Ist das noch Liebe oder schon Clickbait?

25. Mai 2022 von in

Millionen Teenager*innen mussten diese Woche ganz stark sein. Denn Bibi und Julian haben sich getrennt, und während ich noch googelte, wer denn nun Julian sei, brach für die Generation Z eine Art Albtraum los. Bibi von Bibisbeautypalace, Deutschlands erfolgreichste YouTuberin, und ihre Jugendliebe Julian haben sich getrennt. Nach 13 gemeinsamen Jahren und zwei Kindern gehen die beiden nun im Alter von 29 Jahren getrennte Wege. Ziemlich normal würde man vielleicht sagen. Menschen verlieben sich, Menschen trennen sich. Und gerade wer sich sehr jung verliebt, wird irgendwann erwachsen, entwächst dem Jugendzimmer, und manchmal leider auch der Jugendliebe. Man könnte also sagen: Es tut mir leid für Bibi und Julian, für ihr gemeinsames Leben und die beiden Kinder.

Wäre da nicht dieses minimini kleine Problem, das ihre Liebe mit sich brachte: die Öffentlichkeit. Die Trennung der beiden YouTube-Stars ist für viele Fans überraschend, gerade zu schockierend. Noch vor wenigen Wochen zeigte sich das Paar in Videos frisch verliebt, voller positiver Worte füreinander. Eine Liebe aus dem Bilderbuch, eine, nach der man sich sehnt. Bibi und Julian, das war nicht nur ein Liebes- und Ehepaar. Bibi und Julian, sie waren Sinnbild, Sehnsucht, Traum und Wunsch. So so vieler.

 

Ich habe Tränen in den Augen und stehe schon seit Tagen neben mir. #BibisBeautyPalace

— Timmy (@Pilzeintopf) May 22, 2022

Mit der Trennung kommt unweigerlich die Frage: Wie konnte diese Liebe enden? War alles nur gespielt? Wie konnte das Paar noch vor Wochen so glücklich scheinen? Ehrlichweise sind das Fragen, die man sich ja auch manchmal bei so manch plötzlich getrenntem Paar im Freundeskreis selbst stellt. „Letztens, auf der Party, da wirkten die doch noch so verliebt.“ Tja, auch Lisa und Lukas wollen vielleicht nicht allen zeigen, dass der Liebestanker eigentlich gerade auf den Eisberg zuläuft. Warum sollte es bei Influencern anders sein? Ganz im Gegenteil: Natürlich ist es bei Influencern genauso.

Julian und Bibi sind nicht nur ein Paar, sie sind eine Brand. Ein Unternehmen, aufgebaut auf ihrem Privatleben.

Denn die Problematik: Bibi und Julian, sie sind nicht nur ein Paar, sie sind eine Brand. Eine Personal Brand, die durch Authentizität lebt. Bibi war erst Beautybloggerin, später dann Bibi, die Brand. Bibi, die mit Einblicken in ihr Leben, ihre Liebe und ihre Familie eine millionenschwere Marke, ein Imperium aufgebaut hat. Die Beziehung: gestartet aus Liebe. Irgendwann aber eben auch Geschäftsmodell. Und zwischendrin zwei Menschen, die vielleicht in jüngster Vergangenheit schwer abwägen mussten: Machen wir weiter – für das Unternehmen, oder trennen wir uns – für uns?

Denn – und so ehrlich muss man sein – die Trennung ist der Worst Case für das Unternehmen Bibi und Julian. Nicht nur, dass hundertausende von Teenagern verzweifelt Liebes-TikToks aus guten Zeiten schauen, weil der Glaube an die große, an diese eine Liebe, nun gebrochen ist. Nein. Auch das Unternehmen leidet. Die Brand verliert an Wert. Vertrauen ist erschüttert, Bibis neues, nicht so braves Auftreten irritiert einen Haufen Fans. Ein Minus an Followern, ein Minus an Geld. Und vor allem ein dickes Minus in Sachen Authentitizität. Die Aktienwährung im Influencerbusiness.

Aber – und das darf man ja gerade nicht sehr laut sagen –  vielleicht auch ein Gewinn. Für Bibi und Julian, die ganz privaten Menschen.

ich verstehe es nicht wie die sich getrennt haben, ich check es nicht #BibisBeautyPalace

— ً! (@MOTIVESTARK) May 20, 2022

Und da sind wir bei der Frage, die ich mir – nicht nur bei Bibi und Julian – in letzter Zeit immer wieder gestellt habe. Immer dann, wenn mir ein romantisches Reel in meinen Feed gespült wurde. Das Schema: Zwei Menschen, die sich küssen, umarmen, ihre Beziehung leben. Im Feld, am See, am Meer, im Bett, im Van oder einfach dem Sonnenuntergang entgegen trabend. Unterlegt von zauberhafter Musik. Es gibt Tausende Accounts, ganz besonders viele im Vanlife-Metier, in denen Paare nicht nur schöne Orte zeigen, sondern vor allem eines tun: ihre Beziehung zur Schau stellen. Oder ist es bereits ein „verkaufen“?

Sie verkaufen ein Gefühl. Eine Sehnsucht. Den Wunsch nach Glück, Liebe, Freiheit und der vollkommenen Beziehung.

Denn ja, letztlich verkaufen sie ein Gefühl, eine Sehnsucht. Den Wunsch nach Glück, Liebe, Freiheit und der vollkommenen Beziehung. Einer, die alle Abenteuer durchlebt, vorrangig Höhen hat, immer liebevoll ist, so wie die melancholisch-süßen Lieder, die dieses Bild untermalen.

Diese Bilder sind schön. Keine Frage. Authentisch jedoch eher nicht. Ehrlicherweise habe ich mich schon immer gefragt: Wie zur Hölle macht man das? Bei dem Gedanken, dass ich meinen Partner frage, ob wir uns jetzt mal zusammen aufs Sofa kuscheln und ein bisschen Paarzeit spielen für die Kamera, muss nicht nur ich lachen. Ich wüsste, dass mein Freund vor allem eines sagen würde: Bist du noch ganz dicht?

Und ich frage mich: Was macht das mit dir und der Beziehung? Wann ist es ehrliche Kommunikation und Paarzeit und wann ist es gut für den Algorithmus? Können diese Paare das noch unterscheiden oder ist es nicht klar, dass mit der Zeit, irgendwann, irgendwie die echte, reale Liebe verloren geht, wenn jeder Moment der Innigkeit zum perfekten Motiv wird? Kommt hier nicht unweigerlich die Frage auf:

Ist das noch Liebe oder schon Clickbait?

Ich ahne die Antwort.

Liebe als Geschäftsmodell. Das ist einfach, praktisch und vor allem auch erstmal schön. Und wahnsinnig lukrativ. Doch der Preis ist hoch. Wer immer nur für die Kamera die schönen Seiten spielt, verliert sich vielleicht irgendwann im Performance-Druck der Liebe. „Schatz, ich weiß, eigentlich haben wir gerade gestritten, aber wir brauchen noch ein Foto, wo wir uns zeigen.“ Ein Albtraum, wenn ihr mich fragt. Und weit entfernt von authentisch und ehrlich. Liebe, Beziehung, ist Arbeit, Konflikte wie gute Momente, ein Zusammenspiel zweier Menschen, die vor allem eines tun müssen: ihre gemeinsamen Bedürfnisse stillen. Das Außen sollte keine Wichtigkeit haben. Wird es das, ist das möglicherweise eine große Gefahr.

Bibi und Julian, ich bin mir sicher, haben gekämpft für ihre Liebe. Wer so lange zusammenlebt, sich so viel aufbaut und zwei Kinder bekommt, liebt sich. Das steht außer Frage. Ihre Liebe, die Authentizität dieser, vermag ich keinesfalls anzuzweifeln. Aber diese Liebe war nicht nur bereichernd, wichtig und so groß, so dass sie eine Familie gegründet haben, all in mit Ehe, sie war eben auch ihr erfolgreiches Geschäftsmodell. Und mit diesem kommt der Druck. Eine Trennung, sich von Gefühlen leiten zu lassen, wird dann schwer. So schwer, kaum möglich. Bis das echte Leben um die Ecke kommt. Und Geld egal wird.

Die Trennung mag überraschen, schocken, und vielleicht einmal aufzeigen: Nichts ist so wie es scheint. Für Bibi und Julian ist es jedoch eine Chance. Auf eine authentische, freie Liebe, ganz ohne Kamera. „Geld oder Liebe?“: Ich hoffe ein bisschen, sie entscheiden sich nächstes Mal für die richtige Antwort. Doch ich vermute: Wer sich einmal sein Geschäftsmodell auf der Inszenierung der eigenen Beziehung aufgebaut hat, kommt nie mehr davon los.
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4 Antworten zu “Ist das noch Liebe oder schon Clickbait?”

  1. Wusste gar nicht, was ich von dem Text erwarten kann & hab ihn dann mit Freude gelesen… Bei den ganzen Vanlife Influencern hab ich mich das auch schon gefragt

  2. Danke für die Einordnung und neuen Blickwinkel auf das ganze! Ich finde dabei mal wieder schlimm wie unterschiedlich und sexistisch Bibis und Julians Verhalten bewertet wird (sie ist die böse, die Urlaub macht und der alles egal ist inklusive der Kinder und er der leidende treu sorgende Vater, obwohl sie danach getauscht haben und er Urlaub gemacht hat). Natürlich hat sie sich das selber so aufgebaut alles, aber das ist sicherlich auch irgendwann ein Kreislauf aus dem man nicht so leicht aussteigen kann. Sie tut mir echt Leid für den Hate den sie grade abbekommt. Als ich das Bild gesehen habe wo sie mit einem anderen Mann drauf war, hat sie sich für mich irgendwie zum ersten mal menschlich angefühlt und ich kanns total nachvollziehen wenn man vielleicht nach so vielen Jahren das Bedürfnis hat was in seinem Leben zu ändern . Mit dem Druck was du auch meintest stell ich mir das wahnsinnig hart vor, aber eben vor allem auch als Frau, da wird gefühlt nochmal alles viel krasser unter die Lupe genommen und bewertet und meistens ist man eh die die dabei am meisten verliert.

    • Ohja, da sprichst du einen wichtigen Punkt an. Die Misogynie des Ganzen wäre eigentlich nochmal einen Artikel wert. Unterschreibe alles, was du sagst! Danke dir!

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