Kolumne: Me, myself and I – über die Freude am Alleinsein

24. März 2022 von in

Als die Tür ins Schloss fiel, grinste ich. Mein Freund hatte gerade seine Sachen gepackt und war für eine Nacht in die Heimat gefahren. Pepe und ich waren allein. Und während Pepe kurzen Abschiedsschmerz verspürte, bevor er weiterschlief, war ich die, die sich freute. Alleine Zeit für mich, ganze 24 Stunden nur das tun, was ich früher immer alleine gemacht habe. Ich war nicht traurig, dass mein Freund gefahren war, sondern freute mich auf seine Wiederkehr. Doch bis dahin gehörten Sofa und Bett ganz alleine.

Ich gehöre schon immer zu den Menschen, die im Alleinsein Kraft schöpfen. Zeit mit mir ist mir wahnsinnig wichtig. Während andere im Trubel der sozialen Termine glücklich sind, brauche ich Raum und Luft für mich. Und so lasse ich mich gerne treiben in meiner freien Zeit, mache nach außen hin gerne mal unspektakuläres mit meiner freien Zeit, was mich und meinen Seelenfrieden mehr als glücklich macht.

Und so bediente ich mich in den 24 Stunden ohne Boyfriend nicht im sozialen Superstore mit zahlreichen Freundinnen, die ich alle längst mal sehen wollte, sondern fand mich allein mit Pepe zu Hause wieder. Da saß ich, glücklich auf dem Sofa, aß ganz unspektakulär eine vegetarische Tiefkühlpizza und bingte Selling Sunset bis tief in die Nacht hinein. Bis ich irgendwann totmüde ins Bett fiel, den Platz für mich genoß und einen schnarchenden Pepe beim Schlafen zuhörte.

Es waren die perfekten 24 Stunden. 24 Stunden, die nur mir gehörten. 24 Stunden voller Freiheit, in denen ich völlig alleine war (gut, bis auf das Fellmonster), ohne Gespräche, ohne Absprachen. Nur me, myself and I.

Es ist der Zauber dieser Freiheit, der mich schon immer kriegt. Auch wenn ich mich als Kind erst ans Alleinsein gewöhnen musste: Irgendwann liebte ich es, wenn meine Mutter abends ohne uns Freund*innen traf und meine Schwester und ich den Abend für uns hatten. Die Tür fiel ins Schloss, und eine magische Zeit begann. Wir bestimmten das Fernsehprogramm, unser Essen und natürlich die Zeit, wann es Zeit war, ins Bett zu gehen. Diese Freiheit, dieses Gefühl von absoluter Selbstbestimmtheit, ich liebte es.

Später war es meine erste eigene Wohnung, in der ich diese Freiheit fand. Und in der ich irgendwann merkte, so ganz ohne Mitbewohner*innen ist es fast noch schöner. In meiner Zeit als Single zelebrierte ich diese Tage. Genoß den Sonntag alleine, im Garten den Vögel lauschend, manchmal auch nachts den Himmel bestaunend. Meistens aber wie jene 24 Stunden ohne meinen Freund. Ganz unspektakulär, nur ich und irgendeine Idee.

Fünf Jahre lang war ich zuletzt Single, fünf Jahre, die ich nur selten als einsam empfunden habe. Schließlich habe ich ganz wunderbare Freund*innen, die mein Leben mehr als reich und voll machen. Doch auch in den Momenten, in denen ich alleine war, fühlte ich mich so gut wie nie einsam. Im Gegenteil. Nach allerlei sozialen Aktivitäten nahm ich mir diese Zeit für mich. Entspannte im Café alleine, beobachtete Menschen. Ging alleine spazieren mit dem Lieblings-Podcast im Ohr. Oder lag auf dem Sofa, hörte Musik und sinnierte über mein nicht vorhandenes Liebesleben. Die Auseinandersetzung mit mir, in einem Raum, der nichts und niemanden zulässt, außer mich, ist meine Stärke – und doch habe ich mich oft gefragt: Ist das falsch?

Freude im Alleinsein haben ist als Frau schnell verpönt. Wir kennen es doch alle, der gutaussehende Junggeselle, der sich einfach nicht binden will, gilt in Film & Serien als cool. So frei, so unabhängig, so ein Freigeist. Tausende Bücher erzählen die Geschichte. Die Frau, die alleine zu Hause Zeit genießt, eher als verzweifelt. Hat sie denn keine Freund*innen? Die Arme! Hallo Bridget Jones!

Serien wie Sex and the City zeigen ebenfalls: Wenn du Singlefrau bist, triffst du nonstop deine Freund*innen. Brunch, Dinner, After-Work-Drink. Nur nicht allein in deine Wohnung zurückkehren. Wo niemand auf dich wartet.

Das ärgert mich. Gerade als Frau muss das Alleinsein kein Zeichen von Schwäche, Verzweiflung oder schreckliches Schicksal sein. Es – und das ist wichtig – kann auch eine Form von freier Entscheidung sein. Das mit sich sitzen, sich zuhören, die eigenen Bedürfnisse kennenlernen. Zu sich finden, Stille aushalten lernen und Kreativität daraus schöpfen. Es kann aber auch einfach das Gefühl von Freiheit sein, das wir aus Kindertagen kennen, wenn die Eltern für ein, zwei Stunden das Haus verließen. Dieses Gefühl von „Jetzt mache ich nur Dinge, die ich mag“. Die kindliche Vorstellung von Erwachsensein leben, vergessen sind die Pflichten, die Aufgaben, das Arrangieren in einem sozialen Gefüge. Selbstbestimmtheit in der reinsten Form und vermutlich in der kleinsten Art und Weise. Mit Pizza auf dem Sofa und einer schnellproduzierten Netflix-Serie im TV.

Als ich meinen Freund kennenlernte, wusste ich relativ schnell: Das ist was besonderes. Ganz natürlich, fast wie von Zauberhand, war ich bereit, die Freude am Alleinsein aufzugeben. Platz zu machen für wundervolle Stunden zu zweit. Für viele, viele Momente der Konversation, für das Nicht-mehr-allein-sein, selbst Tag und Nacht. Die Entscheidung für ihn fiel nicht, weil ich einsam war und jemanden an meiner Seite brauchte. Sondern weil er mein Leben reicher machte. Die Schönheit des Alleinseins verdrängte mit all den wunderbaren Komponenten, die er und unsere Beziehung mit sich brachten.

Helena Fitzgerald schreibt es in ihrem Essay so: „Loneliness is not the terror we escape; it is instead the reward we give up when we believe something else to be worth the sacrifice.“

That’s it. Bis heute, knapp zwei Jahre später. Ich habe das Alleinsein aufgegeben, weil so viel schöneres auf mich wartete. Etwas, wonach ich nicht mit Druck gesucht habe, sondern das mir passiert ist. Ich mochte mein Leben, meine Balance zwischen Social Life und Alleinsein. Meine Wohnung, die nur mir gehörte, meine Zeit, die nur ich verplante. Mein ganzes Single-Leben als Frau. Aber: Manchmal kommt es anders als man denkt, nicht?

Ich habe die Joy of being alone losgelassen. Und trotzdem vermisse ich sie manchmal. Diese Zeit, nur für mich. Nur mit mir. Und so suche ich sie in kleinen Momenten, beim Spaziergang mit Pepe – oder ganz allein. In der ersten sonnigen Morgenstunde im Garten, wenn mein Freund schon arbeitet. Oder beim Joggen an der frischen Luft.

Und in den 24 Stunden, in denen mein Freund nicht zu Hause war. Als ich den Schlüssel in der Tür hörte, grinste ich wieder. Während Pepe wie verrückt den Schwanz wedelte, freute ich mich im Stillen. „Schön, dass du wieder da bist. Ich habe dich vermisst. Zumindest ein kleines bisschen.“ Und das war nicht gelogen, sondern ziemlich wahr.

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3 Antworten zu “Kolumne: Me, myself and I – über die Freude am Alleinsein”

  1. Hallo Antonia,

    ich musste gerade mega schmunzeln, als ich diese Kolumne gelesen habe.

    Ich kenne den Genuss des Alleinseins seeeehr gut! Ich bin verheiratet und habe einen 18 Monate alten Sohn, daher habe ich selten Zeit nur für mich. Doch ganz ehrlich? Wenn ich sie dann mal habe, dann LIEBE ich es. Ich konnte schon immer sehr gut alleine sein, nie habe ich mich gelangweilt, da ich mich gut selbst beschäftigen kann – und wenn nicht kann ich auch sehr gut mit einem Kaffee in der Hand die Wand anstarren.

    Mein Mann war demletzt 10 Tage in Deutschland und ich war mit meinem Sohn alleine. Viele Freunde haben mich gefragt: Ohjeeeee wie machst du das denn so alleine? Ich habe es jedoch genossen (auch wenn ich sehr gerne mit meinem Mann zusammen bin) – genossen, die Zeit so zu gestalten wie ich Lust habe. Das sah so aus: Ich habe bestimmt wann und was mein Sohn und ich essen, wie unser Tag aussieht, ich habe ihn ins Bett gebracht und am Abend meinen Lieblingspodcast volle Lautstärke gehört, Chips gegessen ohne verurteilt zu werden, Bücher gelesen, Netflix Serien geschaut und dazu Nägel lackiert ohne dass jemand über den giftigen Geruch gemeckert hat – es war toll!

    Ich war auch froh als er zurück war aber irgendwie konnte ich in der Zeit in der ich „alleine“ war einfach wieder meine Sachen tun.

    Danke für diesen schönen Text!

    Jasmin von https://frauentalk.net/

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