Version meiner selbst, da bin ich mir sicher. Und auch mein Freund hat sich sicherlich über die vergangene Zeit weiterentwickelt. Was allerdings ein wenig stagniert ist, ist unsere Beziehung. Es klingt ja eigentlich wie ein No-Brainer. Klar, wenn man nicht zusammenwohnt, dann kann man sich eben nicht gemeinsam so entwickeln, wie andere.
Aber trotzdem hat sie unserer Beziehung gutgetan, die Zeit, in der wir getrennt sind. Wir sind ausgeglichener, selbstsicherer und können uns – ironischerweise – dadurch auch viel besser unterstützen. Zwei selbstständige Menschen, wie sie leiben und leben halt. Klingt fabelhaft, right?
Dafür fehlt uns aber ein Level an Verständnis, das für andere wahrscheinlich ganz natürlich kommt. Gemeinsam aufstehen, das gleiche Essen und die Freizeit miteinander koordinieren. Das machen wir alles nur, wenn es akribisch geplant ist und uns 100%ig in den Kram passt. Ein bisschen wie ein Date. Dadurch sieht man sich längst nicht so oft, wie es einem lieb wäre – und vor allem muss selten richtige Kompromisse eingehen. Eigentlich ja der Vorteil von dem ganzen LAT-Prinzip.
Sich an den Partner anzupassen, ist aber nicht immer schlecht. Ganz im Gegenteil – es hilft manchmal total.
So richtig bewusst geworden ist mir das erst in den letzten Monaten. Immer wenn wir gemeinsam einen Kompromiss eingehen mussten, wurde uns erst wieder klar, wieso es wichtig ist, transparent zu kommunizieren und die Dinge aus der anderen Perspektive zu betrachten. Das müssen wir wirklich nicht oft machen – die Basics, sage ich mal, haben wir immerhin schon zu Beginn unserer Beziehung besprochen. Nach mehreren Jahren des Zusammenseins gibt es kaum (gesunde) Konflikte bei uns. Dabei sind wir eigentlich streitfreudige Menschen – und das meine ich im positiven Sinne.
Dadurch, dass jeder so ein hohes Maß an Unabhängigkeit hat und einen sehr großen Freiraum besitzt, gibt es einfach keinen Grund, sich zu zanken. Ich weiß, es klingt wie Meckern auf hohem Niveau: „Wir streiten uns nicht, oh nein, oh nein.“
Aber ich meine es total ernst. Denn unsere Ausgeglichenheit haben wir nicht dadurch, dass wir so super gut miteinander klarkommen und perfekt zueinander passen – ich denke das tun die wenigsten Menschen – sondern dadurch, dass wir über so viel weniger sprechen müssen, als andere Paare. Die unangenehmen Dinge des Alltags sind oftmals auch die, die Menschen dabei helfen, voranzukommen – und das tut unsere Beziehung beim LAT nicht so richtig. Denn es gibt wirklich nicht viel Unangenehmes, das uns als Paar im Alltag beschäftigt.
Im Grunde ist das, was das LAT-Beziehungsmodell so attraktiv macht auch das, was es unattraktiv macht. Man muss sich nicht mit Banalitäten beschäftigen, kann sich in die eigene Höhle flüchten und lebt die Beziehung ein wenig auf Ruhe-Modus. Aber genau das hindert die Beziehung daran, große Schritte nach vorne zu machen. Denn diese Banalitäten und nervigen Streitereien sind genau das, was einem dabei hilft, sich besser zu verstehen. Gemeinsam große (finanzielle) Entscheidungen zu treffen ist immerhin noch mal ein ganz anderes Kaliber, als sich auf ein Restaurant zu einigen.
Wenn ich länger darüber nachdenke, wird mir erst richtig bewusst, was wir alles noch nicht gemacht haben – und welche Konflikte uns dadurch vielleicht noch bevorstehen.
In den kommenden Monaten wollen wir noch nicht zusammenziehen, aber(!) langsam sprechen wir schon über mögliche Städte, in denen wir wohnen könnten, wie es finanziell bei uns aussehen würde, wenn wir zusammenziehen und, und, und. Der Ernst des Lebens kehrt ein. Und ich könnte nicht glücklicher darüber sein. Denn ich merke, dass man den richtigen Schritt nur dann gehen kann, wenn man Dinge wagt, die unangenehm sind. Das gilt ja nicht nur für Beziehungen, sondern eigentlich für alles im Leben. Und deshalb sollte man die aktuelle Situation so gut es geht genießen – mit dem Wissen, dass es nicht für immer so bleiben wird. Und dass Veränderungen prinzipiell erst mal gut sind.
2 Antworten zu “Living Apart: Wie gehe ich den nächsten Schritt, wenn mein Partner und ich nicht zusammenwohnen?”
Vielen Dank! Den Artikel habe ich gebraucht, ohne es zu wissen.
Natürlich ist jede Beziehung individuell, dennoch finde ich es schade, dass der Artikel impliziert, das LAT „nur“ ein Übergangsmodell ist, bevor eine Beziehung den nächsten wichtigen Entwicklungsschritt macht. Ich lebe bereits seit 11 Jahren in einem LAT-Modell und wir wollen daran auch nichts ändern. Trotzdem erleben wir Alltag, Entwicklung und Kompromisse. Die Frage ist doch: Sind Alltagsstreits um Wäsche, Einkauf und Badputz die Katalysatoren eines gemeinsamen Wachstums, oder nicht eher die echten, tiefen Gespräche, die man führt, wenn man halt nicht jeden Tag gemeinsam vor dem TV sitzt und Doomscroolt? Natürlich finde ich nichts an deinem Wunsch nach mehr gemeinsamen Alltag verwerflich, ich wollte nur meine 5-Cents und Erfahrungen dazu in den Ring werfen:)