Kolumne: Reisen schützt vor Dummheit nicht

22. Februar 2018 von in

Fotocredit: „Hotel Very Welcome“, Komplizen Film in Co-Produktion mit ZDF

Ein „Mensch von Welt“ ist studiert, am besten mehrfach, liest in seiner Freizeit, geht ins Kino, in Ausstellungen und bereist ferne Orte. Vor allem letzteres hat sich in die Köpfe ab der Kategorie „Deutscher Mittelstand“ aufwärts eingebrannt und wird von ihr intensiv betrieben. Ein Auslandsjahr oder -semester hier, unzählige Trips da, denn Kulturreisen in günstige Länder im asiatischen Raum wie Indien, Thailand, Japan, sind bereichernd und belehrend. Weitere beliebte Ziele sind Bali, besonders geeignet für Yoga und Retreats, sowie Marrakech, weil relativ kurze Flugzeit. Urlaube innerhalb Europas oder gar innerhalb Deutschlands werden immer uninteressanter und so geschah es, dass aus dem klassischen „Urlaub“ das „Reisen“ wurde.

Meine Skepsis dem Backpacking oder dem Reisen gegenüber gilt den Menschen, die aufgekratzt von ihrer neuesten Buchung erzählen: „Habe Japan gebucht“, sagen sie dann zum Beispiel, „habe ein unglaublich günstiges Angebot im Internet gefunden“, und das unglaublich günstige Angebot beträgt meistens irgendwas um die 500 Euro. Das sind die Momente, in denen die Relativität der Dinge eine große Rolle spielt, weil „günstig“ ist für mich um ehrlich zu sein etwas anderes. Aber wer A sagt und günstige Angebote findet, muss auch B sagen: „es ist so günstig da, das wiegt den Flugpreis total auf.“. Ach, so ist das.

Dann, vor Ort, bereisen die Menschen unterschiedliche Orte, schauen, wie die Menschen in der Ferne so leben, essen sehr günstiges und sehr gutes Essen, und gehen schnorcheln im Meer und besteigen irgendwelche Berge oder so. Und dagegen ist eigentlich überhaupt nichts einzuwenden, ABER:

Der Mensch des mittleren bis gehobenen Wohlstands hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Reisen als eine Aktivität zu betrachten, die es zu tun gilt. Wer reist, formt sich selbst und entdeckt sich neu. In Form von Yogareisen bevorzugt auf Bali, aber auch eigentlich überall sonst so auf der Welt. Wer reist, schärft seinen Blick aufs Leben und lernt, dankbar zu sein – in Ländern, in denen eine Armut herrscht, die fernab unserer Vorstellung liegt, in Indien zum Beispiel. Im Idealfall kombiniert man seine Selbstentdeckung (Yoga) und den Blick aufs Leben (Armut) in Indien.

Die bereichernden Erkenntnisse, die man nach einer solchen Reise mit nach Hause nimmt, sind unbezahlbar. Ohne Frage hat ein bereister Mensch viel zu erzählen, er hat im Idealfall viele Menschen kennengelernt, ist über seine Grenzen hinausgewachsen und hat ein paar Pointen im Ärmel, die sich am Stammtisch mit ihrem Ass herausschütteln lassen. „Wie damals in … als ich …“. Gelächter. Staunen.

Eines sollte uns Reisenden bei der nächsten Buchung ans andere Ende der Welt klar sein. Es ist nicht unsere Aufgabe als aufgeklärter, weltoffener Mensch, jeden Kontinent live und vor Ort gesehen zu haben. Wir sind nicht deshalb reflektierte, schlaue Geschöpfe, weil wir am Ecuador den Chimborazo bestiegen, in Celestún Flamingos geschaut und auf Holbox mit Walen geschwommen sind. Wir haben nicht das Leben verstanden, weil wir mit einem Marokkaner beim Teestand in den Souks ein 20-minütiges Gespräch geführt haben und wir werden zu keinem besseren Menschen, weil wir in Kenia Armut gesehen haben. Das sind alles spannende Erfahrungen, die wir dankbar als Momente verbuchen sollten, an die wir uns unser Leben lang erinnern dürfen.

So nervenaufreibend das Reisen in unbekannte Orte auch sein mag, so dreckig die Backpackingreisen in überfüllten Bussen und auf ungeteerten Straßen auch waren, diese und jede andere Art des Reisens ist und bleibt: Luxus und Prestige. Wer den Weg in jene Länder nicht auf sich nimmt, um Schulen, Waisenhäuser oder ähnliches aufzubauen, wer dort nicht arbeitet, sondern sich die Orte aus reinem Interesse ansieht, der sollte sich nicht über seine Erlebnisse des weit bereisten Menschen profilieren, sondern dankbar für jene Erfahrungen sein. Reisen klingt nach Arbeit, doch am Ende machen wir Urlaub. Vielleicht wälzen wir uns nicht am Gardasee für eine Woche von links nach rechts und vielleicht war der Flug ein wirklich tolles Schnäppchen, es waren aber trotzdem 500 Euro und wir besitzen nun mal den deutschen Pass, der uns problemlos ans Ende der Welt bringt. Keiner hindert uns daran.

Wir gehören zu dem winzigen Prozentteil der Menschen auf der Welt, die jeden Ort besuchen können und somit ist es auch keine Überraschung, dass die Deutschen unter den Top 5 der Nationen sind, die am meisten und am öftesten das eigene Land verlassen. Wir haben das Geld und den Pass, der uns diese Reputation ermöglicht. Es sollte keine Grundvoraussetzung des schlauen Menschen sein, die Sieben Weltmeere gesehen zu haben, sondern es sollte das Grundverständnis des schlauen Menschen sein, dass das Reisen ein Luxus ist, der nicht jedem gegeben ist.

Denn ich sage euch eines: Reisen ist schön. Doch Reisen schützt vor Dummheit nicht.

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30 Antworten zu “Kolumne: Reisen schützt vor Dummheit nicht”

  1. Ich mag den Ausdruck ja eigentlich so gar nicht, aber unter diesen Text passt er perfekt: Word!
    Auch wenn ich eigentlich immer ein Verfechter des Reisens (im Sinne von „die Welt entdecken“) gegenüber dem Urlaub (= All-Inklusive Hotelurlaub, ohne dabei die Hotelanlage verlassen zu müssen) war bzw. auch noch bin, geht mir dieser Hype und der damit verbundene „Wettbewerb“ ums Reisen immer mehr auf die Nerven. Klar, zu einem klitzekleinen Teil vielleicht auch, weil ichs mir als Noch-Studentin mit kleinem Budget nicht leisten kann, 3x im Jahr ans andere Ende der Welt zu jetten, aber mir kommt es auch ein wenig so vor, als fehlt mittlerweile die Wertschätzung dafür – und, wie du sagtest, auch die Erkenntnis, was für ein Privileg man dabei überhaupt genießt. So langsam verstehe ich jetzt auch meine Eltern und Großeltern, die immer mit erhobenem Finger gepredigt haben, was für einen Luxus unsere Generation da genießt.

  2. Liebe Amelie,
    der Artikel ist zweifellos gut (und mit einem Augenzwinkern?) geschrieben. Allerdings frage ich mich, worauf du deine Ansicht stützt? Ist es dir schon häufig passiert, dass Menschen dich mit ihren Reisen vollgequatscht und dich im Gegenzug gefragt haben, warum du nicht eine solche Reise unternimmst? Ich habe diese Erfahrung beispielsweise noch nie gemacht und fühle mich diesbezüglich auch von niemandem unter Druck gesetzt. Ich bin im Oktober für drei Wochen durch Vietnam getuckert, einfach weil ich das gern tun wollte- ohne Zwang oder Druck. Auch dort leben sehr viele arme Menschen, die jedoch glücklich sind mit dem was sie haben und ich bin der Auffassung, dass wir viel davon lernen können. Umgekehrt leben die Menschen, besonders auf Bali und in Thailand, ja auch gewissermaßen von dem Tourismus. Ich bin schon ganz bei dir, wenn es darum geht, nicht einfach so viel Geld auf den Kopf zu hauen, nur damit man sagen kann, dass man da war und was man alles Tolles erlebt hat. Aber ich glaube trotzdem, man sollte das ganze etwas differenzierter betrachten.

    Trotzdem bitte weiter so und liebe Grüße
    Anna

  3. Und was noch dazu kommt und leider ebenso wenig reflektiert wird: Fernreisen haben eine katastrophale Öko- und Nachhaltigkeitsbilanz. Und das betrifft insbesondere die klassischen Backpackingziele. (alleine durch die Flugreisen) Irgendwo habe ich sogar mal gelesen, dass es im Sinne von Nachhaltigkeit (Umweltschutz, faire Löhne etc) fast besser wäre, wir würden alle drei Wochen Sommerferien im All-inclusive-Bunker in Spanien machen. Leider nicht so instagramtauglich :) Ich finde dieser Punkt wird auch bei schon auf Nachhaltigkeit sensibilierten Menschen überhaupt zu wenig debattiert und ich möchte mich da gar nicht ausnehmen.

    • Das ist echt ein sehr sehr guter Punkt, danke dafür! Ich finde es eh so schwierig, dass Fernreiseziele wie Bali oder Kapstadt vor allem von denen frequentiert werden, die so sehr auf Nachhaltigkeit und ein bewusstes, umweltschonendes Leben aus sind. In Kapstadt wundern sich die Touristen dann über das fehlende Wasser, und auf Bali kommen auf jeden Strandmeter mehrere Säcke voll Plastikmüll. Und an das CO2 der Flugreisen denkt erst recht niemand!

  4. Schön, das dieses Thema hier angesprochen wird! Ich finde es sehr schade, dass dieses Thema bei der Beliebtheit der Fernreisen so sehr außer Acht gelassen wird. Auch ich reise gerne und bin mir dieses Privileges sehr bewusst, aber ich denke wir sollten die Auswirkungen unserer Reisen mehr in Betracht ziehen. Hoffe ja immer noch, dass Deutschlandreisen bzw. die Erkundung der eigenen Umgebung zum nächsten Trend werden.

  5. In großen Teilen stimme ich(als mehrfach studierte und oft reisende Person) dir zu und in der Kernaussage „Reisen schützt vor Dummheit nicht“ insbesonders. Für mich persönlich fand ich diese Darstellung von Reisen als Luxus und Prestige vor allem auf Instagram sehr aufallend und dann unnötig, wenn sich später raus stellte, dass doch alles gar nicht so cool war. Das war unter vielen anderen Dingen der Grund warum ich Instagram vor längeren verlassen habe.
    Aber was ich wichtig finde hier anzumerken, dass man jetzt auch nicht wohin fahren sollte, um Schulen oder Waisenhäuser auf zu bauen. Die Leute vor Ort brauchen keinen white savior sondern bessere Institutionen vor Ort der einen nicht nach 6 Monaten verlässt. Solange die Person nicht grundsätzlich eine Ahnung hat wie man vor Ort Wandel schaffen kann dann ist es mir lieber mit offenen Augen als Tourist dorthin zu reisen, die Leute vor Ort vernünftig zu bezahlen, damit diese nachhaltig davon leben können und nicht darauf angewiesen sind auf Hilfe von außen.

    Nachhaltigkeit ist sowieso ein ganz eigener Punkt. Das kann ich empfehlen Ausgleich zu zahlen. Kein greenwashing nur für CO2 sondern auch Stickstoff. Sind dann 300€ für eine Fernreise hin und zurück (gerne auch auf Raten). Da finde ich dann lächerlich, dass irgendwo im nirgendwo peruanische Avocados in Asien im hippen Café angeboten werden.

    • Ja, das Klischee der weißen RetterInnen hat mich auch ein bisschen gestört. Wie beim Reisen ist es auch bei Freiwilligendiensten etc. so, dass die Person, die ihn macht, in der Regel den größten Mehrwert davon zieht. Ich spreche hier insbesondere von Leuten, die z.B. nach dem Abi und ohne entsprechende Qualifikationen solche Dinge machen, um die Welt zu „verbessern“. Für Selbsterkenntnis und eben auch, um ein bisschen Perspektive für das eigene Leben zu gewinnen, ist das sicher sehr nützlich, in Bezug auf globale Ungleichheitsverhältnisse allerdings auch sehr fragwürdig wie ich finde.

      Zum Thema Avocados in hippen thailändischen Cafés. JA! und NEIN! Also Avocados wachsen auch in Südostasien, allerdings habe ich mich auch schon gefragt, warum man um die halbe Welt reist, um die gleichen Trenddinge zu essen wie im hippen Café in der Heimatstadt:)

  6. Aber es sagt doch keiner, dass man schlauer oder ein besserer Mensch wird? Passiert dir das etwa öfter?

    Klar haben wir Glück, dass wir in Deutschland geboren sind und diesen Pass haben.
    Es hat sich doch allerdings auch die Gesellschaft geändert. Wir haben mehr Möglichkeiten und es ist günstiger geworden zu fliegen und das nutzt man jetzt. Dankbar nutzen wir das Angebot. Dadurch steigt die Nachfrage.
    Ich finde die Erfahrungen des Reisens in genau solche Länder mit anderen Sitten und Kulturen verändern einen und bringen einem das Bewusstsein wieder vieles zu Hause mehr wertzuschätzen. Deshalb zum Beispiel reise ich.
    Ich finde der Artikel ist übertrieben negativ bezüglich reisenden Europäern verfasst. Ob ich mein Geld in einem fünf Sterne Wellnesshotel in Bayern lasse oder bei den Fischern in Celestún ist doch jedem überlassen – man unterstützt die Wirtschaft und saugt neue Erfahrungen ein.

    P.s. Hab die Flamingos in Celestún auch schon gesehen – kann ich nur empfehlen! Kostet nur 10€ ist jeder Pfennig wert!

    • Aber es sagt doch keiner, dass man schlauer oder ein besserer Mensch wird? Passiert dir das etwa öfter?
      Vielleicht nicht so aber anders: WAS, du warst noch nie in Asien / Südamerika / Südafrika / Neuseeland…..?
      Vorallem während des Studiums, als ich froh war trotz Nebenjobs die Studiengebühren finanzieren zu können, fand ich es doch verwunderlich für wie selbstverständlich Fernreisen von vielen Kommilitonen angesehen wurde. Man galt einfach nicht als besonders interessanter Gesprächsparter, wenn man dazu nichts zu sagen hatte.
      Meiner Ansicht nach ist es eigentlich Schade, dass Menschen sich Armut live anschauen müssen, um sich dann hier besser zu fühlen. Da läuft doch dann in unserer Gesellschaft etwas schief.
      Ich habe erst nachdem ich 2 Jahre lang gearbeitet habe, das Geld für eine größere Fernreise zusammen gehabt, und war vor Ort schockiert: es fühlte sich wirklich an, als würde dieser Ort nur benutzt um einerseits Bilder zu machen und andererseits zu merken, wie gut man es doch hat. Davon, wie viele Touristen mit der Natur umgehen will ich gar nicht erst anfangen.
      Das schlimmste: einerseits benutzen die Backpacker die Einheimischen als Rechtfertigung für ihre Reise („die Leben ja auch vom Tourismus“). Andererseits wird sich ständig über Centbeträge aufgereft die jetzt dieser oder jener Rikschafahrer zuviel genommen hat („die sind wirklich gierig geworden“). Insgesamt habe ich mich in vielen Situationen einfach schlecht gefühlt und will deinen Artikel deswegen nochmal explizit loben!!

      • Kann das was Sarah meinte wirklich nur unterschreiben. Ich selbst hatte erst vor kurzem das Privileg, in Südostasien unterwegs zu sein (bin aber auch Halb-Thailänderin). Man kann natürlich nicht alle Backpacker über einen Kamm scheren, aber ich fand es schon auffallend, wie da bei manchen/vielen die Einstellung war. Alles für die „Selbsterkenntnis“, den eigenen Spaß, das Instagramprofil oder ähnliches, aber dann wiederum in Tempeln nach den Selfies laut anfangen sich zu unterhalten während Gebetsstunde ist (die Mönche waren im selben Raum am Beten). Ich hatte bei vielen Reisenden, denen ich begegnet bin nicht das Gefühl, dass es darum geht, die Menschen vor Ort und die Kultur kennenzulernen, sondern nur andere Internationals, die auch Lust haben auf günstiges Bier und Party am Strand. Und das in einem Land, das eigentlich sehr konservativ ist und sich nur den Touristen anpasst, weil die das Geld haben… da fehlt mir auf Seiten der Reisenden oft die Selbstreflektion und der Blick fürs große Ganze!

  7. Es ist ein wahnwitziger riesen Luxus den wir haben. Der wahrscheinlich noch grössere ist es nach Hause kommen zu dürfen. Ein Zuhause zu haben.
    Mich stört ehrlicherweise dein agressiver Ton, schwingt da Neid mit?
    Ich sehe den CO2 Ausstoss als einzigen Nachteil davon. Der ist natürlich riesig, aber nicht erwähnt im Text.
    Mich würde intressieren ob und wo du ausserhalb Europas gereist bist.
    Liebe Grüsse aus der Schweiz

    • Hey liebe Carmen, da schwingt definitiv kein Neid mit :). Ich selbst war in Kenia und Marokko bisher, weitere Reisen werden aber außerhalb Europas vermutlich früher oder später dazu kommen. Es ist jetzt nicht mein persönliches Lebensziel, die Welt zu bereisen, aber ich finde sie natürlich trotzdem spannend und toll. Ich finde aber auch Europa wahnsinnig toll und reise sehr gerne innerhalb Europas und auch innerhalb Deutschlands. Jeder soll machen, was er möchte. Ich habe nur ein Problem damit, wenn Menschen arrogant werden und meinen, man „müsste“ viel reisen, um einen reflektierten Blick aufs Leben werfen zu können. Es ist einfach keine Selbstverständlichkeit wie du sagst und vielen Menschen fehlt das Verständnis dafür, dass ihre Reisen ein großer Luxus sind.

      • Ihr, die pressereisen nach Aruba oder Island oder Kenia macht vermittelt doch aber gerade dies: dass man in 10 Tagen ein Land bereist und alle tollen Dinge gesehen haben muss um sie von seiner Liste abzuhaken. Versteh mich nicht falsch, ich würde solche Reisen auch sofort annehmen, aber damit tragt ihr eben euren dicken Teil bei zur „Instagram Blase und wie die Welt sein sollte“. Wenn ich mich dann in der normalen, nicht digitalen Welt bewege habe ich diese Probleme nicht. Manche meiner Freunde reisen, andere nicht. Wir fahren nach Sylt und Langeoog aber eben auch nach Indien. Wir verbringen unsere Wochenenden in Paderborn oder Münster und manchmal auch in Lissabon. Manchmal erzählen wir von tollen Trips und Erfahrungen, und manchmal hat uns eine Reise nicht gefallen.
        Instagram ist nicht das wahre Leben, und was uns dort vermittelt wird gilt (zumindest für mich) meistens nicht in der Realität.
        Und klar ist es Luxus, überhaupt reisen zu können. Gleichzeitig ist es eine klare Entscheidung. Geben manche Leute 200,300,400€ im Monat für Kleidung und coffees To go aus tu ich das eben nicht und fahre dafür lieber in den Urlaub.

        • Liebe Johanna,
          es ist schade, dass du es so empfindest, dass wir mit bestimmten Pressereisen die „Instagram Blase“ unterstützen – genau das versuchen wir bei jedem Ziel zu vermeiden und vielmehr individuellere Berichte und Kolumnen mit Tipps für den Ort zu mischen. Reisen sind ein wichtiger Teil von amazed, der sehr viele Leser besonders interessiert, und natürlich ist jede Reise auch persönlich eine große Bereicherung. Der feine Unterschied, den Amelie im Artikel ansprechen möchte, ist bloß: Weiß ich bei jeder Reise zu schätzen, welches Privileg ich hier gerade erleben darf? Oder nehme ich Reisen durch z.B. günstige Preise für selbstverständlich und urteile sogar über Menschen, die weniger reisen als ich?
          Es geht hier vor allem um die Argumentation, die uns schon oft begegnet ist, dass man nicht „mitreden“ kann, wenn man nicht an Ort xy dies und jenes getan und gesehen habe. Diesen Blickwinkel möchte Amelie hinterfragen und sagen: Jede Reise ist Luxus und Privileg, ein reflektierter Mensch kann man genauso zu Hause als am anderen Ende der Welt sein, und ein unreflektierter eben auch.

          • Na ja… alle Welt fliegt nach Island, ihr fliegt hinterher. Alle Welt fährt (diesen Winter) nach Bad Gastein, ihr fahrt hinterher. Und fliegst du nicht jetzt bald nach LA, der Stadt, die momentan so gehyped wird? Wieso nicht mal nach Oregon? Aruba war als Ziel mega spannend (und deine Bilder toll!), aber aus deinem Bericht klang es schon stark heraus, dass ihr von eurer Reiseführerin von A nach B gebracht wurdet… also einfach nicht das, was ich mir unter spannendem Reisejournalismus vorstelle.

            Klar ging es um das Privileg, und auf jeden Fall hat sie da auch Recht. Dass ich überhaupt gesund bin und reisen kann und auch noch genug Geld und einen „guten“ Pass habe- ein großes Glück. Amelies Ton gefiel mir aber einfach nicht, der sehr motzig herüberkam und auf andere, die „Vielreiser“ mit dem Finger zeigte. Wir alle sind privilegiert, und ob ich diese Privilegien nun nutze um um die Welt zu fliegen, oder davon leben kann, Kleidung und Lifestyle im Internet zu bewerben- jeder so wie er es will.
            Und zu guter Letzt: Ich reise nicht mal unbedingt, um dadurch schlauer zu werden oder ein besserer Mensch oder was auch immer. Ich liebe es einfach. Ich liebe es fremd zu sein und nichts zu verstehen und mich zurecht finden zu müssen. Ich liebe neue Eindrücke und fremde Menschen. Es ist mein Hobby, und wie andere von ihren Hobbies erzählen, erzähle ich auch von meinen. Dabei merkt man aber in der Regel schnell, ob mein Gegenüber interessiert ist an meinen Geschichten, oder eher nicht. Ich kenne persönlich niemanden, der mich mit seinen Reisestories belehren will oder entsetzt ist, dass ich noch nicht in Thailand war.

      • Vielen Dank für deine Antwort. Ich verstehe nun besser was du meinst. Nein selbstverständlich sollte dies nie sein. Ich finde auch die Schweiz wo ich lebe wunderschön, das gleiche gilt für Deutschland und Österreich. Ich habe auch viele Freunde die noch nie über Italien rausgekommen sind. Aber mein Gott ich denke oft deren Seele ist schon so unendlich weit gereist. Was die für eine Dankbarkeit und Reflektion verfügen. Ich musste zuerst ans „Ende der Welt“ um mich kennen zu lernen. Und ich brauche dies auch heute teilweise noch ummich aus meiner Komfortzone zu bewegen. Um mich meinen Ängsten zu stellen. Um wieder dankbarer machmal aber auch traurig zu sein wenn ich nach Hause komme. Den die Menschen sind hier nicht so freundlich miteinander obwohl wir viel mehr als nötig besitzen.
        Ich glaube ich weiss was du schreiben wolltest, aber es braucht viel Empathie um dich nicht miss zu verstehen. Ich finde Wut an den richtigen Stellen wichtig und richtig. Ich empfinde deine Artikel aber oft als gehässig und dies wiederum sehr schade. Den wir brauchen doch alle mehr Liebe.
        Alles Gute

  8. Wie wahr! Mein mann hat keinen deutschen Pass und bei Urlaubsplänen checke ich erstmal die entsprechenden visabestimmungen. Das Privileg, dass man mit einem deutschen Pass innehat, ist unglaublich, ist aber den meisten Menschen nicht mal bewusst.

  9. Liebe Amelie,
    ein sehr guter Artikel, danke für die kritische Perspektive.
    Reisen ist ein Privileg in vielerlei Hinsicht, wie du ja auch schreibst. Das fällt mir auch immer wieder ein, wenn einmal jährlich gefeiert wird, dass der deutsche Pass der „Beste“ sei. Im Umkehrschluss, und daran denken scheinbar viele nicht, heißt das eben auch, dass es weniger privilegierte Pässe und Herkunftsländer gibt, und was das für Auswirkungen hat, müssen wir uns nur an den Außengrenzen der EU anschauen. Das ist dann gar nicht mehr zum Feiern sondern tragisch.

    Auch gebe ich dir Recht, dass Reisen weder zu Selbsterkenntnis führen muss, noch immer wahnsinnig individuell ist. Ich habe die letzten drei Jahre für die Forschung zu meiner Doktorarbeit viel Zeit in Vietnam verbracht – die für mich schönste, und vermutlich noch viel privilegiertere Art, ein Land kennen zu lernen, da ich nicht nur tiefe Einblicke, sondern auch Freundschaften daraus gewonnen habe. Jedenfalls war ich in dieser Zeit mal zur Erholung für ein langes Wochenende an der Küste und habe mich mit ein paar „backpackern“ angefreundet. Mit der Zeit stellte sich dann heraus, dass sich die meisten von dieser Gruppe schon länger kannten, da sie alle die gleiche Route durch Südostasien bereisten und sich in so ziemlich jedem günstigen Hostel wieder über den Weg liefen. Anstatt rauszugehen, haben die meisten ihre Zeit dann im Hostelpool verbracht, wogegen nichts grundsätzliches auszusetzen ist, aber man sieht halt auch nichts von dem Land oder den Leuten. Fand ich etwas befremdlich damals und, nunja, wenig individuell. Gerade dank „billiger“ Flüge, Internet und auch dem Lonely Planet sind Individualreisen nicht unbedingt das Abenteuer, das sie vielleicht mal mehr waren. Gerade Südostasien ist wirklich vielbereist inzwischen.

    Eine Minianmerkung habe ich noch: Japan ist wirklich nicht „billig“, sondern sogar ziemlich teuer (falls das wer nach dem Artikel denken sollte)! Habe ich am eigenen Leib erfahren und war mir vorher auch nicht so klar.

    Alles Liebe!

  10. Nicht ganz vergessen werden sollte auch der immense Kerosin Ausstoß der bei dem vielen fliegen entsteht..paradox: die Schönheit der Welt entdecken und dabei die Schönheit der Welt zerstören…der Klimawandel macht sich doch schon genug bemerkbar…
    Das nervt mich auch so unglaublich an diesem ganzen Reise Hype …ein Privileg, das auch wieder nur einem kleinen Teil dieser Welt zusteht, der andere Teil darf sich dann über die Folgen des Klimawandels freuen.. Toller Lifestyle!

  11. Ich stimme dir zu. Leute, die stundenlang von ihren Backpackingtouren erzählen, sind Angeber. Und die Ballonhosenfraktion an der Uni, die meint, sie hätte die Welt verstanden, weil sie ein halbes Jahr in Südamerika verbracht hat, war mir auch immer suspekt.
    Natürlich ist die Aussage, dass man nur durch häufiges Reisen ein reflektierter, gebildeter Mensch werden kann, nicht richtig. Ich habe es aber eigentlich noch nie so empfunden, dass von mir verlangt wird, dass ich viel reise oder dass ich dafür verurteilt werde, wenn ich es nicht tue. Das ist wahrscheinlich auch eine Frage des Milieus, in dem man sich bewegt. Es soll ja auch Kreise geben, in denen man als minderwertig angesehen wird, wenn man kein teures Auto fährt.

    Charakterlich sind mir Leute, die den Mut haben, sich Neuem und Unbekanntem auszusetzen aber lieber als die, die nur bei dem bleiben, was sie schon kennen. In dieser Eigenschaft kann sich aber wahrscheinlich in Indien genauso gut üben wie in Gelsenkirchen.

    Viele Grüße,
    Eja

  12. Hallo Amelie,
    Für mich leider ganz viel Gemotze ohne Substanz und auch ohne für mich erkennbares Fazit. Zuallererst: Japan ist definitiv nicht billig. Das zeugt für mich schon von mangelnder Recherche.
    Und darüber hinaus: lass doch bitte die Leute Backpacken die das gerne machen, von dir verlangt das nun wirklich niemand. Wenn sich Leute in deinem Umfeld durch Reisen profilieren und dich das nervt, dann halte dich doch einfach von ihnen fern. Finde es ganz ungut wie du hier das Reisen an sich schlecht machst ohne differenzierten Blick. Sorry für die klare Ansage aber dein motziger Ton geht mir in ganz vielen Artikeln auf die Nerven :-/

  13. Ich hab den Eindruck, ein paar von den Kritiker*innen hier haben den Text nicht verstanden. Vielleicht haben sie auch das Glück keine negativen Erfahrungen gemacht zu haben.

    Über die Perspektive deines Artikels, Amelie, unterhalte ich mich schon seit ein paar Jahren mit einer ausgewählten Anzahl an Freund*innen, denen ebenfalls die finanziellen Mittel fehlen. Lange Zeit dachte ich, irgendwas muss bei mir defekt sein, weil ich nicht jeden Cent meines Alltags überdenken und ggf. sparen wollte um dann 3 Wochen mit dem Rucksack durch Indien zu reisen. Mir wurde so oft suggeriert, dass weltliche Besitze haben so viel schlechter ist und sehr viele Leute haben betont, dass sie sich ihre eigenen Reisen ja leisten können, weil sie Reisen als Priorität haben und dann an anderer Stelle sparen. Diese Stellen hab ich dann aber irgendwie nie gefunden. Sie konnten sich trotzdem ihre diversen Feiereien, Festivals, Macbooks, Smartphones, Markenklamotten und Bioessen leisten. Bei guten Freund*innen kamen dann in Gesprächen immer für mich ungewöhnliche Geldquellen, wie Sparkonten oder Bausparverträge oder so von Eltern oder Großeltern oder einfach auch mal n Trust Fund raus.

    Und ja, man wird als ungebildeter gehalten, manchmal wird das ziemlich deutlich ausgedrückt. Das geht aber schon dann los, wenn man in der selben Stadt studiert in der man aufgewachsen ist, das muss ich ehrlich zugeben, hab ich auch nicht verstanden, als ich im Bachelor war und sicher auch ein Bißchen auf meine Freund*innen die hier aufgewachsen sind runtergeschaut. Dann bin ich für den Master an der selben Uni geblieben und hab ähnliche Skepsis und ernsthaft auch direkt abwertende Kommentare bekommen, trotz Auslandsaufenthalt. Drei oder vier Studienorte werden einfach als Standard erwartet.

    Mobilität wird meiner Erfahrung nach definitiv mit Bildung in Verbindung gebracht (und darüber wer sie warum welchen Lebensstil leisten kann wird ja eh zu wenig geredet).

  14. Sehr gut gesagt! Dankeschön für diesen kritischen Beitrag, der es auf den Punkt bringt! Dankbar sein, für das was wir haben und sehen, wie gut es uns eigentlich geht.

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