Kolumne: Closing Doors

18. September 2016 von in

Die Lichter gehen an, plötzlich scheint der Boden, der ganze Raum verwandelt. Die Uhr zeigt fünf Uhr morgens an. „Los, Zeit zu gehen“, rufen wir uns zu und stolpern zu den Klängen von Piano Man aus der Tür raus. Der Tag bricht langsam an, die ersten helleren Lichtstrahlen erheben sich über der Baaderstraße. Die Stille der Nacht fühlt sich plötzlich wie ein anderes Universum an. Den Kokon verlassen, wollen wir trotzdem alle noch nicht heimfliegen. Also reden wir, lachen, verabreden uns für die nächste Woche. Bis wir dann doch alle, alleine oder zusammen, davon fliegen.

Ich komme ursprünglich vom Land. Aus einer Kleinstadt mitten in Oberbayern. Freitags ging es für uns immer in denselben Club. Die Auswahl ließ auch gar nichts anderes zu. Gab ja nur einen. Das macht es ziemlich einfach. Bei Freunden vorher treffen, fertig machen, und los geht’s. Das war der wöchentliche Ablauf. Im Club selbst kannte man mindestens die Hälfte. Denn wenn eine Kleinstadt feiern geht, dann im selben Club. Kleinstadt-Gesetz. Das ist bis heute so. Nur das mich dort keiner mehr kennt.

In München war das erstmal anders. Neue Leute an der Uni, Münchner, Zugezogene. Die einen hatten ihre Stammclubs, die anderen wollten alles ausprobieren. Also sprang ich von Uniparty über Ausflüge ins P1 (muss man mal gewesen sein), der 089 Bar (eher nicht) und der Milchbar ins Atomic Café. Zwischendrin immer wieder auf Konzerte, später immer mal ins Cord und verschiedene Bars. Und dann stolperte ich irgendwann ins Netzer & Overrath. Ein kleiner Indie-Club. Erst waren es ein paar Abende, irgendwann jedes Wochenende.

Wer in einer Großstadt lebt, hat erstmal alle Möglichkeiten. Heute hier, morgen dort. Am Ende landen dann aber doch alle in ihrem Viertel, in ihrer liebsten Bar, oder aber in jenem einen Club. „Wenn ich in einer Großstadt leben würde, würde ich jedes Wochenende eine andere Bar ausprobieren“, heißt es dann von Besuchern. Ja, am Anfang. Später findet man eben doch seine Base. Sein Wohnzimmer, in dem man sich wohl fühlt, in dem man weiß, was und vor allem wer einen erwartet.

Vielleicht ist das nicht bei jedem so, ich persönlich liebe es, wenn ich diesen einen Ort habe, an dem ich weiß, hier wird es gut. Egal, zu welcher Uhrzeit, ich treffe immer wen, den ich kenne. Ich weiß, welche Musik gespielt wird, kenne die Barcrew und irgendwie fühlt sich alles ein bisschen wie Heimat an. So wie damals im Dorf. Nur, dass man sich hier eben nicht den besten Club für sich selbst aussuchen konnte. Womöglich bin ich doch noch mehr Landkind als ich dachte.

Irgendwann sind wir also reingestolpert in den Club. Erst mit den besten Freunden, später wurde die neuen Freunde einfach immer mitgeschleift. Nach und nach kannten wir dann die Barcrew, sahen DJs kommen und gehen, lernten neue Leute kennen. Die Freitagabend-Nachricht „Sehen wir uns heute Abend dort?“ war irgendwann nur noch Alibi. Wer nicht auftauchte, erhielt Fragezeichen. „Wo bist du?“ „Das kannst du nicht bringen!“ „Wir vermissen dich.“
Wir haben gelacht, getanzt, geknutscht, uns verliebt, entliebt, ernste und nicht so ernste Gespräche geführt, Herzschmerz überwunden, großartige Nächte erlebt und Freunde fürs Leben gewonnen.

Als wir gestern alle gemeinsam rausstolperten, war es das letzte Mal. Loslassen ist nicht meine Disziplin, und während ich das noch dachte, rief von hinten jemand Hesse’s Zitat: „Jedem Neuanfang liegt ein Zauber inne.“ Tatsächlich. Ich nehme diesmal ganz viel mit. Wunderbare Erinnerungen. Und vor allem wunderbare Menschen. Wir brauchen jetzt nur ein neues Wohnzimmer. Und Umzüge sollen ja hin und wieder ganz erfrischend sein.

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4 Antworten zu “Kolumne: Closing Doors”

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