Wie mir die Kaisergeburt half, mit dem Kaiserschnitt Frieden zu schließen
In diesem Text geht es um die Geburt meines Kindes.
Wenn dich die Themen Schwangerschaft, Geburt oder Kinderwunsch gerade belasten, ist dieser Artikel vielleicht gerade nichts für dich.
Ich streiche über den dünnen Strich, der sich seit drei Wochen quer über meinen unteren Bauch zieht. Die Narbe fühlt sich zart an, die Haut juckt ganz leicht, weil hier immer noch einiges verheilt, alles drumherum ist teilweise noch taub. Der Strich ist neu auf meinem Bauch, wird mit der Zeit immer unscheinbarer werden, und mich doch immer begleiten. Durch diesen Strich wurde meine Tochter geboren. Und auch, wenn das überraschend für mich kam, bin ich heute wahnsinnig dankbar für den Weg, wie sie geboren wurde, den Kaiserschnitt.
Mitten in meiner Schwangerschaft kam ich plötzlich ins Krankenhaus, 10 Tage lang wurde versucht, herauszufinden, was ich habe. Eine Schwangerschaftskomplikation, die mit Glück danach wieder weggehen wird, und die mit viel Pech auch auf das Baby übergehen kann. Monatelang begleiteten mich ab diesem Zeitpunkt die Sorgen. Jeden Tag war ich dankbar für jede Regung, die ich in meinem Bauch spürte und die mir sagte, das Baby ist noch da und ihm geht es gut. Alle paar Wochen ein intensiver Ultraschall, alle paar Wochen mehrere Tage Infusionen im Krankenhaus. Und nach kurzer Zeit schon die Aussicht: Ein geplanter Kaiserschnitt ist aus verschiedenen Gründen der sicherere Weg für das Baby und auch für mich.
Einen Kaiserschnitt hatte ich früher immer als irgendwie einfacheren, aber sterilen und unsinnlichen Geburtsweg im Kopf abgespeichert. Was eine so große Bauch-OP für Risiken und Folgeschmerzen mit sich bringt, wusste ich nicht, hatte nur eine vage Ahnung, dass ein Kaiserschnitt für Mutter und Kind nicht unbedingt der beste Weg wären – ob das nun wirklich so ist oder viel davon ein Mythos, weiß ich bis heute nicht. Nie hatte ich jedenfalls darüber nachgedacht, dass dieser Weg mal für mich infrage käme. Eine vaginale Geburt war immer das Bild, das ich für mich im Kopf hatte. Diese gewaltige Erfahrung, die im besten Fall mit dem magischen Moment endet, dass das Baby auf der Brust liegt, die Nabelschnur in Ruhe durchschnitten werden kann und nur noch Zeit für Nähe ist.
Diesen Moment, von dem meine Eltern mein Leben lang erzählten, wollte ich so gerne auch erleben.
Dass jetzt ein Kaiserschnitt mein Weg sein sollte, fühlte sich also erstmal traurig, gleichzeitig aber auch ein Stück weit erleichternd an. Viel zu groß waren meine ständigen Sorgen um das Baby, ein Kaiserschnitt also vielleicht der unkomplizierteste Weg, mein Kind auf die Welt zu bringen. Im ersten Moment fiel also ein bisschen Angst von mir ab, Angst vor dem Kontrollverlust der natürlichen Geburt, die so unberechenbar sein kann. Diese Erleichterung hielt aber nur bis zum Aufklärungsgespräch, nach dem mir immer wieder die Tränen kamen.
Eine Ärztin hatte mir kurz und knapp den Sectio-Ablauf erklärt, nach dem Aufschneiden würde das Baby zur Untersuchung gebracht und komme dann mit dem Vater in den Nebenraum. Zwar eine schöne Vorstellung, dass mein Freund die ganz besonderen ersten Minuten mit unserem Kind verbringen würde, und doch fühlte sich erstmal alles so an, als würde mir mein Kind in kühler OP-Atmosphäre herausgeschnitten und direkt weggetragen.
Das komplette Gegenteil von dem magischen Nähe-Moment, den ich mir immer erträumt hatte.
Nach dem viel zu kurzen Aufklärungsgespräch, bei dem ich auch noch sämtliche mögliche Risiken durchlesen und unterschreiben musste, war ich erstmal nur traurig. Traurig darüber, dass eine sterile Operation nun mein Geburtsweg werden sollte, traurig darüber, dass ich wohl weder Wehen, noch Nähe in den ersten Minuten erleben würde. Traurig darüber, dass mir eine OP mit wirklich ernsthaften Risiken bevorstand. Nie hatte ich davor verstehen können, warum Frauen oft so traurig über einen Kaiserschnitt waren. Doch plötzlich ging es mir genauso und ich trauerte um die vaginale Geburtserfahrung, die ich nicht erleben würde.
Weil mich das Thema so beschäftigte, fing ich an, mich zu informieren. Von einer Freundin, die als Gynäkologin selbst Kaiserschnitte durchführt, ließ ich mir jeden Schritt genau erklären. Mit einer Psychologin und Hebamme von Mamly sowie einer Doula sprach ich über die Hebammensicht auf den Kaiserschnitt und die üblichen Abläufe, die tatsächlich doch sehr viel Bonding beinhalten: Nachdem das Baby aus dem Bauch gehoben und kurz untersucht wurde, kommt es meist Backe an Backe zur Mutter, erfuhr ich. Und darf hier auch bleiben, während man noch zugenäht wird.
Mit allen neuen Infos sprach ich schließlich erst mit einer Hebamme aus dem Kreißsaal meines Krankenhauses, dann auch mit der Ärztin, die mich operieren sollte. Und plötzlich formte sich ein ganz neues Bild des Kaiserschnittes, als es sich nach dem ersten Gespräch für mich angehört hatte. Eine Kaisergeburt wurde mir vorgeschlagen: Das OP-Tuch wird heruntergenommen, wenn der Bauch offen ist, ohne dass man die Wunde sieht. Dafür sieht man, wie das Baby aus dem Bauch gehoben wird und drückt mit den eigenen Bauchmuskeln mit – normalerweise wird in diesem Moment mit Druck von außen auf den Bauch gearbeitet. Auch die Bonding-Momente waren, nachdem ich danach gefragt hatte, kein Problem mehr.
Und so wandelte sich mein Gefühl zum Kaiserschnitt, zur Kaisergeburt, immer mehr und ich fühlte mich immer besser mit diesem Weg, den ich mir nicht ausgesucht hatte.
Je näher der Geburtstermin rückte, desto mehr verschlechterte sich die Lage meiner Schwangerschaftskomplikation. Und meine Sorgen und Ängste wurden immer größer. Ich war so ängstlich, dass dem Baby doch noch etwas Schlimmes passieren könnte, dass ich am Tag des Geburtstermins einfach nur dankbar war. Dankbar, frühmorgens ins Krankenhaus zu fahren und als erster geplanter Kaiserschnitt an diesem Tag dranzukommen. Dankbar, als ich das Gesicht meiner Ärztin sah. Dankbar, als mir, zitternd im kalten OP-Saal, die Spinalanästhesie gesetzt wurde und ich merkte, wie sich die Betäubung in meiner unteren Körperhälfte ausbreitete.
Und noch nie, kein einziges Mal in meinem Leben, war ich dankbarer, als in dem Moment, in dem der Schnitt gesetzt wurde und ich nur Sekunden später mein Kind sah.
Und den ersten Schrei hörte. Ich durfte unsere Tochter sehen, wie sie direkt aus dem Bauch kam, voller Blut und Käseschmiere. Ich durfte sie sehen, während die Nabelschnur durchschnitten wurde. Und während mir die Tränen vor Erleichterung herunterliefen, wurde sie mir schon an die Wange gelegt. Den Moment, in dem ich sie an meiner Haut spürte und zum ersten Mal mit meinem Finger über ihre Wange strich, werde ich nie vergessen.
Ihr erster Schrei, ihr Anblick, ihre Wange an meiner, das waren sie, meine magischen Geburtsmomente, von denen wir ihr immer erzählen werden.
Nach der kurzen ersten Untersuchung kam sie wieder zwischen uns, an meine Wange. Und all meine Ängste und Sorgen der ganzen letzten Zeit waren plötzlich weg. In mir war auf einmal eine tiefe Ruhe, eine riesige Erleichterung und einfach nur Dankbarkeit, dass sie ohne weitere Komplikationen ins Leben kommen durfte. Als ich gefragt wurde, ob es ok wäre, wenn sie jetzt mit ihrem Vater in den Nebenraum kommt, fühlte sich nichts davon mehr falsch an. Und das Bild der beiden, Haut auf Haut, als ich kurze Zeit später dazu geschoben wurde, war so wunderschön und genauso unvergesslich wie der Rest.
Nicht viel länger als eine Stunde hatte diese Bauchgeburt gedauert, und nur einen Bruchteil davon hatte ich überhaupt Zeit gehabt, mir Sorgen zu machen.
In den ersten zwei Tagen hatte ich Schmerzen. Aber viel schwächere, als ich erwartet hätte. Mit einigen Schmerztabletten konnte ich am ersten Abend mit Hilfe, am zweiten Tag schon ganz alleine aufstehen. Und schon am dritten Tag war Aufstehen und Herumlaufen gar kein Problem mehr. Ein paar Tage später brauchte ich keine Schmerztabletten mehr, die Gebärmutter hatte sich ganz zurückgebildet und alles, was noch übrig war, war der zarte Strich auf meinem unteren Bauch.
Niemals hätte ich es nach dem ersten Aufklärungsgespräch gedacht, aber dieser Kaiserschnitt, diese Kaisergeburt, war eine wunderschöne Geburtserfahrung für mich, für die ich einfach nur dankbar bin.
Der Weg der Kaisergeburt gab mir trotz dieses OP-Geburtsweges die Momente, an die ich mich mein Leben lang erinnern werde. Und trotz all meiner Sorgen und Ängste und meiner Komplikation fühlte ich mich während der Geburt durchgehend sicher.
Ein geplanter Kaiserschnitt ist sicherlich nicht zu vergleichen mit einem Notkaiserschnitt, der überrumpelt, in Panik versetzt, auf den man sich nicht richtig vorbereiten konnte und den man sich auch nicht gewünscht hat. Und ich fühle mit allen mit, die traurig über diesen Weg der Geburt sind.
Einer vaginalen Geburt werde ich auch immer ein Stück weit nachtrauern. Und doch war das nun mein Weg. Der Weg einer Bauchgeburt, die ich mir nicht aussuchen konnte, aber die sich letztendlich richtig für mich angefühlt hat. Und die eine Narbe auf meinem Bauch hinterlassen hat, die ich schon jetzt lieben kann. Weil sie Teil meines Geburtsweges ist, der mir nach all den Monaten voller Angst Sicherheit geben konnte.
8 Antworten zu “Wie mir die Kaisergeburt half, mit dem Kaiserschnitt Frieden zu schließen”
Super schöner, ermutigender und magischer Bericht. Herzlichen Glückwunsch, Milena ♥️! Lese euer Magazin schon so lange, eure Blogs davor auch, und freu mich einfach, wie ihr alle euren eigenen Weg geht.
Hab noch eine wunderbare weitere Kennenlernenzeit mit deinem kleinen Menschen!
Vielen lieben Dank, das ist so schön zu hören! ♥️
Vielen Dank fürs Teilen & herzlichen Glückwunsch <3 Dein Beitrag nimmt bestimmt vielen Frauen ein wenig die Angst vor einem Kaiserschnitt. Grundsätzlich ist es ja auch ein Privileg, dass wir hier medizinische Optionen haben, um eine Geburt unter bestimmten Rahmenbedingungen so umzusetzen, um die Gesundheit von Mutter & Baby zu schützen. Dennoch wäre es auch nicht mein Wunschszenario, aber nach dem Lesen deiner Worte bin ich um einiges offener für diesen Weg und habe ein besseres Gefühl. Danke dafür!
Das freut mich wirklich sehr. Genau deshalb wollte ich gerne darüber schreiben, um denen die Angst zu nehmen, die einen Kaiserschnitt vor sich haben, ohne es unbedingt zu wollen. Wichtig ist auch zu wissen, dass man in den ersten Tagen mehr Schmerzmittel fordern kann, als einem erstmal angeboten wird, das geht alles nicht in die Muttermilch über. Je weniger Schmerzen man hat, desto besser klappt das Bonding, und ich konnte sie trotzdem sehr bald schon ganz absetzen.
Vielen Dank für den persönlichen Bericht. Eine Sache über die ich nachdenken und etwas schmunzeln musste, sind die unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes „steril“. Du schreibst von einer „sterilen OP“ als etwas eher Negatives und ich verstehe komplett was du sagst. Auf der medizinischen Ebene ist eine sterile OP aber natürlich wünschenswert, wäre es nicht-steril und Keime würden in die Wunde kommen, wäre das ein Problem. Es ist doch manchmal interessant, welch unterschiedliche Bedeutungsebenen Wörter haben können.
Vielen Dank das zu teilen 💛🫶🏼 so wichtig.
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