Im Rausch der Liebe: Lina Mallon über das Suchen und Finden, Slow Dating und ihr Buch schnell.liebig
Wer sich im Bloggerkosmos auskennt, stößt irgendwann unweigerlich auf Lina Mallon. Ähnlich wie wir ist sie schon ewig im Internet unterwegs und glücklicherweise auch eine der wenigen, die sich trotz des Erfolges auf Instagram nicht nur auf die App fokussiert hat. Lina Mallon schreibt immer noch – Liebeskolumnen, Reiseberichte und seit Neuestem auch das wundervolle Cabin Diary auf ihrem Blog. Außerdem hat sie einen Podcast zum Thema Liebe und Dating bei der Glamour und zeitgleich mit mir ihr erstes Buch schnell.liebig veröffentlicht. Außerdem fotografiert sie wundervoll und entführt uns in regelmäßigen Abständen in ihre zweite Heimat Südafrika.
Auch wenn wir uns schon länger kannten, sind Lina und ich durch unsere Buchveröffentlichungen noch ein Stückchen näher gerückt. Autorinnen-Schwestern im Geiste, die gemeinsam über das Schreiben gejammert, bei der Manuskript-Abgabe geschwitzt und über Cover-Entwürfe gelacht haben. Das fertige Werk der jeweils anderen in der Hand zu halten, war dann vor allem eines: großartig.
Linas Buch schnell.liebig dreht sich – natürlich – um die Liebe, das Dating und unsere Generation, die analoges Dating noch kennt, die Liebe aber auf Tinder sucht. Nicht nur einmal habe ich mich in Linas persönlichem Buch wiedererkannt und laut aufgelacht. Lina schafft es, ganz wunderbar die Dinge über die Liebe in Worte zu fassen, wenn ich noch überlege, was ich eigentlich sagen will.Nach der letzten Seite des Buches war klar: Ich muss mit Lina reden.
Über die Liebe, das Dating und warum sie genauso wie ich
so ein großer Fan von Slow Dating ist. Gesagt, getan.
Liebe Lina, du hast zur selben Zeit wie ich ein Buch über die Liebe, deine Dating-Erfahrungen und das Single- Sein geschrieben – und es ist ein Riesen-Erfolg. Hast du damit gerechnet?
Als ich das Manuskript abgegeben hatte, habe ich mich erst einmal 48 Stunden versteckt und es keinem (außer dir, haha) erzählt. Ich war so unsicher, ob das was ich da geschrieben habe wirklich gut genug ist, ob es dem gerecht wird, was ich mir vorgenommen habe. Also in kurz: Nein, ich hatte ehrlich gesagt sogar Angst, dass das Buch durch die abgesagte Buchtour 2020 und der Pandemie, in der wir ja noch immer stecken, total verpufft. Als es dann auf einmal in der ersten Woche auf die Spiegel-Bestsellerliste ging, habe ich mich gefühlt, wie so ein Einser-Schüler, der nach der Geschichts-Klausur heult und dann alle anderen nervt, weil er doch 15 Punkte schreibt.
Wie erklärst du dir diesen großartigen Erfolg?
Zum Einen kann ich mehr als dankbar für meine Community sein. Das klingt immer wie so eine Phrase, aber ich meine das von Herzen, denn all die Leute da draußen, die das Buch vorbestellt, in kleinen Buchläden geordert oder die teilweise Wochen durch das Versandchaos auf ihr Exemplar gewartet haben, sind Teil des Erfolgs und Grund dafür, dass mein Buch seinen Moment bekommen hat. Teilweise hat ‚schnell.liebig‘ den Weg nach Australien, in die USA, nach Neuseeland und Island gemacht. Dass Menschen so einen Aufwand betreiben, um von mir zu lesen, das war so ziemlich das schönste Kompliment, das man mir machen konnte.
Zum Anderen glaube ich aber auch, dass das Buch einen Nervt trifft, den vielen davor irgendwie verfehlt haben.
Es gibt unzählige Dating-Bücher, die dann oft von Männern Mitte 30 geschrieben werden, die uns vermeintlich schonungslos darüber aufklären wollen, was in unseren Beziehungen so falsch läuft und warum keiner sie mehr führen will. Die verbreiten dann Endzeitstimmung in Sachen Liebe und erklären eine ganze Generation für verloren und narzistisch – der sie ja selber angehören.
Mein Buch erzählt nicht aus der Vogelperspektive, ich stecke mittendrin. Ich bin Teil dieser Generation, die nach Liebe sucht und manchmal gar nicht weiß, wo genau sie eigentlich anfangen soll. Ich weiß es nicht besser und ich habe nicht den Masterplan in Sachen Liebe und Zuneigung, den alle da draußen nur übersehen. Ich erzähle stattdessen von meinen ganz eigenen Erfahrungen und den Gedanken und Fragen, denen ich mich stelle, und ich glaube, dass es sich schön anfühlt, mal ein Buch zu lesen, dass dich nicht belehrt, sondern dir Platz lässt, deine eigenen Antworten in meinen Texten zu finden.
Absolut. Dating ist anstrengend, aufregend und findet heute vor allem im Digitalen statt. Sind Dating-Apps die Hölle auf Erden oder doch ein Geschenk des Himmels?
Sie sind vielleicht beides, sie sind vielleicht nichts davon, sie sind aber eines auf jeden Fall: ein Spiegel.
Dating-App zeigen dir, wen du innerlich, vielleicht unterbewusst, wenn du dich frei entscheiden kannst, daten willst, denn niemand außer dir entscheidet über den Swipe nach rechts oder links.
Nach einer Reihe mieser Dates habe ich mich zum Beispiel dann gefragt: Aber wer ist der Typ, bei dem ich auf ein Match hoffe? Worauf fokussiere ich mich, wenn ich durch Profile scrolle – und deckt sich das eigentlich mit meiner Vorstellung von einem guten Date?
Wenn ich immer den gleichen Typ Mann matche und das Gefühl habe immer auf die gleichen Probleme zu stoßen, vielleicht bin dann auch ich diejenige, die eine wirklich miese Auswahl trifft?
Ich hab auf Dating-Apps viel über mich gelernt. Ich hatte viele gute Dates, ich hatte schlechte Dates, die dann Anekdoten für die guten wurden, und ich habe gelernt, offener und entspannter zu kommunizieren. Ich habe Absagen erteilt, wenn ich ein Date nicht spannend oder anziehend genug fand, und ich habe sie auch bekommen. Für jemanden, der gerade frisch Single ist, kann das eine gute Übung sein, um übersteigerte oder starre Erwartungen zu lockern und ein Date als das zu nehmen, was es ist: Ein Treffen zwischen zwei Menschen, die grundsätzlich Lust haben mehr über einander zu erfahren. Mehr nicht – es sei denn, es soll mehr werden.
Wann man übrigens auf gar keinen Fall Dating-Apps konsumieren sollte: Wenn man unglücklich ist, wenn man das Gefühl hat, das irgendjemand da draußen es besser machen sollte. Wenn wir also unseren eigenen Selbstwert gerade davon abhängig machen, ob ein anderer Mensch uns toll genug findet. Das ist toxisch, und ich glaube auch oft der Grund, warum Menschen sich nach einem Tinder-Date einsamer fühlen als vorher und in schlechte Erfahrungen stolpern.
Das stimmt auf jeden Fall. Und trotzdem ist Dating heute gefühlt anstrengender als früher. Sind wir denn nun – wie so gern medial beschrieben und behauptet – die Generation Beziehungsunfähig?
Auf keinen Fall, wir sind vielleicht zu schnell unterwegs, wir haben vielleicht verlernt, wie sich Liebe anfühlt, wenn sie nicht mehr kickt oder einen Rausch auslöst. Aber wir alle sehnen uns nach Liebe, das ist unübersehbar – und ich glaube, wir sind fähig, diese langsameren, tieferen Gefühle in uns wiederzufinden, uns zu entschleunigen. Vielleicht sind wir sogar schon Stück für Stück dabei.
Schnell, wie im Rausch. Diese Beschreibung passt auch zu deinem Buchtitel. Wie kam’s zum Titel schnell.liebig?
Ich hab den Titel über Monate gesucht und ihn dann schließlich geträumt. Schnell.liebig ist ein Wortspiel, ich glaube nämlich unsere größte Hürde ist nicht die Angst vor der Liebe oder der eigene Narzissmus, sondern die Geschwindigkeit und damit verbunden auch die Aufmerksamkeitsspanne, die wir für unsere Umwelt, für unsere Beziehungen und eigenen Gefühle haben.
Suchen wir Menschen zum Verlieben oder oftmals vielleicht nur ein Gefühl?
Ich glaube, wir sind unheimlich gut darin, ein Gefühl und eine Sehnsucht, die in uns schwebt, auf einen Menschen zu projizieren, der sie vielleicht – manchmal sogar nur in unserer Vorstellung – stillen könnte. Das gibt uns vermeintlich Sicherheit, immerhin so eine gewisse Aussicht.
Ein Satz den ich neulich erst wieder in meinen Notizen fand und er immer, immer, immer stimmt:
Magst du den Menschen, in den du dich da verliebst oder bist du verliebt in deine Vorstellungen von ihm, die er vielleicht erfüllen könnte?
Wahre Worte. Was hast du in all der Zeit des Datings über die Liebe gelernt?
Wenn du immer wieder darauf wartest, gefunden zu werden, ist das auch nur die maximale Fremdbestimmung, eigentlich fast schon so eine Rettungsfantasie.
Als ginge es in der Liebe darum, dass irgendjemand kommt, uns an die Hand nimmt und uns in irgendeine Situation schiebt, die wir gar nicht erwartet oder erdacht haben, aber jetzt einfach mal so annehmen. Ich lese so oft, wenn Artikel über glückliche Beziehungen oder ‚erfolgreiches’ Dating veröffentlicht werden: Ich wollte eigentlich xy, aber dann kam er und alles war anders.
Ehm, warum muss alles anders sein?
Warum muss der Mensch, der uns glücklich macht, eigentlich immer alles,
was wir eigentlich wollen, umwerfen und eine neue Richtung festlegen?
Wir müssen unbedingt aufhören, uns finden zu lassen.
Wir müssen aufhören, keine Erwartungen zu haben.
Ich weiß heute, was ich von der Liebe will. Und das bedeutet, dass ich selbstbestimmt zugreifen und mich für sie entscheiden kann, wenn ich sie finde. Wo ich sie finde, unter welchen Umständen ich sie finde oder bei wem, das darf ja trotzdem offen bleiben.
Und über die Menschen, die (angeblich) nach Liebe suchen?
Jeder hat sein eigenes Tempo, sein eigenes Timing. Manche Menschen finden Liebe wenige Wochen, nachdem sie sie bei dir nicht fanden. Das passiert. Manche Menschen suchen wirklich gerade keine Liebe, auch nicht, wenn wir noch ein bisschen mehr investieren oder noch länger festhalten.
Ich habe viel Zeit damit verschwendet, Männer gefühlt zu mir zurück zu erklären oder davon zu überzeugen, wie gut wir sein könnten. Natürlich nie mit Erfolg, sondern nur herausgezögertem Schmerz.
Und was hast du vor allem über dich gelernt?
Mein wichtigstes Learning war: Nimm den Menschen, nimm die Beziehung, die du zu ihm hast, genau so wie sie gerade ist, addier nichts dazu, überleg dir nicht, wie gut es werden könnte, wenn…
Als ich angefangen habe, genauer in die Realität meiner Beziehungen oder Dates zu blicken, anstatt eine Vorstellung oder eine Sehnsucht zu daten, hat sich sehr, sehr viel verändert.
Jetzt will ich aber wissen: Was war für dich eines der schönsten Dates?
Ich habe in Athen mal Avi getroffen. Ich hatte ihn getindert und in eine Bar, ganz spontan, eingeladen. Wir haben drei Stunden lang Cocktails getrunken, sind noch durch die Stadt spaziert und haben stundenlang über das Leben, über griechische Philosophie und unsere Träume geredet. Es gab keinen Kuss, keinen Sex – und vielleicht war es genau deshalb dieses eine richtig gute Date, das nicht mehr brauchte und trotzdem immer ein wirklich schönes, warmes Gefühl hinterlässt.
Nicht jede Geschichte muss lang sein oder weitergehen, damit sie gut ist.
Und welches fandest du wirklich ganz schrecklich?
Ich habe mal jemanden gedated, der mir binnen 20 Minuten Date erzählt hat, dass er Kinder hasst (generell), dass er Frauen, die Cellulite haben, für faul hält und dass es seiner Meinung nach einen guten Grund dafür gibt, dass wir noch immer weniger verdienen als Männer. Ich hab ihn den Grund nicht erklären lassen, sondern das Date abgebrochen. Es war das erste überhaupt. Und das schlimmste: Er wollte zwei Tage später sogar noch eins…
Haha – der Klassiker. Ist mir auch schon passiert. Ich bin immer fürchterlich aufgeregt vor Dates, was hilft gegen Aufregung beim ersten Date?
Wenn man super aufgeregt ist, hängt man ja meistens im Tunnel mit sich selbst, alle Fragen, die man sich stellt haben den gleichen Sender: die eigene Unsicherheit. Die Sache ist aber die: Meistens ist man damit nicht allein.
Wenn man sich ganz kurz mal auf den anderen, anstatt auf sich selbst konzentriert, stellt man nämlich vielleicht sogar fest: Oh, er ist ja genau so aufgeregt. Was mir immer hilft: es zugeben.
„Sorry, ich bin irgendwie ein bisschen aufgeregt, wenn ich neue Menschen kennenlerne.“ Das ist authentisch und bricht vor allem das Eis.
Das stimmt. Ich gehe auch ganz offen damit um – und das macht nahbar und authentisch. In deinem Buch und auf Instagram sprichst du gerne vom Slow Dating – was versteht man darunter?
Slow Dating bedeutet für mich, dass sich zwei Menschen aufeinander konzentrieren, die Nebengeräusche, die anderen Optionen und damit ja auch die Geschwindigkeit herausnehmen. Nicht drei Dates mit drei verschiedenen Menschen, sondern vielleicht zwei mit dem selben, nicht vier Konversationen, durch die man sich klickt, sondern nur eine.
Slow Dating hat nichts damit zu tun, dass wir sofort eine Bindungsabsicht haben, sondern uns einen Moment lang exklusiv füreinander interessieren.
Ich glaube das haben wir verlernt und das bringt uns so viele gute Momente in Dates zurück, die sonst gar nicht entstehen können.
Fehlt uns vielleicht manchmal einfach nur der Mut und die Zeit, Menschen genau kennenzulernen?
Ich glaube, vielen von uns fehlt ja schon die „Zeit“ einen langen Artikel lesen. Wir lesen quer, wir hangeln uns durch Überschriften und wir müssen uns manchmal fast ein bisschen zwingen, uns auf ein ganzes Buch einzulassen, wirklich einzutauchen und die Zeit einfach Zeit sein zu lassen, ohne dass wir dabei zum Handy greifen und doch noch mal die Instastories checken.
Beziehungen sind da ja noch schwerer. Es kostet auf jeden Fall viele von uns Überwindung die anderen Optionen einfach ziehen zu lassen und davon unbeirrt einfach mal auszuprobieren. wie es sich anfühlt, eine Entscheidung zu treffen.
Gebrochene Herzen kennen wir leider irgendwie alle – was hilft dir da am besten?
Abstand und Zeit.
Das ist die Medizin, die niemand haben will, weil sie bitter schmeckt, und es dauert, bis sie wirkt. Aber es ist die einzige.
Du brauchst wirklich nicht ‚noch‘ ein klärendes Gespräch,
um besser abschließen zu können. Was du wirklich brauchst ist die Akzeptanz in dir selbst, dass du abschließen musst.
Und wie verliere ich nicht die Hoffnung auf die große Liebe?
Das ist wirklich die schwierigste Frage – weil sie so unheimlich persönlich ist. Ich habe einfach diese Überzeugung in mir drin, ganz tief verankert, dass es da draußen so viele verschiedene Formen von Liebe und so viele Menschen gibt, die sie geben oder fühlen wollen, dass es ja gar nicht anders geht, als Liebe immer wieder zu finden. Und einen großen Teil davon tragen wir ja auch selbst in uns, das ist verrückterweise immer der, den wir am ehesten vergessen und hoffentlich immer wiederfinden.
Liebe ist für mich …
mein Motor, Liebe treibt mich auf so viele unterschiedliche Arten an, gibt mir Leichtigkeit und Tiefe und dann manchmal den Schmerz, den ich nicht wollte, aber vielleicht brauchte und dann immer wieder die Euphorie, die mit nichts zu ersetzen ist.
Meine letzte Frage: Wird es noch ein Buch geben? Wenn ja – geht es wieder um die Liebe?
Yes, ich plane mit meinem Verlag schon konkret an einer Fortsetzung, in der es darum geht was passiert, wenn du dein Herz wirklich wieder riskiert hast
Ich freue mich schon sehr darauf! Auf die Liebe, liebe Lina!
Lina Mallons Buch ist bei Eden Books erschienen –
und hier könnt ihr es beim lokalen Buchhandel bestellen.
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