Kolumne: Ich bin die Prinzessin auf der Erbse und HASSE es
Die Bierbank-Saison ist eröffnet. Das bedeutet für mich in der Praxis, dass ich in meiner Arbeit in der Mittagspause die Bierbänke vor die Tür trage, sie aufbaue, darauf Mittag esse und das Leben genieße. Das ist ein schönes Ritual, wenn ich nicht damit zu kämpfen hätte, mir den Prozess des Bierbank-Aufbauens nicht entreißen zu lassen. Beim Tragen der Bank wird mir diese entweder kommentarlos abgenommen, beim Aufbauen werde ich grundsätzlich gefragt, ob ich Hilfe bräuchte, woraufhin ich mir missmutig denke, dass ich den komplexen Aufbau einer Bierbank begriffen habe. Zu guter Letzt werde ich dafür gelobt, dass ich die Bierbänke ganz alleine aufgestellt habe. Nein, liebe Freunde, das liegt nicht daran, dass ich körperlich beeinträchtigt bin oder ein Kleinkind. Das ist der Bierbank-Effekt, der sich durch mein gesamtes Leben zieht.
Nach der Arbeit habe ich Freunde im Englischen Garten getroffen und kam nicht umhin, eine Szenerie zu beobachten, in der ein junges Paar einen Baseball hin- und herwarf. Motivierend lobte der Junge das Mädchen für jeden einzelnen Fang und Wurf. „Wow!“, „Toll!“, sagte er dann. Das hat er sicherlich nett gemeint, aber irgendwie wirkte die Vater-Kind-Situation auf mich skurril. Meine Freunde sind mittlerweile daran gewöhnt, dass ich in der Lage bin, Dinge zu fangen, aber auch hier durchlief ich einen monatelangen Prozess des Lobs von Männern dafür, dass ich Bälle oder wahlweise Frisbees fangen kann. Am kommenden Morgen pumpte ich meinen Fahrradreifen am öffentlichen Fahrradreifen-Aufpump-Ort auf und wie ihr seht, bin ich nicht bewandert mit Fahrradthemen, so wenig, dass ich selbst keine Fahrradpumpe besitze oder mit fachspezifischen Begriffen um mich werfen könnte. Aber ich bin in der Lage, Reifen aufzupumpen und das verbalisiere ich jedes Mal aufs Neue, wenn mir fremde und durchaus freundliche Männer anbieten, das Aufpumpen zu übernehmen.
Kurzum: Ich bin die Prinzessin auf der Erbse und ich hasse es. Ich bin kein Kleinkind, ich leide unter keiner Behinderung, ich bin eine Frau. Ich muss tagtäglich dafür kämpfen, alltägliche Dinge alleine zu machen. Und das nervt.
Wenn man als Frau von Männern ungefragt Hilfe angeboten bekommt, ist das eine aufmerksame und freundliche Geste, die uns dazu zwingt, nichts negatives dazu sagen zu können. Keiner will die Zicke sein, die eine Aufmerksamkeit abschmettert. Die meisten Frauen, die ich kenne, begrüßen die Hilfe auch ehrlich, die sie bekommen: beim Minitrolley-Tragen zum Beispiel, beim Nagel-in-die-Wand-Hauen, beim Fahrradreifen-Aufpumpen, beim Öl- oder Reifenwechsel oder so ziemlich allen Dingen, die im Entferntesten mit Anstrengung zu tun haben oder mit denen man sich länger als fünf Sekunden auseinandersetzen muss. Die Frauen, die jene Hilfe in Anspruch nehmen, sind in der Regel nicht unfähig, unglaublich schwach oder schwerkrank. Sie sind einfach nur faul. Faul geworden durch die Hilfe, die ihnen ihr Leben lang angeboten wurde. Wer sollte auch mehr versuchen, wenn er bereits mit dem Werfen eines Balls beeindrucken kann?
Das bedeutet nicht, dass ich alles alleine kann und keine Hilfe benötige. Im Gegenteil, es gibt viele Dinge, die ich nicht alleine kann und das wird sich auch mein Leben lang nicht ändern. Wenn ich die Hilfe benötige, werde ich darum bitten. Und wenn man mir ansieht, dass ich ernsthafte Schwierigkeiten habe, etwas zu tun, ist das Angebot der Hilfe auch vollkommen angebracht. Es ist eine Grauzone und ich erwarte nicht, dass jeder um mich herum alles richtig macht. Allerdings erwarte ich, dass man mir zutraut, eine Bierbank alleine zu tragen. Und ja, das mag schwer sein: Da lernen Männer ihr Leben lang, dass sie höflich und zuvorkommend sein sollen und dann das. Ich zeige auf keinen mit dem Finger – außer vielleicht auf das System. Frauen! Hört auf so scheiße faul zu sein und setzt euch mit ein paar Alltagsdingen auseinander! Hört auf zu denken, dass Männer in gewissen Bereichen (also ungefähr allen) grundsätzlich besser sind, weil sie Männer sind! Männer, hört auf, Frauen zu unterschätzen und ihnen nichts zuzutrauen! Lasst die Prinzessin auf der Erbse die Prinzessin auf der Erbse sein und werdet wieder zum Frosch. Äh, ihr wisst schon.
Märchen waren nie mein Spezialgebiet.
18 Antworten zu “Kolumne: Ich bin die Prinzessin auf der Erbse und HASSE es”
Word!
Mir geht es oft auch so (wobei ich gestehen muss, dass ich für manches tatsächlich auch zu faul bin und mir es daher gerne von jemandem abnehmen lasse, der/die es besser kann – Meisterin im Delegieren) – bei Situationen wie der geschilderten mit der Bank behelfe ich mir meist mit Ablenkungsmanövern, in dem ich den fragenden Kavalier mit etwas anderem beschäftige – etwa: nein, Du brauchst mir nicht bei der Bank zu helfen, aber Du könntest stattdessen … die Teller holen oä – funktioniert gut!
Empfinde ich überhaupt nicht so. Weder das Frauen zu faul sind, noch dass ich dauernd betütelt werde. Im Gegenteil, ich wurde nie ernster genommen.Gerade beim Sport ist es so, dass eher ich lernen muss, dass wir Frauen keine Männer sind..ich hänge physisch immer hinterher, ausser es geht um Beweglichkeitsdinge und die muss man sich halt zu eigen machen.
Finde den Artikel leider etwas zu platt dargestellt, denn generell sich über Hilfe (und sei sie noch so überflüssig) aufzuregen, hat etwas von Prinzessin auf der Erbse und das ist nichts positives.
Word. Wer bei nett gemeinter, angebotener Hilfe rumheult, dem ist nicht mehr zu helfen.
Ich finde den Text großartig formuliert und das Thema so, so thematisierenswert! Jo: Es geht gar nicht darum, alles zu können und alles alleine zu machen. Aber es immerhin versuchen zu können, wenn man es sich zutraut. Dass ich die Bierbank nicht alleine tragen kann oder möchte, kann ich immer noch selber feststellen und mich dann freuen, dass das Angebot helfender Hände da ist. Wenn ich vorher dachte, ich schaff das, will ich’s auch zumindest probiert haben, ohne dass mir vorher erklärt wird, ich könne es nicht. Und ohne dass die Aufgabe – vielleicht sogar ungefragt – abgenommen wird. Wobei ich zugeben muss, auch zu den Faulen zu gehören und mir statt mancher Aufgaben eben die rauspicke, von denen ich schon weiß, dass ich sie kann. Und manchem Macker überlasse ich dann auch ganz gönnerhaft große Aufgaben, wenn ich ahne, dass es das tollste Erlebnis des Tages ist. ¯\_(ツ)_/¯
Was ich tatsächlich gar nicht ab kann, ist, wenn diese Struktur auch in intellektuellen Aufgabenbereichen besteht und meine Meinung oder Lösung für ein Problem nicht ernst genommen oder erst geschätzt wird, wenn ein Mann sie wiederholt.
Da gibt’s noch einiges zu tun. Drum: Danke für diesen Text! <3
Ich muss leider zugeben, dass ich unglaublich gerne deligiere ohne einen Finger zu rühren. Aufgewachsen mit drei Brüdern lief es bei uns immer so, dass sie alles rumschleppen dürfen- selbst meine Tasche- und ich nicht einmal wusste welche der Keller zu unserer Wohnung gehörte.
Hahaha, Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung! :)
Hmm… womit man heutzutage alles ein Problem haben kann ;)
Mir ist das doch egal, denn wenn’s passt, nehme ich gerne Hilfe an und wenn’s nicht passt, dann nicht. Sag ich einfach: nein danke, geht schon.
Dann hört die Hilfe auf.
Würde daraus aber jetzt keinen ganzen Gedanken formen wollen.
Nenn‘ mich da gern unkompliziert;)
Hier mal ausnahmsweise…
Denn wenn man ehrlich ist – hier Regeln definieren zu wollen, gänge zu weit, weil das schon sehr individuell ist.
Lieber Gruß
Ava
Haha genau das selbe dachte ich mir auch: womit man sich so alles beschäftigen kann… Ganz einfach: wenn es passt annehmen, wenn nicht dann nicht. Problem gelöst:-)
Wenn ich mich mit nichts mehr beschäftigen würde, hätte ich keinen Job mehr haha!
Mag sein, aber solche Artikel machen Dich (in meinen Augen) unsympathischer als Du wahrscheinlich bist…sich über freundlich gemeinte Hilfsangebote beschweren finde ich traurig….wie oben schon geschrieben, ein ‚Nein Danke‘ tut es doch auch…? Freu Dich doch, wenn es heute noch hilfsbereite Menschen gibt und schreibe stattdessen darüber…oder kommt nölen besser an? Feedback gibt’s ja offensichtlich, Sympathiepunkte eher nicht…
Ich wollte eine Nacht über den Artikel schlafen, nachdem ich ihn gelesen habe.
Jetzt, wo ich sehe, dass ich nicht die Einzige bin, die über so eine Armseligkeit, sich über angebotene Holfe aufzuregen, nur den Kopf schütteln kann-geht’s mir etwas besser.
Das ist wirklich das traurigste, was ich seit langer Zeit gelesen habe-weil es gut Gemeintes von Mitmenschen mit Füßen tritt.
Ja mag sein. Aber es gibt doch genug tatsächliche Probleme, mit denen ihr euch hier beschäftigen könnt. Ihr habt die Reichweite, so viele Leute auf Dinge aufmerksam zu machen, die wirklich wichtig sind. Und da gehören Hilfsangebote von Mann an Frau für mich echt absolut nicht dazu :-(
Ich finde auch, jeder darf sich doch darüber Gedanken machen, worüber er möchte. Und wenn du ein Bierbank-Dilemma hast, dann darfst du das auch teilen ^^ Also ich schmettere jetzt auch keinem Mann, der mir die Tür aufhält oder mir den Vortritt irgendwo lässt, meine gesammelten Werke der Emma in sein Gesicht (habe ich natürlich immer dabei), aber ich bin auch so frech und knickse nicht tief, nur weil mich ein Typ (der leider öfter am Gaffen ist als das er nur nett sein will) mal zuerst in die Bahn einsteigen lässt- Frauen mit Kinderwagen helfe ich nämlich öfter die Treppe hoch und runter als mancher Kerl. Aber seit ich regelmäßig Sport mache und in der Gastro arbeite, bin ich körperlich für meine Statur sehr belastbar und da wundert es dann schon manchen Kollegen oder Gast, wenn ich den Bierkasten alleine die Kellertreppe zum Lager hoch und runter schleppen kann. Dumme Kommentare prallen an mir ab, nette Angebote nehme ich an. Aber ich finde auch, oft ist der Helferwahn bei mir auch unangebracht und an anderer Stelle würde ich ihn mir für andere Leute wünschen. Ist aber leider und da bin ich dann gerne anti-feminist, auch manchen Damen geschuldet, die die Plastiknägel in die Luft heben und schreien: Schaaatz, mach du mal. Männer im ganzen Land sind immer noch skeptisch, wenn man sich die manikürten Hände auch mal schmutzig macht.Wir machen es den Männern aber auch nicht Recht :p Da bekomme ich direkt Lust, was über das Thema: Lächel doch mal zu schreiben…^^
Ich finde, es kann durchaus charmant sein, das Bierbanktragen einer Frau abzunehmen. Es kommt darauf an, wie es abläuft und wie man(n) seine Hilfe anbietet. Und je nach dem, wo die Bank hin soll und wie der Weg ist, kann man ja auch zu zweit tragen.
Ich habe es lieber so, dass Männer einmal mehr anpacken und helfen, als zu wenig. Vor ein paar Tagen habe ich eine Frau gesehen, die einen anscheinend schweren Koffer eine große Treppe hochgeschleppt hat und immer wieder eine Pause machen musste. Mehrere Leute, auch Männer, gingen an ihr vorbei. Niemand hat ihr geholfen. (Als ich in ihre Nähe kam, war sie bereits oben)
Ich kann das „Problem“ schon verstehen und ich trage grundsätzlich auch meine Dinge lieber selber etc., aber ich finde bei der ganzen Debatte um Gleichberechtigung ist dieser Punkt dann doch einer, bei dem man ruhig entspannter sein kann.
Letztens habe ich einem (mir unbekannten) Mann die Tür aufgehalten. Wir haben beide sehr gelacht.
Ja, ich unterschreib deinen Text absolut. Was mir in der letzten Zeit auffällt und die Sache nicht besser macht: Während früher für jeden Pups immer schnell eine helfende Männerhand zur Stelle war nimmt jetzt, wenn ich mit Kinderwagen oder Kind und schweren Dingen unterwegs bin, auf einmal kaum mehr jemand wahr dass ich tatsächlich mal Hilfe gebrauchen könnte. Tja.
Krass, ich wünschte mir würde mal Hilfe angeboten werden… habe die gegenteilige Erfahrung gemacht was ich ein paar Mal sehr gekränkt hat. Ich hab das Gefühl dass man als Frau heutzutage alles alleine schaffen muss- und das ist kein tolles erhabenes Gefühl wenn es konkret darum geht sich abzuschleppen oder hilflos vor einem Auto zu stehen dass nicht mehr anspringt.
Sehr guter Beitrag und schade, dass die Message bei manchen offensichtlich falsch angekommen ist. Anders kann ich mir die Kritik zumindest nicht erklären.
Grüße
Rebecca