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Liebeskummer bewältigen in 99 Tagen: Michèle Loetzner weiß, wie gebrochene Herzen heilen
Vor fünf Jahren zerbrach meine langjährige Beziehung, und auch wenn ich heute sage, alles ist richtig, wie es passiert ist, war mein Liebeskummer damals die Hölle. Ein halbes Jahr später war der Schmerz vorbei. Ist der Liebeskummer überstanden, weiß man schon gar nicht mehr so Recht, wie er sich angefühlt hat.
Trotzdem: Ein Buch wie „Liebeskummer bewältigen in 99 Tagen“ von Michèle Loetzner hätte mir geholfen. Ich bin nämlich Freundin von klaren Ansagen und Regeln. Je schlechter es mir geht, desto mehr greife ich nach Strohhalmen, die mir sagen, dass das Melden beim Ex keine gute Idee ist, mir dafür aber gleichzeitig erklären, warum ich gerade so verrückt danach bin und was in meinem Kopf und Körper vorgeht.
Ganz ohne Liebeskummer habe ich das Buch von Michèle gelesen und war erstaunt, was für wertvolle Tipps sie gibt, wie klug sie den Liebeskummer aufschlüsselt und warum der Kummer keinesweg romantisch, sondern einfach nur evolutionsbedingt ist.
Michèle selbst kenne ich übrigens aus dem digitalen Leben. Sie ist wie ich freie Journalistin in München, schreibt für Glamour, SZ und SZ Plan und ist Mutter einer Tochter sowie inspirierende Frau. Ich bewundere sie über ihre Solo-Reisen nach Asien, über das Wuppen des Workloads mit Kind und Job und ihre klugen Ansichten. Als ich sah, dass sie auch ein Buch 2020 rausbringt, wusste ich, es wird gut. „Liebeskummer bewältigen in 99 Tagen“ wird jetzt immer im Buchregal stehen. Für mich, falls mein Herz irgendwann wieder gekittet werden muss, für Liebeskummer-geplagte FreundInnen und für jeden, der ein bisschen mehr verstehen will, warum sich Liebeskummer wie die Hölle anfühlt.
Mit Michèle habe ich über ihr Buch gesprochen,
warum Männer und Frauen unterschiedlich verarbeiten
und wann es Zeit ist, loszulassen.
Liebeskummer ist schrecklich, schrecklich hart, schrecklich anstrengend, schrecklich lang und schrecklich traurig- wie kann dein Buch dabei helfen?
Über Liebeskummer weiß man eigentlich total viel: Wo er passiert, warum er passiert, wie wir damit umgehen, wozu er führen kann. So viele Studien aus verschiedenen Fachbereichen wurden durchgeführt, aber der Standardsatz bei Herzschmerz ist: „Ach, das geht schon vorbei.“ Ja, klar geht das vorbei, man ist ja nicht blöd. Aber in diesem Moment fühlt sich das eben nicht so an. Im Gegenteil, es fühlt sich an, als würde das nie wieder aufhören — es tut nicht nur seelisch, sondern auch körperlich weh. Den Grund dafür und viele andere wissenschaftliche Erkenntnisse habe ich in meinem Buch gesammelt, weil ich davon überzeugt bin, dass man besser loslassen und verarbeiten kann, wenn man versteht, was mit einem passiert. Auf vieles haben wir nämlich nur bedingt Einfluss, unsere Hormone zum Beispiel.
Wenn ich weiß, ich fühle mich gerade scheiße, weil mein Serotoninhaushalt quasi ein Stockwerk unter der Tiefgarage angekommen ist, bin ich nur einen Gedankenschritt entfernt von „okay, wenn er da unten ist, dann holen wir den mal wieder hoch“.
Überhaupt: Hat sich schonmal jemand gefragt, was sich die Natur eigentlich dabei gedacht hat, uns so einen Bullshit wie Herzschmerz anzutun? Spoiler: Es hat nur etwas mit Fortpflanzung zu tun und null mit Romantik. Ich weiß, das war jetzt nicht besonders sensibel von mir, das so deutlich auszusprechen, aber ich finde, man muss Menschen mit einem gebrochenen Herzen nicht auch noch mit Plattitüden verarschen. Das sagt mehr über die anderen aus als über einen selbst.
Plattitüden wie „Liebeskummer lohnt sich nicht“ oder „Andere Mütter haben auch schöne Söhne“ hört man bei Liebeskummer besonders gern (nicht) – was sollten FreundInnen stattdessen tun?
Jeder, der schonmal Liebeskummer hatte und ihn überstanden hat, kennt dieses merkwürdige Gefühl in der Magengrube, wenn dann ein Mensch, den man gerne mag, auch Herzschmerz hat. Irgendwie will man helfen, aber eigentlich will man selbst nur wegrennen. Das ist ein völlig nachvollziehbarer Reflex. Dank der Traumforschung wissen wir heute, dass Traumapatienten oft die gleichen Symptome haben wie frisch Getrennte: nicht schlafen können, nicht essen, an nichts anderes denken. You name it.
Wenn einem klar wird, dass Liebeskummer eben keine Kleinigkeit ist, sondern ein tiefer emotionaler Einschnitt in unser Leben, dann wird uns die Tragweite erst bewusst. Natürlich fällt es uns dann schwer, das bei jemand anderem zu ertragen, den wir mögen. Wenn man als Freundin das Gefühl hat, nicht mehr weiterzukommen mit Zuhören und Dasein, ist es völlig okay, fachlich Hilfe vorzuschlagen. Ebenso müssen wir aufhören „lösungsorientiert“ an Liebeskummer heranzugehen.
Jemand mit gebrochenem Herzen möchte keine sachliche, effektive Lösung, er muss erstmal in einer Endlosschleife das immer wieder Gleiche erzählen dürfen, bis sein Kopf die Ereignisse sortiert hat. Das ist ermüdend. Für alle.
Und das ist völlig okay.
Dein Buch sagt, nach 99 Tagen ist das schlimmste am Liebeskummer überstanden – dauert ein Liebeskummer wirklich ungefähr drei Monate?
Es gibt keine Faustregel, die die Dauer von Liebeskummer festlegt. Viele kennen bestimmt diesen Spruch „Liebeskummer dauert halb so lang wie die Beziehung gedauert hat“. Das ist natürlich Quatsch. Liebeskummer dauert so lange, wie er dauert. Aber nach einer Jahreszeit haben die meisten für sich selbst Distanz zur Trennung geschaffen und ihren Alltag einigermaßen neu eingerichtet. Deshalb kann es immer noch Flashbacks geben, Liebeskummer ist ja keine mathematisch lineare Angelegenheit. Aber je mehr man über seinen Zustand in Erfahrung gebracht hat, desto einfacher ist es die Perspektive auf das Zurückliegende zu ändern. Und übrigens: Nur weil ich mit jemandem „nicht richtig zusammen“ war oder die Verbindung nur ein paar Wochen dauerte, heißt das nicht, dass ich keinen Liebeskummer haben darf. Die Dauer einer Beziehung sagt nichts über die Intensität aus.
Welche Phasen des Kummers durchläuft man da?
Die klassischen fünf Phasen der Trauer: Leugnen, Zorn, Verhandeln, Depression, Akzeptanz. Aber natürlich nicht in regelmäßiger Abfolge. Das kann sich minütlich ändern. Das ist hart anstrengend.
Was ist bei Liebeskummer alles erlaubt?
Alles. Naja, zumindest alles, was niemanden verletzt. Mit dem „alles“ möchte ich eher sagen: All die Verhaltensweisen wie wir im Liebeskummer zu sein und vor allem NICHT zu sein haben, sind gesellschaftlich geprägte und angelernte Verhaltensmuster. Da hilft die simple Frage: „Wer sagt denn das?“ Wenn ich das Gefühl habe, ich darf etwas nicht, sollte ich mich eher fragen, woher das kommt als mich sofort dem zu fügen. Gerade bei Frauen sind nämlich viele Verhaltensmuster vom Patriarchat oktroyiert. Und wir wissen alle, was uns das Patriarchat mal kann…
Jetzt folgt die Klischee-Geschlechterfrage: Inwiefern leiden Frauen und Männer unterschiedlich an Liebeskummer?
Dazu gibt es einige spannende Untersuchungen und Studien, die einmal mehr bestätigen, dass die männlich geprägte Deutungshoheit unserer Kultur für beide Geschlechter heutzutage Murks ist. Eine Studie der Binghamton University in New York hat bestätigt, dass Frauen intensiver, aber kürzer leiden. Und Männer am Anfang kompensieren und verdrängen und deshalb länger leiden. Und das so sehr, dass sie oft lange keine neue ernsthafte Partnerin finden, wenn wir hier im heteronormativen Bereich bleiben. Auch neigen sie deshalb offenbar langfristig eher zu Depressionen als Frauen. Von denen wird stille Trauer und Reflexion erwartet, Männer bekommen Sprüche wie „Rauf aus Pferd“, ziehen an den nächsten Tresen und lenken sich mit bedeutungslosem Sex ab. Der Schwung mit dem Morgenstern kommt dann zeitversetzt. Da haben die Exfreundinnen dann meist schon ihr Leben neu sortiert und sind wieder glücklich. Hier hat sich das Patriarchat selbst ein Bein gestellt, herzlichen Glückwunsch.
An dieser Stelle möchte ich etwas mir sehr Wichtiges sagen: Ich gehe in meinem Buch als Standard von einer hetero-normativen Beziehung aus. Mir ist klar, dass das auf den ersten Blick unzeitgemäß wirken könnte. Ich erkläre in meinem Vorwort ausführlich, warum ich das mache. Es hat nichts mit Ignoranz gegenüber der LGBTQ-Community zu tun. Im Gegenteil. Ich finde, die Prägungen und Mechanismen, die zum Beispiel bei gleichgeschlechtlichen oder Beziehungen mit Trans-Menschen greifen, verdienen ein eigenes Buch und dürfen nicht einfach so larifari nebenher mitgedacht werden, nur weil der oder die Autor*in so tun will als sei sie besonders woke.
Back in the dating game: Was sollte ich bei einem gebrochenen Herzen beachten, wenn ich mich doch ins Dating-Game zurück wage?
Vor allem die eigene Erwartungshaltung checken: Bin ich auf der Suche nach Sex oder nach Nähe? Und wenn ich auf der Suche nach Nähe bin, auf welche Art von Nähe? Die vom Ex-Partner kann es mit Tinder-Max und Bumble-Klausi nämlich nicht geben. Wenn mir das klar ist: Los geht’s!
Wann weiß der oder die Verlassene, sie ist bereit für etwas Neues?
Das weiß man nie. Zum Glück, sonst wäre das Leben ja fad.
Manche Paare hängen in einer ewigen On-Off-Schleife, mancher trauert noch zwei Jahre nach der Trennung der oder dem Ex hinterher. Warum fällt es uns so schwer loszulassen?
Das ist eine schwierige Frage, denn oft haben solche Art von Beziehungen etwas mit Manipulation oder Narzissmus zu tun. Das ist ein komplexes Feld, in meinem Buch gibt es aber eine ausführliche Literaturliste, die Bücher und Studien zu diesem Thema bereithält.
Und wie lasse ich richtig los?
Das ist individuell. Die oder der eine macht sofort die ganze Hand auf, andere müssen sich mühsam einen Finger nach dem anderen aufbiegen. Es gibt hier kein Patentrezept. Auch deshalb habe ich dieses Buch geschrieben. Viele Autor*innen gehen davon aus, dass der Weg, den sie eingeschlagen haben, auf andere übertragbar ist. Ich halte das für ein bisschen selbstgefällig und zu einfach. Deshalb lasse ich in meinem Buch nur die Wissenschaft sprechen — dann kann sich jede*r Leser*in selbst rauspicken, was zum eigenen Leben gut passt.
Und warum ist loslassen so wichtig?
Die Autorin Theresa Lachner schreibt in ihrem Buch Lvstprinzip: Wer alles loslässt, hat beide Hände frei. Dem kann ich nur zustimmen. Ich füge noch an: Für neue Körper, neue Ideen, neue Abenteuer.
Kann man Liebeskummer auch etwas Gutes abgewinnen?
Klar. Jeder wächst an so einem Lebensereignis und erfährt Wichtiges über sich selbst. Aber natürlich wäre es schöner, wir müssten nicht so eine gefühlt nicht enden wollende Shitshow durchleben wie eine Trennung.
Wie hast du deinen schlimmsten Liebeskummer überstanden?
Nicht besonders würdevoll. Ich bin sehr tief gefallen, konnte lange nicht gut essen, schlafen oder überhaupt irgendwas auf die Reihe kriegen. Deshalb gilt mein ganzes Mitgefühl den Menschen, die da gerade durch müssen. Ihr seid nicht allein! Das ist scheiße. Und ihr dürft das auch richtig scheiße finden! Mein schlimmster Liebeskummer ist schon über zehn Jahre her, die die danach kamen, habe ich besser in den Griff gekriegt. Scheiße waren die trotzdem.
Und was hast du in all der Zeit des Buchschreibens über die Liebe gelernt?
Dass sie eine seltsame Sache ist. Mal wunderschön, mal brutal, aber immer Wert, sie zu erleben.
Michèle Loetzners Buch „Liebeskummer bewältigen in 99 Tagen“ ist im Dumont Verlag erschienen. Hier könnt ihr es bestellen.
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3 Antworten zu “Liebeskummer bewältigen in 99 Tagen: Michèle Loetzner weiß, wie gebrochene Herzen heilen”
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