Killing me soft-lie: Dating zwischen Soft Life und Soft Boys
Bild via Pixaby
Was sie tat. Als „zu gut“ zu gut für den Moment war und ich erst nach einem Jahr rekonstruieren konnte, dass man manchmal mehr will, als man gerade kann, wenn man ehrlich zu sich wäre. Dadurch Realitäten erschafft, die wie ein Sommernachtstraum wirken, aber weder Hand noch Fuß haben – so schön, so fragil, die Liaison mit den Soft Boys.
Was genau diesen Dating-Stereotypen ausmacht und wie das ganze Phänomen mit dem Sof-Life-Trend zusammenhängt, habe ich in diesem Zuge für euch entschlüsselt.
@jessicafirlej Lasst das ➕verschwinden. #fboysbelike #futurefaking #dating2022belike #softboys ♬ Dangerous – Jah Prayzah
Die Soft-Boy-Masche oder auch Fuckboys Reloaded
Der Soft Boy, der als Gegenpol zum kühlen und immer starken Alpha gesehen werden kann, ist ein Stereotyp, der weder Angst vor seinen Gefühlen noch vor der Verantwortung für eine andere Person hat. Quasi all das, wovon man sich ganz oft viel mehr wünschen würde: Er ist emotional intelligent, aufmerksam, fürsorglich und gibt einem ganz allgemein ein ziemlich gutes Gefühl. Fast so, als hätte man Prince Charming getroffen. Doch dann gibt es da noch eine Unterkategorie: Die Soft Boys, die sich all die positiven Attribute zu eigen machen und daraus eine Masche bilden. Sie nutzen die Wünsche und Bedürfnisse, die viel mit Comfortrecieving zusammenhängen für eine kurze Zeit (quasi als Testlauf), nur um diesen dann ordentlich gegen die Wand zu fahren.
Das ist der entscheidende Moment, indem der Soft Boy realisiert, dass er zwar all das will, was im Beipackzettel zum Thema verbindliches Commitment steht – aber eben nicht so richtig. Vielleicht ist es die Angst vor Gefühlen, davor (zu viel) Verantwortung zu übernehmen oder die Skepsis gegenüber oft wenig rational erklärbaren Emotionen. Das Ergebnis ist immer das gleiche: „Zu gut“ wird zu gut für den Moment und der einfachste Weg da raus führt durch die Tür. Still und heimlich. Oder ganz schön plötzlich mit Kontaktabbruch – wie es mir damals passiert ist. Zeitgleich zu diesem Dating-Phänomen etabliert sich ein weiterer Trend, der sich ebenfalls mit dem Attribut „soft“ brandet: Das Soft Life, was Comfort(-recieving) zum Mittelpunkt macht und uns dazu animieren möchte gesunde Beziehungen zu sich selbst und mit anderen zu führen.
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Entering the Soft Life Era
Post-Lockdown sind vor allem in den sozialen Ebenen viele sogenannte „vibe shifts“ zu beobachten, die sich alle daran orientieren, die eigenen Prioritäten zu hinterfragen. Denn uns wurde vor Augen gehalten, wie endlich das Leben sein kann und dass jeder Moment genutzt werden will. Die Produktivität aka Hustle Culture wird hinterfragt und eine Reihe an Trends und Lebensmodellen, die sich dagegenstellen, tauchen vor allem in den sozialen Medien auf. Zum Beispiel auf TikTok. Dort befinden sich gerade viele User:innen auf dem Weg in ihre sogenannte Soft Life Era, die als Wellness-Approach in andere Bereiche des Lebens überschwappt. Per Definition geht es darum, ein Mindset mit Fokus auf Ruhe und Ausgeglichenheit zu erreichen. Aka „Intentional Happiness“, die ohne irgendwelche Struggles und Stress auskommt.
Hauptaugenmerk liegt also auf gesunden Beziehungen, Klarheit und Selfcare und verdeutlicht noch einmal den Anspruch des als Gegenbewegung zum Grind gedachten Trends. Konkret wird das Soft Life im eigenen Alltag etabliert, indem man das eigene Wohlbefinden priorisiert. Also den Alltag romantisiert und ganz nach dem bestmöglichen Enjoyment ausrichtet. Das beginnt damit, Entscheidungen zu treffen, die das Leben einfacher machen und sich klar von toxischen Verhaltensweisen und Mustern distanzieren. Allgemein soll das Soft Life so die eigene Produktivität fördern und helfen, gesunde Grenzen zu setzen. Eigentlich ganz sinnvoll diese Idee davon, die eigenen Bedürfnisse nicht hinten anzustellen und eine Balance im eigenen Leben zu forcieren.
Ist Kümmern eine Abhängigkeitsfalle?
Doch zeitgleich zu dem Wellness-Approach zeichnet sich eine Unterkategorie des Soft Life ab, die den Ansatz aufs Dating bezieht. Das klingt erstmal ganz gut: eine harmonische Beziehung ohne Drama, Sorgen oder Verlustängste. Doch die Soft Life Idee spielt mit der Idee von der Aktivierung der „feminine Energy“. Konkret bedeutet das sich in einer Paar-Dynamik unterzuordnen und in einem konservativen Selbstverständnis von klassischen Frau-Mann-Rollenbildern zu leben. In der Stabilität und Fürsorge (emotional und finanziell) von einem (cis hetero) Partner gewährleistet wird, der sich um alles kümmert und einem das Leben erleichtert – also ganz schön „soft“ erscheinen lässt. Klingt wie in den 50ern und wie ein Rückschritt in der Genderdebatte. Denn die daraus entstehende Abhängigkeit schießt schnell über das Ziel, eine harmonische Beziehung auf Augenhöhe zu führen, hinaus.
Die Vorstellung des Soft Lifes beruht letztendlich nämlich darauf, dass der Mann der Versorger ist – eine schöne und bequeme Vorstellung, doch die hat wenig mit Unabhängigkeit (und Gleichberechtigung) zu tun. Und genau das macht diesen Trends zu einem zweischneidigen Schwert – mit klar verteilten Positionen, die ein ungleiches Machtverhältnis herstellen. Während es beim Soft Life im Generellen also um das eigene Wohlbefinden und ein Neudenken des Wertesystems geht, wirkt der Datingtrend wie ein ziemlicher Rückschritt: Passiv werden, Verantwortungen abgeben und sich leiten lassen. Nicht ganz risikofrei, wenn wir bedenken, dass zum Beispiel alleinerziehende Frauen mit Kindern sehr oft von Armut betroffen sind. Oder Frauen nach einer Trennung oft ohne Rente dastehen.
But y’all know what you want. Very loudly: „I want a man that spoils me“, „I want a woman that submits“, „I want a fit body“. What are you willing to give? Nothing. You are just manifesting, hoping someone will rescue you. Professional manifester!
— T. R. Okuna (@XivTroy) January 14, 2021
Gender Gaps und Dating-Lügen
Wie passt dieses Mindset zu einem modernen Lifestyle, in dem das Ziel ist, mit den Gender Gaps zu brechen und verankerte Systeme anzugleichen? Ähnliche Bedenken wurden auch in einem Twitter-Thread zu diesem Thema geäußert: “Es herrscht die Erwartung, dass die Beziehung einen vor den eigenen Unzulänglichkeiten rettet und einem Bestätigung gibt. Während zeitgleich versäumt wird, an sich selbst und dem eigenen Selbstwertgefühl, Selbstliebe und sozialer Verantwortung zu arbeiten”. Quasi also das berühmte Warten auf den Ritter in weißer Rüstung, Prince Charming – oder vielleicht einen Soft Boy? Der einem zwar das Soft Life Gefühl vermittelt, Prioritäten zu setzen und gesunde Beziehungen zu führen, aber ganz schnell weg ist, wenn es dann wirklich ernst wird. Weil auch er es irgendwie versäumt hat, an sich selbst und seinen persönlichen Baustellen zu arbeiten. Ziemlich blöd eigentlich: Macht also dieses Verhalten, das Versprechen vom „Weg des geringsten Widerstandes“ zu einer ganz großen Dating-Lüge?
Killing me soft-lie
Was also tun? Ein Soft Life leben mit jemandem, der sich kümmert und einem möglichen Risiko, die eigene Unabhängigkeit an den Nagel zu hängen und sich darin zu verlieren? Oder immer aufs Neue an vermeintliche Soft Boys zu geraten, deren Worte so wackelig sind, dass einem schwindelig wird? Irgendwie ist das wie in diesem Song. „Killing me softly“. Der von einer jungen Frau handelt, die versucht, ihren Platz da draußen zu finden. Einen, an dem sie gehört und wertgeschätzt wird. Ohne von jemand anderem bestimmt zu werden oder sich in einer Illusion zu verlaufen. Zwischen „killing me softly with his voice“ und einem „telling my whole life with his words“ zu sein ist nun mal ähnlich berauschend, wie im Stau vor der nächsten Ausfahrt zu stehen. Man kommt nicht voran.
Wir Scheitern an den immer gleichen Dynamiken
Natürlich ist es nicht verkehrt, softer mit sich selbst und anderen zu sein, aber zeitgleich sollte man eben auch auf sich selbst und die eigene Energie aufpassen. Ein essenzieller Punkt, den wir alle aus den ganzen Wellnesstrends mitgenommen haben sollten. Und ich glaube, das Problem, das sich hier abzeichnet, ist simpel und alt: fehlende Augenhöhe. Als cis hetero Frauen versuchen wir uns immer noch in einer Männerwelt zu behaupten und uns deren Lebensmodellen immer mehr anzugleichen. Genau das ist gemeint, wenn die Soft-Life-Gurus von den Geschlechterenergien sprechen.
Vielleicht sollte man viel eher versuchen, Dating-Strategien, Geschlechterenergien und Gender-Rollen hinter sich zu lassen. Und weder vom Partner erwarten, sich um alles zu kümmern, als auch die eigene Selbständigkeit aufgeben zu müssen, um einer Lebensphilosophie gerecht zu werden. Was wir also brauchen ist eine Datingkultur, bei der sich alle in der Mitte treffen, weit weg von Phänomenen und Trends, die genau das erreichen wollen, aber letztlich immer wieder an den gleichen Dingen scheitern: dass wir uns selbst dabei verlieren, wenn wir uns zu sehr verstellen, um (Tiktok-)Regeln zu folgen.