Kolumne: Entscheidungsschwierigkeiten

11. April 2016 von in

Meine Waschmaschine ist kaputt gegangen. Von ein auf den anderen Tag wusch sie keine Wäsche mehr, haute aber in Sekundenschnelle meinen ganzen Strom aus dem Sicherungskasten. Waschmaschine aus, Licht aus. Der nächste Schritt: eine neue kaufen. Also rein in den Laden, zwei Maschinen angeguckt, die dritte genommen. 400 Euro in 5 Minuten für etwas sinnvolles ausgegeben, so erwachsen habe ich mich selten gefühlt.

„Wie du hast jetzt einfach so eine Waschmaschine gekauft?“ „Ja.“ „Du hast nicht überlegt?“ „Nein.“ „Auch nicht bisschen verglichen und mal gegoogelt?“ „Nein.“ „Krass!“

Ist das wirklich so krass, wenn man sich heute schnell entscheidet? Wenn man nicht erst Stunden, Tage, Wochen überlegt, ob man nicht doch vielleicht eine bessere Wahl treffen könnte? Wenn man sich „traut“, sich festzulegen – selbst bei den banalsten Dingen?

Ich entscheide schnell – folge meiner Intuition. Sei es beim Waschmaschinenkauf, bei einer neuen Tasche oder in emotionalen Dingen wie Liebe (Da vielleicht nicht ganz so schnell, aber eben auch). Ein „Ich weiß nicht, was ich will“ wird man selten hören. Und es scheint, als wäre ich damit in meinem Umfeld auf weiter Flur alleine.

Da wird wochenlang um die Traumtasche geschlichen, Alternativen rausgesucht und doch keine genommen. Bis der „Sold Out“ Button die Entscheidung abnimmt. Zufrieden ist dann trotzdem keiner. Da wird wochenlang der Mann gedatet, der ganz wundervoll ist, doch irgendwas passt dann doch nicht, eine Entscheidung für oder gegen ihn bleibt aus. „Wer weiß, vielleicht treffe ich doch noch wen, der besser passt.“ Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Es ist paradox – in einer Generation, in der wir Sekundenschnelle bei Tinder entscheiden, ob jemand uns „gefällt“, fällt es uns umso schwerer, Entscheidungen zu treffen, die uns direkt betreffen. Oder von langfristiger Natur sind.

Unsicherheit vor Klarheit. Wer keine Entscheidung trifft, macht ja auch nichts falsch. Und trotzdem auch irgendwie nichts richtig.

Der Duden sagt: Entscheidung bedeutet die Wahl einer von mehreren Möglichkeiten. Doch bleiben wir meist vor der Wahl der mehreren Möglichkeiten stehen. Wie ein Kind im Süßigkeitenladen, das nicht weiß, welche Süßigkeit es nehmen soll. Sind doch alle lecker. Das Problem: Wenn es sich nicht entscheiden kann, hat es am Ende gar keine.

Deshalb versuche ich persönlich, Entscheidungen klar zu treffen. Fur mich. Mt dem Wissen, dass keine der Entscheidungen in meinem Leben – gut ein Kind zu bekommen ist wohl das Einzige – nicht irreversibel ist. Die Tasche gekauft und doch ein Fehlkauf? Dann weiterverkaufen. Die Waschmaschine ist Mist – nächstes Mal überlege ich länger und beiße in den sauren Apfel. Der Kerl entpuppt sich trotz toller Kennenlernphase as Vollpfosten – dann wird das angesprochen und ein neuer Weg alleine eingeschlagen. Ich breche nichts übers Knie, wenn es beispielsweise von emotionaler Natur ist. Gleichzeitig kann ich nicht monatelang in Ungewissheit leben – ist das jetzt was Ernstes?

Ich brauche Klarheit statt Unsicherheit. Klarheit kann erlösend sein, aber auch mächtig hart. Dann, wenn man eine Entscheidung einfordert und diese gegen einen ausfällt. Dann wenn man sich endlich entschließt, etwas anzugehen und man merkt, es war der falsche Weg. Klarheit und Entscheidungen bedeuten aber auch Freiheit. Ich weiß, woran ich bin. Ich treffe Entscheidungen für mich. Hänge nicht ewig in der Luft, gedankenkreisend um die mögliche Entscheidung und der Frage: „Was soll ich bloß tun?“. Und mit dem Wissen, der neuen Tasche, der neuen Waschmaschine kann ich mich dann auch auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren: das Leben zu genießen.

Wer von euch braucht ewig für Entscheidungen? Und wem fällt es ebenfalls leichter?

Photocredit: Unsplash

 

Sharing is caring

16 Antworten zu “Kolumne: Entscheidungsschwierigkeiten”

  1. Ich brauche bei manchen Entscheidungen länger und überlege schon sehr genau. Für mich persönlich ist das absolut richtig so!!

    Ich habe gerade eine Spülmaschine gekauft und durch ein bisschen googlen habe ich mir knapp 100 Euro eingespart für das Modell, das ich haben wollte. Macht irgendwie Sinn, oder?

    Ich investiere die Zeit lieber vor einem Kauf als dass ich sie dann evtl. danach investieren muss fürs Weiterverkaufen – das raubt nicht nur Zeit, sondern auch noch Nerven. Ganz abgesehen vom finanziellen Verlust…

    Den Vergleich von Männern mit dem Kauf einer Waschmaschine finde ich nun wirklich nicht ganz passend. Entweder ich verliebe mich, oder eben nicht. Und wenn ich mich verliebt habe, dann brauche ich auch nicht mehr lange darüber nachzudenken… Ich jedenfalls.

    • Liebe Natalie,
      Absolut. Wenn ich mich verliebe, verliebe ich mich. Und dann denke ich auch nicht ewig mehr nach. Aber in meinem Umfeld will sich keiner mehr festlegen, sei es in der Liebe noch bei den kleinsten Dingen. Entscheidungen zu treffen fällt vielen schwer. Und natürlich macht es manchmal Sinn, sich länger mit dem Kauf einer Waschmaschine zu beschäftigen, manchmal zerrt es aber auch einfach an den Nerven und die erste Intuition ist genauso richtig. Liebe Grüße!

  2. Da gibt es diese interessante Differenzierung in „Satisficer“ und „Maximiser“
    s. auch http://gretchenrubin.com/happiness_project/2006/06/are_you_a_satis/ und das Buch von Barry Schwartz, auf das verwiesen wird.
    Bzw. http://www.wsj.com/articles/how-you-make-decisions-says-a-lot-about-how-happy-you-are-1412614997 etc.
    Ich bin jedenfalls auch ein Satisficer, kenne aber viele Maximiser, die aus jedem Essen gehen eine Dissertation machen – und dann auch nicht mehr oder weniger zufrieden sind als ich mit meinen schnellen Entscheidungen.

  3. Diese Feststellung kann ich gut nachvollziehen. Denn auch ich bin der Meinung, dass das ein „Phänomen“ unserer Generation ist. Unserer Generation der „Selbstoptimierung“. Und die beschränkt sich leider längst nicht mehr auf Beruf, Karriere und den Instagram-Feed, sondern eben auch auf unsere zwischenmenschliche Beziehungen. Interessant nachzulesen in „Das Ende der Liebe: Gefühle im Zeitalter unendlicher Freiheit“ von Sven Hillenkamp.

    • Liebe Laura,
      vielen Dank für deinen Kommentar. Ich bin immer wieder erschrocken, wie schwer es Leuten fällt, sich festzulegen. Aus Angst vor was eigentlich? Ich versuche wirklich meinen Gefühlen zu folgen und nicht dem Wahn der Selbstoptimierung zu verfallen. Danke für den Buchtipp, wird gleich bestellt.

  4. Danke danke danke, für diesen wunderbaren Artikel. Mir geht es ganz ähnlich. Klar, vergleiche ich auch mal und überlege, trotzdem nehme ich mir nie „zu viel“ Zeit.
    Ich kenne es selber aus meinem Umfeld, bzw auch entfernterem Umfeld. Ein Phänomen der Zeit vielleicht. Aber niemand möchte sich festlegen und es scheint heutzutage ganz chic zu sein, es nicht zu tun. Ich finde den Vergleich mit der Waschmaschine und der Liebe nämlich nicht so abwegig, wie man so schnell behaupten mag. Es ist mehr dran, als man denkt.
    Manchmal muss man einfach machen, und wenn man hinfällt, geht man eben den anderen Weg, oder einen noch völlig neuen. Aber sich alles offen lassen zu wollen, das schränkt einen am Ende mehr ein, als man glaubt.
    Viele liebe Grüße

    • Liebe Isa,
      gern geschehen :) und danke für deinen wunderbaren Kommentar.
      Ja, ich stürze mich wie gesagt auch nicht Hals über Kopf in irgendetwas oder kaufe völlig unüberlegt nach dem Motto „Was kostet die Welt?“ Aber ich scheue keine Entscheidungen. Und manchmal muss einfach was wagen, um auch zu gewinnen. Wenn es dann doch nicht klappt oder man merkt, das war nicht der richtige Weg, biegt man eben neu ab. Alles offen zu lassen, keine Entscheidung treffen, schränkt tatsächlich ein und bremst einen auch.
      Viele liebe Grüße!

  5. Finde ich super! Ich gehöre auch zu den Leuten, die sich schnell entscheiden. Alles andere macht nur unzufrieden. Und Ungewissheit kann ich auch nicht aushalten, da bin ich ganz bei dir. Ich brauch geklärte Zustände.;)

    lg,
    Sarah

  6. Ach ja… ich glaub als Kind im Süßigkeitenladen ist mir die Entscheidung sogar leichter gefallen :D
    Ich bin jemand, der ewig rumüberlegt, 20 Meinungen einholt und am Ende weiß ich gar nicht mehr, was denn jetzt überhaupt meine Meinung war. Dann sitze ich da, verzweifle und höre schlussendlich in 90 Prozent der Fälle doch auf meinen Bauch, der von Anfang an wusste, wie ich mich eigentlich entscheiden will. Aber ihm wirklich zu vertrauen, das muss ich noch lernen… Hut ab, dass das bei dir schon so gut klappt, liebe Antonia. Ich finde das nicht „krass“, sondern ziemlich bewundernswert :)
    Alles Liebe,
    Kathi

    • Liebe Kathi,
      vielen Dank für deinen Kommentar. Tatsächlich ist es meist so, dass der Bauch einem schon sagt, was die richtige Richtung wäre. Viel Erfolg beim Vertrauen lernen :) Alles Liebe, Antonia

  7. guter text!
    ich hänge mit entscheidungen eher etwas nach. oft betrifft es dinge, aber auch entscheidungen für’s leben. manchmal sollte alles nicht so furchtbar ernst genommen werden und damit etwas mehr leichtigkeit in den alltag kommen.
    nur bei wirklich emotionalen themen habe ich bisher kein ständiges hin und her erlebt.

    • Liebe Sophia,
      ja, es wird leichter, wenn man Entscheidungen fällt. Als wenn man ständig überlegt, ob das nun die richtige ist.
      Bei emotionalen Dingen überlege ich auch nie hin und her, das fühlt man. Aber viele in meiner unmittelbaren Umgebung trauen sich nicht mehr, „nur“ auf das Herz zu hören.
      Liebe Grüße!

  8. Liebe Antonia, ich stimme dir grundsätzlich schon zu, bei der These, dass es verschiedene Typen der Entscheidungsfindung gibt. Ja! Aber: Das ist meines Erachtens keine neue Entwicklung. Gab es schon immer! Was sich verändert hat sind die Rahmenbedingungen, innerhalb derer Entscheidungen getroffen werden. Fällt doch eine „falsche“ (gibt es meinem Gefühl nach eh nicht) Entscheidung stets auf den zurück, der sie getroffen hat. Bin ich Lehrer geworden, weil mein Vater das so wollte, trage ich ja viel weniger die Verantwortung als bei dem selbst gewählten Kunststudium. (Yes, lass uns in Stereotypen reden.) Jedenfalls ist Tinder schon ein verantwortungsloses Raum und deswegen die Entscheidungsfindung denkbar leicht. Alles andere ist Typsache – war es aber schon immer irgendwie.

    • Liebe Elli,
      ja, das stimmt, die Typen der Entscheidungsfindung gab es schon immer. Aber ich glaube trotzdem, dass es extremer geworden ist, in der Wankelmütigkeit. Ich merke, wie viele in meinem Umfeld durch die angestrebte perfekte Selbstoptimierung sowie der grenzenlosen Möglichkeiten und Schnelllebigkeit nicht mehr fähig sind, Entscheidungen zu treffen. Und seien sie noch so einfach. Klar, wenn die beispielsweise die emotionalen Gefühle stimmen, weiß man das. Aber viele lassen das ja gar nicht mehr zu, die Entscheidung zu einem dritten Treffen kommt einem Staatsakt gleich, denn mit dem dritten Date legt man sich ja gewissermaßen auch schon wieder fester als beim ersten und so weiter. Tinder – gebe ich dir völlig Recht – ist verantwortungsloser Raum, für ein Thema was eigentlich eine größere Aufmerksamkeit braucht, als einen Wisch. Aber das ist ein ganz anderes Thema ;) Liebe Grüße!

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Absenden des Kommentars bestätigst Du, dass Du unsere Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen hast.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner