Kolumne: Was war das für 1 Life?

14. September 2016 von in

Photocredit: Christopher Schmidt – The Moving Picture Artist

Ich war ja mal Model. Ich weiß, ihr wusstet das nicht. Aber ich habe es euch ja auch nicht erzählt. Ich habe es niemandem erzählt. Warum auch. Ich mache nicht mal Selfies. Verstehe ich sowieso nicht, warum jemand so etwas macht. Ich spüre tiefe Verabscheuung für diese ganzen Selbstdarsteller mit ihren wunderschönen Selfieschnuten, die ich jeden Tag stundenlang anhimmele. So will ich nicht sein. Profilbild. Repost. Alles Quatsch. Aber was war das für 1 life als Model. Du stehst da auf einem Berg oder in einer Nazi-Kaserne vor einem Auto oder an einer Straßenlaterne im Park, alle zupfen an dir herum, du tust als wärst du James Dean oder sonst irgendein arrogantes Arschloch, und dann blättern dir die Leute 1000 Euro für einen halben Tag hin – und du fliegst wieder zurück nach Stockholm, schlürfst frisch gegossenen Filterkaffee, den neuen Shit, und kaufst dir eine Hose.

Dann stehst du auf der Fashion Week und rennst von Casting zu Casting, schwitzt die ganzen Designerklamotten voll und kriegst einen Haufen Komplexe, von denen du nicht wusstest, dass du sie überhaupt in dir hattest. Wenn deine Freunde fragen, warum du nicht mit in den Park kommst, musst du sagen, du hast einen Shoot und dann fangen die Leute an zu fragen und dann sagst du, dass du modelst und einen Agent hast und dann glänzen ihre Augen und sie finden dich besser als vorher. Du triffst plötzlich Frauen, die dir sagen, dass sie wegen deiner Hose nie was mit dir anfangen könnten. Und welche, die dich vorher mit dem Arsch nicht angeschaut hätten und sich jetzt ständig neben dich stellen. Währenddessen ruft dein Agent pausenlos an und checkt dich hier ein und checkt dich dort ein, auf Events und in Hotels und in Flugzeugen. Dir fällt auf, dass du Dinge wie „einchecken” viel zu oft sagst. Schlussendlich wirst du verbucht wie ein Tretboot im August und du freust dich darüber, weil du jetzt das Geld brauchst.

Das war damals. Heute ruft mein Agent nicht mehr an. Das war gelogen. Einmal hat er angerufen, gestern. Deswegen stand ich auf diesem Matratzenevent. Das ist keine Anspielung auf Sex, es ist ein tatsächliches Event für Matratzen. Ma-tra-tzen. In Plastikfolie verpackte Verheißungen ruhiger, ergonomisch geformter Nächte. Das Gegenteil von Glamour. Das Gegenteil von Model. Die vom Event brauchten noch Männermodels, sagte mein Agent. Weil in der Firma nur Frauen arbeiten, sagte er. Und ein Event mit nur Frauen, damit verkauft man anscheinend keine Matratzen. Geld gibt’s nicht. Aber so ist es halt. Das ist vorbei.

Jeder normale Mensch hätte hier dankend abgelehnt. Aber ich war ein Mann, auf den man zählen konnte. Ein Mann, der eine tiefe Hassliebe zu diesen Events empfand. Ein Mann, den man für einen Gratisdrink so gut wie auf jede Matratze kriegt. So, jetzt wisst ihr’s.

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