Warum ich meinen Kinderwunsch auf Eis gelegt habe

2. Mai 2023 von in
Anne ist 33, überzeugte Remote-Workerin und steht mit einem Bein in der großen, weiten Welt, mit dem anderen noch in Berlin. Gerade ist sie in Australien, und wo die Reise des Lebens genau hingeht, steht noch nicht fest. Sie ist Yogi, Feministin und auf der Suche nach Stabilität in einem Leben, das gerade viel in der Schwebe ist. Mehr von Anne findet ihr unter @ach.ane auf Instagram, hier könnt ihr außerdem ihren Newsletter abonnieren!

Je älter ich werde und je mehr Orte ich sehe, desto größer wird auch die Altersspanne der Personen, mit denen ich in den Kontakt komme. So kann es gut sein, dass in der morgendlichen Yoga-Stunde, die ich mir vor einem Jahr aus Sri Lanka als neue Routine mitgebracht habe, hier im Melbourner Yoga-Studio die Matten-Nachbarin links von mir 21, und die Person zu meiner Rechten 52 ist. Wenn die Situation es hergibt und ich nach meinem Alter, 33, gefragt werde, rutscht vielen die Frage raus: „Und, willst du dann bald Kinder?“ Seit letztem Sommer antworte ich mit „Das habe ich auf Eis gelegt.“ Und damit ist das Thema in 95 Prozent der Fälle beendet.

Der Grund, warum ich gerade mit Ruhe und sehr viel innerem Frieden auf die Frage nach Kindern antworten kann, ist, dass ich meine biologische Uhr pausiert habe. Statistisch gesehen sinkt die Fruchtbarkeit von Frauen* ab dem Alter von 35 besonders stark. Rein rechnerisch bliebe mir mit fast 34 noch ein gutes Jahr, um meiner abfallenden Fruchtbarkeit vorzukommen. Wir alle wissen, dass Statistiken für den Einzelfall sehr irrelevant sein können. Jede Person kennt die eine Bekannte – oder Paris Hilton -, die noch ein Kind mit 42 bekommen hat. Allerdings kennt auch fast jede Person Fälle, bei denen es eventuell bereits mit Ende 20 schwierig war, schwanger zu werden.

 

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In meinen 20ern habe ich keinen Kinderwunsch verspürt – ein Leben mit Kindern, war eines, mit dem ich mich schwer identifizieren konnte.

Und letztlich bin ich genau zu der geworden, die ich immer sein wollte: unabhängig und frei. Kein Handyvertrag, kein Auto, keine Schulden. Die heftigste Verpflichtung, die ich auf dem Papier habe, ist wohl meine Miete. Die Pandemie hat mich erst in meinen eigenen vier Wänden an den Schreibtisch gekettet, mir dann aber ermöglicht, von vielen Orten aus zu arbeiten. Zu Hause ist mittlerweile kein Ort mehr, sondern nur noch ein Gefühl.

Mir mich selbst in einer Mutterrolle vorstellen zu können, hat viel Zeit und innere Arbeit gekostet. Mit 29 verließ mich mein damaliger Partner nach fünfeinhalb Jahren Beziehung recht plötzlich und mit direkter Ablöse einer anderen Frau. Rückblickend gibt es viele Gründe, die zu dieser Art Ende geführt haben. Sein unerfüllter Wunsch nach Kindern, den er aber innerhalb der Beziehung nie geäußert hat, da er in mir keine gute Mutter sehen würde, war einer davon.

Das ist eine Anmaßung, die lange in mir nachgehallt ist. Und ich wollte mich davon freimachen, um für mich selbst vorurteilsfrei irgendwann zu entscheiden, ob ich eigene Kinder haben möchte oder nicht.

Die Betonung liegt hierbei auf irgendwann.

Das Fiese und Altbekannte an der Kinder-Thematik ist, dass Frauen oft eines nicht haben: Ewig Zeit, schwanger zu werden. Ich wurde 30, 31, 32, 33: Nicht mehr die Möglichkeit zu haben, eigene Kinder zu bekommen, empfand ich als sehr hemmend. Und ich wollte nicht meine Gebärmutter zur Dirigentin meiner Entscheidungen bezüglich Job und Partnerwahl werden lassen.

Während ich mich von meiner Wahlheimat Berlin anfing zu lösen, um ein nomadenhaftes Leben zu beginnen sowie mich auf eine neue Liebe einzulassen, wurden viele um mich herum sesshaft. Eine größere Wohnung, der sichere Job, das neue Auto, das zweite Kind in Planung und vielleicht irgendwann der Hausbau. Nach meiner Auszeit zwischen zwei Jobs, die ich auf Sri Lanka verbracht habe, zog es mich nur noch Berlin, um meine Wohnung weiter auszumisten und mich um Dinge wie internationalen Führerschein, Untermiete und Flüge gen Indonesien zu kümmern. Statt der Drei-Zimmer-Wohnung mit Partner und Prosecco-Schlürfen mit frisch verlobten Freund:innen, bin ich mit einem Rucksack losgezogen, habe gemerkt, dass ich mit weniger als gedacht auskomme und mir Berlin als Stadt nicht mehr das geben konnte, was ich brauche.

 

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Ich habe mich in den Lebenskonzepten um mich herum nicht wiedergefunden.

Und stattdessen viel und lange in der Schwebe gelebt, in zig verschiedenen Unterkünften gewohnt, manchmal nicht gewusst, wo ich in der nächsten Woche sein werde. Und viel Zeit mit mir selbst verbracht, um in mich hineinzuhorchen, was das Konzept „Familie“ für mich bedeuten kann.

In der genannten Beziehung, die Ende meiner 20er zerbrach, habe ich nie den Drang danach verspürt, überhaupt über Kinder nachzudenken – am Ende der Beziehung blieb mir aber vor allem die Frage danach. Oft hatte ich Angst, mir einzugestehen, dass ich eventuell einen Kinderwunsch hege und wie arg es wäre, wenn sich dieser dann nicht erfüllt. Oft habe ich am Strand Familien beobachtet, gesehen, wie Mamas mit ihren Kleinkindern umgehen und eine Art Sehnsucht verspürt, von der ich wusste, dass sie drückender wird, wenn ich sie ignoriere.

Meine Antwort auf die Frage nach Kindern habe ich letztlich erst einmal im social freezing gefunden.

Und wenn ich sage, ich hätte meinen Kinderwunsch auf Eis gelegt, dann meine ich das wortwörtlich: Meine Eizellen sind eingefroren und sicher in Berlin-Mitte verwahrt.

Mein Leben unterliegt einem so starken Wandel – ich werde noch viele Orte sehen, auf Menschen treffen, die meinem Leben wieder eine neue Richtung geben werden. Eines Tages werde ich vielleicht mit eigenen Kindern durch die Welt wandern oder meine Eizellen vernichten lassen, sofern Deutschland dann immer noch nicht die Eizellen-Spende erlaubt, aber mein Alter wird mich dabei erst einmal nicht mehr hemmen.

Das ist meine persönliche Geschichte, wahrlich ein Privileg und sicher keine Empfehlung oder eine Schablone, die sich auf jedes Leben legen lässt. Aber es ist wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es diese Möglichkeit gibt. Und dass sie zu mehr Selbstbestimmung führen kann.

*Personen mit Eierstöcken und Gebärmutter (nicht jede Person, die schwanger werden kann, möchte und oder Kinder auf die Welt bringt, identifiziert sich mit dem weiblichen Geschlecht)

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6 Antworten zu “Warum ich meinen Kinderwunsch auf Eis gelegt habe”

  1. Hey! Vielen Dank für den Artikel! Falls es eh der Plan ist und ich nur nicht gecheckt habe – cool! Ansonsten würde ich mir einen Artikel über das weitere Procedere und Kosten wünschen – merci!

  2. Hey Liebes,
    Toller Beitrag und eine gute Entscheidung das ganze auf Eis zu legen um nicht in den hormonellen Zeitdruck zu geraten.
    Wir (mein Partner & ich) haben uns vor ca. 5 Jahren entschieden unserem Kinderwunsch adieu zu sagen. Nachdem es auf natürlichem Weg nicht geklappt hatte, wurde bei einer Untersuchung beim FA eine hormonelle Störung (PCO) bei mir diagnostiziert. Nachdem uns der ganze unromantische Weg zu einer erfolgreichen Befruchtung erklärt wurde, haben wir uns nach langem überlegen entschieden, unser gemeinsames Leben ohne Kinder fortzusetzen. Ich werde dieses Jahr 40, dementsprechend ist meine Zeit ja „abgelaufen“. Wir hatten beide eine Weile damit zu kämpfen, ob wir uns auch wirklich richtig entschieden haben, mittlerweile stimmt es aber für beide. Allerdings gibt es gelegentlich die Situation, dass wenn ich von jemandem gefragt werde ob ich Kinder hab, kurz erklären muss warum nicht und dass es nun gut ist wie es ist und wir auch jetzt keinen KiWu mehr haben. Dann passiert es: die ach so weisen Worte kommen: „aber es ist doch noch nicht zu spät, ihr könnt das doch immer noch..“ Ich denke, es gibt Menschen, die wollen das halt einfach nicht verstehen, dass es Leute gibt, die sich gegen das Kinderkriegen entscheiden.
    Manchmal wenn ich so zurück denke und daran wie ich jetzt zufrieden bin mit der Entscheidung und unserem Leben ohne Kinder, frage ich mich ob wirklich ICH Kinder wollte oder das einfach der Zwang der Natur und unserer Gesellschaft war..
    Ich wünsche dir, dass du die Entscheidung treffen kannst welche für DICH die richtige ist zur rechten Zeit.
    Alles Liebe
    Tina

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