Kolumne: Vom Tage-Schaffen und der Alltagsromantik
Manchmal, da stehe ich auf, mache mir einen Kaffee und schon diese Kleinigkeit macht mich glücklich. Ich ziehe mich an und fahre in die Arbeit, ich setze mich zu Hause an den Laptop, vielleicht habe ich auch frei und schaue aus dem Fenster oder seit Neuestem mein Baby an, während ich meinen Kaffee trinke. Egal, wie der Tag auch aussieht, manchmal, da ist etwas anders als sonst. Da freue ich mich über jeden Moment, nehme alles irgendwie bewusster wahr, romantisiere die Momente, wie es auf TikTok so schön genannt wird.
Und dann gibt es natürlich die anderen Tage. An denen nichts von der Alltagsromantik zu spüren ist.
An denen ich in die U-Bahn zur Arbeit hetze, an denen ich alle To Dos im Kopf rauf und runter spule. An denen mir weder der Kaffee, noch irgendwas anderes eine wirkliche Freude macht. Und an denen ich vor allem einen Gedanken habe: Diesen Tag muss ich irgendwie schaffen.
Dass das ein üblicher Gedanke im Arbeitsalltag sein kann, ist klar. Volle Arbeitstage sind eben nun mal oft stressig, nicht auf jede Aufgabe hat man Lust, und oft wabern im Kopf schon die schwierigeren Herausforderungen vor sich hin, die bald anstehen. Die übliche Arbeits-Anxiety begleitet mich wie wahrscheinlich so viele schon immer, denn egal wie sehr man seinen Job liebt, funktionieren muss man eben, und das setzt uns unter Druck und unter Stress. Und schon kommen die Gedanken an später, an eine Situation, die anders ist. Diesen Tag, diese Woche, oder diesen Monat noch schaffen, dann ist Abend, dann ist Wochenende, dann ist der nächste Urlaub da.
Als ich letztes Jahr schwanger wurde, war da plötzlich ein ganz großes „später“ vor mir.
Die Zeit des Mutterschutzes, in der die Arbeit heruntergefahren wird. Die Wochenbettzeit, die ich mir natürlich anstrengend, aber auch kuschelig vorstellte. Und das Jahr der Elternzeit, in der die Arbeits-To-Dos auf ein für mich ungewohntes Minimum reduziert sein würden. Schon Jahre bevor ich schwanger war, stellte ich mir all diese Zeit mit Baby als das komplette Gegenteil meines oft so stressigen und druckbeladenen Arbeitslebens vor. Und hatte letztes Jahr immer wieder den Gedanken im Kopf: „Dies und das muss ich noch schaffen, dann kann ich durchatmen und alle kleinen Momente wieder mehr wahrnehmen“.
Natürlich gibt es diese Tage jetzt auch. Die entschleunigt sind, an denen ich mit meinem Baby spiele, Spazieren gehe und mal keine großen Sorgen und Anxieties mich stressen. Was mich aber überrascht hat: Der gute, alte Gedanke ist nicht weg. Auch jetzt denke ich mir immer wieder: „Die nächsten drei Tage alleine mit Baby muss ich irgendwie schaffen, dann wird es besser.“ „Wenn wir erst wieder ganz gesund sind, wird es leichter.“ Oder auch: „Wenn wir irgendwann im Alltag mit Betreuung angekommen sind, dann kann ich mich wieder mehr entspannen, habe wieder mehr Freiheiten, dann ist das Kind größer und der Alltag leichter.“
Da ist er also wieder, der Gedanke an später.
Und das Gefühl, die Tage gerade, egal wie sie auch sein mögen, nicht annehmen, auskosten und vielleicht auch romantisieren zu können, sondern sie einfach nur schaffen zu müssen. Die guten, alten Anxieties, die vom Jetzt ablenken und einem immer wieder das Gefühl geben, später, da wird es besser. Bis dahin muss man nur noch ein bisschen was schaffen, aushalten und überstehen.
Es überrascht mich, dass dieser Gedanke auch jetzt kommt. In dem Jahr, das so besonders ist und in dem ich so viele Freiheiten von der Erwerbstätigkeit habe, wie sonst noch nie. Natürlich ist eben der Alltag mit Baby auch herausfordernd, auf eine ganz andere, Überlebensmodus-Art und Weise. Wenn ich jetzt denke, ich muss die nächsten Tage irgendwie schaffen, dann meine ich damit vor allem, zu schaffen, dass das Baby gesund, satt und glücklich ist, genug schläft und nicht überreizt, frische Luft und keine Schrei-Attacken bekommt, und dass ich gleichzeitig schaffe, etwas zu essen, mich anzuziehen und irgendwie ein bisschen Schlaf abzubekommen. Genauso hatte ich den Gedanken aber auch davor. Wenn ich früher dachte, ich muss die nächsten Tage irgendwie schaffen, hieß das eben, die To Dos von drei verschiedenen Jobs zu jonglieren, ein herausforderndes Seminar zu halten und auch dabei irgendwie bei Kräften zu bleiben.
Die Herausforderungen des Alltags, sie sind wahrscheinlich immer da. Und gehen so bald nicht mehr weg, das ist wohl eine der Erkenntnisse des Erwachsenwerdens.
Und doch gibt es sie eben auch in jeder Lebenssituation, die Tage, die sich irgendwie leicht anfühlen, bewusst und romantisch. An denen ich sowohl Romantik darin finde, auf dem Weg zur Arbeit zu sein, mit lieben KollegInnen zusammenzusitzen, oder richtig viel von der To Do Liste zu erledigen, während ein guter Kaffee vor mir auf dem Schreibtisch steht. Genau wie ich natürlich selbst in herausfordernden Tagen mit Baby manchmal ganz leicht die Romantik finde.
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, in diesem besonderen ersten Babyjahr kein einziges Mal an später zu denken. Nie zu denken „wenn erst dies und das geschafft ist, dann…“ Und die Romantik in jedem Tag zu suchen. Doch als selbst in diesem Jahr die Anxiety-Gedanken über mich kamen und ich selbst in diesem Jahr manchmal dachte, die nächsten Tage muss ich einfach nur schaffen, wurde mir klar: Dieser Gedanke wird nie weggehen, selbst, wenn ich in einem monatelangen Traumurlaub im Paradies wäre. Ich kann für immer an meine Tage so herangehen, dass ich sie einfach nur schaffen muss. Oder ich kann versuchen, diesen Gedanken nicht mehr so oft zu haben.
Egal, in welcher Situation ich gerade bin, ob Elternzeit oder Arbeitsalltag, ob gesundes Kind in der Kita oder krankes Kind zu Hause, ob entspannte oder stressige Arbeitswoche, ob arbeitsfreie Zeit mit Baby oder Freiheit.
Den Gedanken, den Tag nur schaffen zu müssen, kann man natürlich nicht ausschalten. Er kommt eben über einen, wenn es anstrengend wird, wenn wir in Stress geraten und wenn alles herausfordernd ist. Egal, ob wir gerade im Urlaub, mit Baby zu Hause, in der Arbeit oder sonst wo sind. Aber immer dann, wenn der Gedanke über mich kommt, mache ich mir seit einiger Zeit bewusst, dass er da ist. Hinterfrage, was der Grund ist, dass ich den Tag einfach nur schaffen will und so wenig Gutes daran sehe. Und versuche genau dann, ein bisschen Alltagsromantik zu finden. Genau dann meinen Kaffee in Ruhe zu trinken. Mich daran zu erinnern, dass man sich immer ein bisschen das herbeisehnt, was man gerade eben nicht hat. Und mich daran zu freuen, in welcher Situation ich gerade sein darf, auch wenn sie ihre überfordernden Momente mit sich bringt, die Arbeit wie die Babyzeit.
Es wird sie immer wieder geben, die Tage, die ich einfach nur schaffen will. An denen ich nichts Gutes finden werde und auch nicht will. Auch das ist ok. Aber genauso werden sie immer wieder kommen, die Tage, an denen schon der Kaffee am Morgen etwas Romantisches hat. An denen ich inspiriert bin, egal wie der Tag verlaufen wird.
Eine Antwort zu “Kolumne: Vom Tage-Schaffen und der Alltagsromantik”
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