Weltfrauentag. Das bedeutet heute vor allem, dass man vom Boss eine Rose bekommt, es Prosecco im Angebot gibt und dass Reiseunternehmen „Mädelswochenenden“ promoten. Er gesellt sich heute als Marketing-Event in eine Reihe mit Valentinstag und Black Friday – und steht rot im Kalender von Werbeunternehmen, die ihn als willkommene Gelegenheit nutzen, um unter dem Motto „Frauen feiern“ ein paar pink eingefärbte Sonderangebote „für Mädels“ springen zu lassen – und ihre weibliche Zielgruppe zu umschmeicheln.
Ein antisexistischer Kampftag
Unter dem Deckmantel der Wertschätzung werden so Geschlechterklischees vermarktet, somit erneuert und zementiert. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was sich die Frauen gedacht haben, die den Frauentag vor mehr als 100 Jahren initiiert haben. Denn der internationale Frauentag hatte eigentlich wenig damit zu tun, Frauen zu „feiern“ – erst Recht nicht in Form von Rosen und pinken Sonderangeboten. Er wurde als Kampf- und Streiktag von Frauen in der sozialistischen Bewegung konzipiert, die für Wahl- und Arbeiterinnenrechte einstanden – allen voran die deutsche Sozialistin Clara Zetkin. Er ist ein antisexistischer Kampftag.
Heute sind wir sehr viel weiter als zu Clara Zetkins Zeiten – daran besteht kein Zweifel. Am Ziel sind wir deswegen noch lange nicht. Dass der Frauentag auch ganze 109 Jahre, nachdem er zum ersten Mal stattgefunden hat, nach wie vor beinahe weltweit begangen wird – in Berlin ist er seit letztem Jahr sogar ein gesetzlicher Feiertag – zeigt deutlich, dass es immer noch ausreichend Anlass zum Streiken gibt. Gleiche Rechte für alle Geschlechter – sei es in Bezug auf Gehalt, Chancen oder Repräsentation – sind trotz Fortschritten nach wie vor weltweit Utopie. Sexismus sitzt immer noch in nahezu jeder Chefetage, jedem Parlament, jedem Pressehaus, jeder Schule, jeder Uni. Wir sind weit entfernt von sexueller Selbstbestimmung, es finden nach wie vor täglich Femizide statt, misogyne Männer beherrschen einige der größten Industrienationen der Welt und auch in unserem eigenen Bundestag sitzt eine Partei, die uns gerne in Schürze vorm Herd sehen würde. Der Frauentag sollte der Tag sein, an dem wir alljährlich so laut und klar wie möglich daran erinnern: Wir sind noch lange nicht am Ziel!
Rosen als Ablenkungsmanöver
Macht man sich diese Realität bewusst, dann wirken die obligatorischen Rosen zum Frauentag wie ein ziemlich zynischer Trostpreis. Klar, Blumen sind nett. Nur Monster mögen keine Blumen – unabhängig von Geschlecht. Mit wahrer Wertschätzung haben sie trotzdem meist wenig zu tun – vor allem, wenn sie von Menschen kommen, denen die Belange von Frauen die restlichen 364 Tage egal sind. Rosen ohne echte Solidarität zementieren nicht nur ein ziemlich staubiges Klischee – alle Frauen lieben schließlich Blumen, Schmuck und Handtaschen –, sondern wirken auch wie ein Ablenkungsmanöver. Und das gilt auch für das ganze Marketingkonzept des Weltfrauentages, dessen kämpferische Essenz gerne in Sonderangeboten, witzigen Werbegags und klischeehaften PR-Moves erstickt wird.
Es ist also heute wichtiger denn je, an den Ursprung des Frauentages zu erinnern und dafür zu sorgen, dass er nicht zum reinen Shopping-Event verkommt. Denn so lange Sexismus noch existiert, zählen Rosen nicht als Zeichen der Wertschätzung von Frauen. Strukturelle Veränderungen, Gleichstellungsmaßnahmen, Repräsentation und echte Solidarität hingegen schon. Es gibt einiges zu tun! Lasst uns genau das gemeinsam einfordern! Am 8. März, in eurer Stadt, bei der großen Demo zum Frauenkampftag.
Demos und Streiks zum Frauenkampftag 2020
BERLIN – 14h Leopoldplatz
BREMEN – 13h Goetheplatz
DORTMUND – 14h Friedensplatz
DRESDEN – 12h Altmarkt
ERFURT – 14h Hauptbahnhof
HALLE – 12.30h Universitätsring
HAMBURG – 15h Landungsbrücken
HANNOVER – 14h Hauptbahnhof
HEIDELBERG – 14.30h Bismarckplatz
KAISERSLAUTERN – 16h Markststraße
KOBLENZ – 14h Hauptbahnhof
KÖLN – 15h Roncalliplatz
LEIPZIG – 14h Karl-Liebknecht-Str./Kurt-Eisner-Str.
MANNHEIM – 11h Paradeplatz
MÜNCHEN – 13h Marienplatz
NÜRNBERG – 14h Lorenzkirche
REGENSBURG – 13h St. Kassians Platz
ROSTOCK – 14.30h Schillingallee
ROSTOCK – 14.30h Stadtmitte
STUTTGART – 11.30h Karlsplatz
WIESBADEN – 12.30h Hauptbahnhof
Bildcredits: Wikimedia / Unsplash
Eine Antwort zu “Kolumne: Heute will ich keine Rosen”
[…] einen ebenso an der Nase herumführen. Weil der Abklatsch doch nur eine Kopie des großen, nach Rosen riechenden Ideals ist. Welche Liebesbriefe, Konfekt und alles in Rot zum doppelten Preis anbietet. […]