Kolumne: Wann ist der Mann ein Mann?
Herbert Grönemeyer hat es schon in den 80er-Jahren auf den Punkt gebracht und beschreibt das Phänomen „Mann“, das damals wie heute Gültigkeit hat. Denn trotz über 30 Jahren, die seit der Veröffentlichung seines Hits „Männer“ vergangen sind, hat das Klischee des Mannes kaum Risse bekommen. Männer führen heute immer noch Kriege, sie rauchen Zigarre, sie sind erfolgreich, bestechen durch ihr Geld und ihre Lässigkeit. Nicht alle Männer führen Kriege, doch sie dominieren bis heute die Politik. Im kleinen sind Männer vor allem aber außen hart und innen weich. Sie weinen bis heute heimlich, sie sind stark und können (fast) alles. Sie sind unser Fels in der Brandung, sie geben uns Geborgenheit und sind furchtbar schlau, um es in Grönemeyers Worten zu sagen.
Die Brisanz des Problems habe ich lange Zeit nicht verstanden. Ich wusste, im Feminismus müssen Männer integriert werden, da das Gleichgewicht zwischen Stärke und Schwäche nur hergestellt werden kann, wenn die andere Seite mitspielt. Das Verständnis für das eigentliche Problem vieler Männer, auch die in meinem unmittelbaren Umfeld, habe ich erst jetzt – und stehe da auch erst am Anfang.
„Männer kaufen Frauen, Männer stehen ständig unter Strom, Männer baggern wie blöde, Männer lügen gern am Telefon – oh, Männer sind allzeit bereit. Männer bestechen durch ihr Geld und ihre Lässigkeit.“
Ich kann nur aus der Vogelperspektive die Beobachterin spielen und meine persönlichen Erfahrungen niederschreiben. Ich selbst werde nicht wissen, wie es sich als Mann oder als Junge anfühlt oder angefühlt hat, ein gewisses Bild eines Mannes zu erfüllen. Wovon ich ausgehe ist, dass es eine Menge Männer und Jungs da draußen gibt (wie übrigens auch Frauen, denen es nur schwerer bis unmöglich gemacht wird, diese Art auszuleben), die ihr Klischee lieben, leben und mit dem sie sich zu 100% identifizieren können. Von diesen Männern möchte ich heute gar nicht sprechen, sondern von der anderen Hälfte, die mindestens genauso große Menge an Männern, die sich eigentlich gar nicht über das „Mann-sein“ definieren wollen. Die, die ihrem Klischee nicht entsprechen. Die dem Druck, der Alleskönner und -wisser, nur widerwillig oder gar nicht standhalten.
Wenn man von der Geradlinigkeit des selbstbewussten und starken Alphamannes absieht, der Karriere macht oder „das Geld reinbringt“, sich womöglich für Technik oder Sport interessiert und den Ton angibt, hat der Mann noch sehr wenige Entwicklungschancen. Zum Beispiel Schwäche zeigen und das, außerhalb eines geschützten Raumes mit der Partnerin, bei der er möglicherweise so sein kann, wie er ist. Sondern im Freundeskreis unter Männern beispielsweise zu fragen, ob jemand mit dem Kasten Bier beim Tragen helfen kann, ohne gleich skeptische Blicke zu ernten. Auch in der Mode sind Männer hinterher: Während Frauen sich kleiden und schminken können, wie sie wollen, hängen Männer bis heute in einem geradlinigen Modekonzept fest. Hose, Jeans, Hemd, Anzug, T-Shirt – und da hört es auch bald schon wieder auf. Wer sich als Mann schminkt und Kleider oder High Heels trägt, ist automatisch ein Transvestit und/oder schwul. Hetero Männer haben bis heute keine Möglichkeit, sich ähnlich zu entfalten, wie wir es tun.
„Männer führen Kriege. Männer sind schon als Baby blau. Männer rauchen Pfeife. Männer sind furchtbar schlau. Männer bauen Raketen. Männer machen alles ganz genau.“
Es ist doch irgendwie komisch, dass Männer die Welt regieren, aber am Ende für ihre Vielschichtigkeit viel mehr kämpfen müssen. Es ist beeindruckend, wie fest sich das Bild des Mannes, die starke Schulter zu sein und die Kontrolle zu behalten, bis heute in unsere Köpfe eingebrannt hat.
Wie lange es dauern wird, bis sich die starren Verhaltensmuster aufweichen? Vermutlich noch sehr lange, doch fest steht, dass etwas passieren muss. Der Feminismus braucht die Männer im Boot, die sich ebenso Gedanken über ihre Geschlechterrolle machen und sie hinterfragen. Die sich sogar trauen, aus der Rolle auszubrechen – im großen und im kleinen Stil.
Herbert Grönemeyer hat sich auch schon gefragt: Wann ist man ein Mann? Die Antwort steht fest: Immer.
3 Antworten zu “Kolumne: Wann ist der Mann ein Mann?”
Danke für den tollen Artikel! Der Druck, der auf den Geschlechtern lastet, ist wirklich enorm. Und ich kann es immer weniger ertragen. Es nervt mich mittlerweile einfach nur noch an. Ich will diesen Anforderungen nicht entsprechen und ich will auch keine „Als Frau muss man …“- und „Als Mann muss man …“-Sätze mehr hören.
Vor einer Weile habe ich aus einem anderen Anlass heraus einen Artikel zu dieser Problematik geschrieben: http://theaterberlin.blogspot.de/2017/07/ich-bin-kein-sexist-aber.html
Danke amazed, dass ihr diese Thematik immer wieder aufgreift!
Viele Grüße,
Sarah
Bravo! Ergänzend möchte ich auf das Buch „Boys don’t cry“ von Jack Urwin hinweisen, schlägt in die selbe Kerbe und ist sehr empfehlenswert!
https://www.amazon.de/Boys-dont-cry-Männlichkeit-Flugschrift/dp/3960540426/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1520522076&sr=1-1&keywords=Boys+Don%27t+Cry&dpID=51FW94skzhL&preST=_SY344_BO1,204,203,200_QL70_&dpSrc=srch
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