Kennzeichnung von Werbung: von festen Regeln und offenen Fragen
„Das Selbstbild des Mädchens von nebenan wäre glaubwürdiger, wenn du deine Kleidung, die du selbst gekauft hast, markieren würdest in deinen Posts – und nicht nur die gesponserte“ – das ist eine von mehreren Anmerkungen, die Caro Daur im wohl meistkommentiertesten Artikel unserer Filterbubble unkommentiert ließ. Eine der Anmerkungen, die zwar unverhältnismäßig gehässig gestellt wurden, aber die etwas ins Rollen gebracht haben. Die Diskussion um die „Daur-Werbesendung“, die erste Abmahnung eines YouTubers in Höhe von 10500 Euro und die über alles schwebende Gerüchtewolke über bald drohende Abmahnwellen haben etwas ausgelöst, was längst hätte passieren sollen: Blogger und Influencer fangen an, sich Gedanken über Werbekennzeichnung zu machen.
Plötzlich sehen Blogs und Instagram-Accounts dadurch ganz anders aus als früher. Über jedem einzelnen Artikel auf carodaur.com prangt heute groß das Wort „Advertisement“, während die Posts noch vor ein paar Wochen den Anschein machten, bloße Reisetagebücher oder die wirklich echte Beauty-Routine zu zeigen. Und Instagram-Accounts, die uns früher harmlos auf Reisen, in Restaurants oder in die eigenen vier Wände mitnahmen, fallen plötzlich als Anreihung einer [Anzeige] nach der anderen ins Auge.
Ja, etwas ist ins Rollen geraten, und während wir Anfang des Jahres noch vermuteten, „tatsächlich wäre wohl fast jeder Snap der großen Blogger und Influencer eine Werbemaßnahme. Sei es ein PR-Sample, eine Presse-Einladung für eine schöne Reise oder auch eine gekaufte Kooperation“, ist genau das nun oftmals klar erkennbar. Ob die Beweggründe nun die Angst vor Abmahnungen oder der Wunsch nach mehr Transparenz für die Follower waren ist letztendlich egal, denn die Hauptsache ist, die Transparenz ist endlich da. Und ob es einen stört, einem Account mit ausschließlich Werbebeiträgen zu folgen, kann nun jeder noch besser als früher für sich entscheiden. Werbung ist schließlich in Zeiten von Influencer Marketing absolut nicht mehr gleichzusetzen mit nerviger Fernsehwerbung, die am liebsten vorgespult werden würde – richtig ausgewählt und umgesetzt können Kooperationen im besten Falle einen noch größeren Mehrwert für die Leser und Follower haben als nicht-gesponserte Beiträge.
In all der Aufregung und der oft ängstlichen Dauer-Kennzeichnung von allem, stellt sich momentan allerdings vor allem eine Frage – auf allen Seiten: Wie kennzeichnet man denn nun richtig? Und was sind die einheitlichen Lösungen? Ich habe mich in der letzten Zeit mit Medienrechtlern unterhalten, Bücher gewälzt und unzählige Artikel zum Thema gelesen – einen Blick wert ist auch dieser Leitfaden der Medienanstalten. Hier nun also der Versuch einer Aufstellung und Einschätzung, was wie gekennzeichnet gehört und was nicht – jeweils gefolgt von offenen Fragen, die sich daraus ergeben und nicht klar geregelt sind!
Werbung kennzeichnen – feste Regeln bei bezahlten Beiträgen
Sobald Geld geflossen ist, muss der Beitrag als Werbung gekennzeichnet werden. Das steht außer Frage – egal ob auf dem Blog, auf Instagram oder auf Facebook. Auf Websites sollte unter dem Beitrag ein Hinweis in Form von „Kooperation mit/in Zusammenarbeit mit/Bezahlter Beitrag von“ oder einer ähnlichen Formulierung stehen, allerdings sollte auch schon von Anfang an erkennbar sein, dass es sich um einen bezahlten Beitrag handelt. Deshalb erkennt ihr Kooperationen bei uns seit einiger Zeit auch schon auf der Titelseite und im Header an der Kategorie „Sponsored“.
Auf Instagram haben sich Hashtags wie #werbung oder #sponsored etabliert. Medienrechtler raten davon ab, da sie oft in der Fülle der Hashtags untergehen und nicht auf den ersten Blick gesehen werden – besonders gilt das für den Hashtag #ad. Eine Hervorhebung der Kennzeichnung ist ratsam, sie könnte zum Beispiel durch eckige Klammern erfolgen: [Werbung] oder [Anzeige] etablieren sich gerade im deutschen Markt. Ähnliches gilt für Facebook, wenn sonst keine Hashtags verwendet werden, fällt auch ein #werbung genug auf und ist eine empfehlenswerte Form der Kennzeichnung. Wie geht man allerdings vor, wenn ein Instagram-Post bezahlt wurde, ich das Produkt aber immer mal wieder auf einem Instagram-Bild zeigen möchte?
YouTube ist in Sachen Werbung ein noch heikleres Feld, weil wir uns bei Videoformaten am Telemediengesetz orientieren müssen, das besonders klare Richtlinien zum Thema Schleichwerbung vorsieht. Ein bezahltes Video muss von Anfang an als Werbung kenntlich gemacht werden – am besten in Form einer dauerhaften oder immer wieder vorkommenden Einblendung – das gilt übrigens auch für Insta-Stories! Mit „Dauerwerbesendung“ ist man auf der sicheren Seite, „Werbung“, „Anzeige“, „Kooperation mit“ oder „Bezahlter Beitrag von“ sind weitere Möglichkeiten.
Produktplatzierungen und Giftings
Schwieriger und schwammiger wird die Angelegenheit nun bei Produkten, die man bekommen hat, während kein weiteres Geld geflossen ist. Hier gibt es verschiedene Formen des „Giftings“, die unterschieden werden müssen. Muss ich einen Post als Werbung kennzeichnen, wenn mir der Lippenstift unaufgefordert zugeschickt wurde und mir so gut gefällt, dass ich ihn freiwillig zeigen möchte? Und ist es nicht sogar schon Werbung, wenn ich selbst gekaufte Produkte zeige und empfehle? Verwirrt es meine Leser, wenn ich schlichtweg jede Produktempfehlung als Werbung kennzeiche, und wird mir dann nicht nachgesagt, mich nur noch kaufen zu lassen? Wie gehe ich vor, wenn ich ein Produkt kaufen und darüber schreiben möchte, davor bei der zugehörigen PR-Agentur anfrage und es als Sample zur Verfügung gestellt bekomme, wie ich es bei den meisten Beautyprodukten handhabe, die ich in Artikeln und Videos zeige?
Auf diese Fragen gibt es schwer eine allgemeingültige Antwort. Haben wir uns bewusst Produkte ausgesucht und zeigen diese auf dem Blog, kennzeichnen wir sie mit „thanks to xy“ und erwähnen im Text, dass wir uns das Produkt aussuchen durften. Reicht die Kennzeichnung hier einmalig, mehrmals oder muss sie jedes Mal erfolgen, wenn wir ein Teil zeigen, weil wir es dauerhaft so gerne tragen? Und ist eine Besprechung eines Produktes, das ich mir selbst gekauft habe, weniger Werbung als wenn ich genau dieses Produkte kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen habe?
Pressereisen
Bei Reisen, auf die man ohne festgelegte Gegenleistung und ohne Bezahlung eingeladen wurde, gehört genau das unter der Berichterstattung kommuniziert, bei bezahlten Reisen natürlich ebenfalls. Wie hält es sich aber mit den zugehörigen Instagram-Posts, wenn es sich um einen Festpreis für die Teilnahme und alle Berichterstattungen handelt? Muss unter jeden Instagram-Post und in jede Story der [Werbung]-Hinweis, reicht es einmalig oder mehrmals zwischendurch?
Affiliate Links
Mittlerweile so etabliert, dass sich kaum noch jemand darüber Gedanken macht – oder? „Einzelne Artikel können Affiliate-Links enthalten“ in der Datenschutzerklärung reicht rechtlich dafür aus, Affiliate Links auf der ganzen Website zu verwenden. Natürlich könnte man aber auch jeden einzelnen Affiliate-Link, also jeden Link, durch den wir bei einem nachfolgenen Kauf Provisionen erhalten, als einen solchen kennzeichnen – das wäre bei uns, und auch bei vielen anderen Blogs, so gut wie jeder Link auf ein Produkt, da wir über unsere Affiliate-Plattform Rewardstyle mit fast jedem für uns relevanten Onlineshop verknüpft sind. Wie sieht es außerdem auf Instagram aus, mit Links in Insta-Stories? Werden selbst gekaufte Produkte, die mit Affiliate-Links versehen werden, wieder zu Werbung, die auch als Werbung gekennzeichnet werden muss?
Viele Fragen
Ja, es gibt feste Richtlinien, an die sich schon lange jeder halten sollte, und an die sich glücklicherweise immer mehr Blogger und Influencer halten. Aber mit jeder Richtlinie tauchen unzählige neue Fragen auf, auf die es keine klaren Antworten zu geben scheint – am Ende kommen wir wieder bei der Anfangsfrage an Caro Daur an, die aufgefordert wurde, jedes Teil, das sie trägt, auf Instagram zu kennzeichnen – auch, wenn es selbst gekauft wurde. Influencen ist schließlich Werbung, oder? Genau hier liegt das Problem, denn mit dem Bloggen über Konsumgüter bewegt man sich von vornherein ständig im Feld der Werbung, was allerdings ein großer Faktor und Grundgedanke des Modebloggens ist und nie wegzudenken sein wird. Wichtig ist dabei nach wie vor die Authentizität, die mit einheitlichen Regeln erreicht werden könnte – wenn diese Regeln sich auch irgendwann einheitlich etablieren würden.
Am Ende zählt die Transparenz zu euch Lesern – vielleicht habt ihr ein paar Einschätzungen und Antworten auf die vielen offenen Fragen?
3 Antworten zu “Kennzeichnung von Werbung: von festen Regeln und offenen Fragen”
Natürlich möchte man als Leser Transparenz haben. Und dafür binich euch dankbar ;) Andererseits, als bewusster Follower, weiß man ja, dass die meisten Sachen gesponsert/Werbung usw. sind.
Ich arbeite in einem Start-Up. Sitze im Raum neben der SEO-Offpage-Abteilung, die den ganzen Tag nur Linkkooperationen aufbauen, die einfach nur auf ungekennzeichnete Follow-Links abzielen. Auch wenn viele bekannte Blogger für die Transparenz bereit sind, ist der Markt an sich es leider noch lange nicht.
[…] Thema schlägt gerade ordentlich Wellen in der Instagram-Welt. Die Mädels von amazed haben einen super ausführlichen und informierenden Beitrag zu diesem Thema geschrieben – und stellen sich genau dieselben offenen Fragen, wie ich […]
[…] um. Ja, auch ich wünschte mir, das Schönheitsideal sei anders, Texte mehr wert, eine Kennzeichnung von Werbung längst Pflicht sowie die Reichweite mit mehr Verantwortungsbewusstsein verknüpft und […]