Fashion Week! Selfies! Instagram! Blogger!
It’s fashion week, Baby! Während sich das deutsche Modevolk gerade in Berlin tummelt, ist die Modewoche auch für uns Daheimgebliebene nah. Denn während die Designer um ihre Kollektionen und Models wuseln, die Shows über die Bühne gehen und die Modefans ins Berliner Eisstadion pilgern, ist das Smartphone immer dabei. Glückssache, zum einen, schließlich kann ich – zwischen Seminararbeit und anderem Arbeitskram – fast live verfolgen, wie Lala Berlin, Dorothee Schumacher oder Perret Schaad ihre Kollektionen über den Laufsteg schicken. Andererseits frage ich mich bei Fotos, die die Frontrow gesäumt mit Handys zeigen: „Was ist da eigentlich los?“
Die Fashion Week (und hier rede ich nicht nur von Berlin, sondern von allen Fashion Weeks) ist wohl ein Exempel, wie heute Mode funktioniert. Die Gäste putzen sich heraus, tragen im besten Falle zu jeder Show ein neues Outfit,und wer sich glücklich schätzen kann, bekommt sogar Leihgaben der Designer, damit man möglichst schick aussieht. Dass diese nicht mehr nur den Fotografen vor dem Veranstaltungsort präsentiert werden, versteht sich von selbst. Das Selfie löst die Pressefotografen ab. „Ich war hier, ich bin live dabei, ich bin ganz nah dran“, schreit es aus dem Handy. Und so werden munter von allen Seiten Instagram-Bilder vom eigenen Ich hochgeladen. Mode für sich und für andere, schließlich stylt man sich hier nicht mehr nur für sich, sondern auch für die Follower, die Internetgemeinde, die Welt. Wie Tillmann Prüfer in seinem Zeit-Artikel schreibt: „Die (Follower) gilt es zu beeindrucken. Von denen wollen wir Likes haben. Das bedeutet wir ziehen uns für Menschen an, die wir vielleicht nie zu Gesicht bekommen. Und weil wir sie nie zu Gesicht bekommen, muss unsere Botschaft umso klarer sein. Und so kommt es, dass sich Menschen in Internetzeitalter mehr mit Mode beschäftigen denn je.“
Ein interessanter Ansatz, wenn ihr mich fragt, der stimmt. Online wird Mode mittlerweile mehr denn je gezeigt, diskutiert und auch der Stil der Mode wird immer öfter aus dem Internet vorgegeben, Streetstyle-Blogs und Modeblogger sind hier meinungsbildend – meiner Meinung mittlerweile sogar vor Vogue und Elle. Der „Dialog der Bilder“, wie es Tillmann Prüfer nennt, fördert diese Entwicklung. Schnell, nah, zu jeder Zeit.
Doch was bedeutet das für die Mode? Dass wir uns nicht mehr nur für uns anziehen? Dass uns die Meinung und die Wirkung auf andere uns wichtiger ist, denn je? Womöglich. Dass wir von zu Hause alles, wirklich alles mitbekommen, von der neusten Fashion Week. Und zwar nicht mehr nur durch Journalisten und Blogger, nein, die Labels selbst müssen nachziehen. Tatsächlich. Marken, Modehäuser und Co. können sich nicht mehr nur auf die großen Werbekampagnen mit Toni Garrn und Kate Moss verlassen, sie müssen näher rücken, nah am Endkunden sein. Und das funktioniert vor allem durch das Internet.
Die Luxus-Botschaft, die die großen Modehäuser noch Ende der 90er-Jahre verbreiteten, hat ausgedient. Die Masse wird viel schneller erreicht, solange man sich emotional nah gibt. Ein Umdenken der Mode dank des Internets. Tillmann Prüfer beschreibt es in seinem Artikel so: „Die großen Marken sind es gewohnt, große Inszenierungen zu machen, die ganz großen Gesten. Tolle Namen, tolle Menschen. Man möchte die eigene Marke gerne so hoch in den Himmel schießen, wie es nur geht. Im Internet wird es aber immer mehr darauf ankommen, dass sie den Leuten nah ist. Man kann ihnen nahekommen, indem man einen tollen Style im Netz verbreitet. Man kann ihnen aber auch nahekommen, indem sich Katastrophenbotschaften von schlechten Produktionsbedingungen verbreiten. Das alles ist im Netz gleich wichtig – und es ist gleich nah.“
Und das bedeutet am Ende: Das Internet hat die Mode in den letzten Jahren extrem verändert. In Zeiten der Selbstdarstellung vieler werden Labels langfristig wohl immer wichtiger, schließlich hebt sich der User so von der Selfie-Masse ab, kreiert wieder eine Elite im Instagram-Universum. Gleichzeitig müssen Modehäuser die Nahbarkeit erhalten, sich kritischen Themen genauso auseinandersetzen wie mit den neuesten Kollektionen. Der Internetuser macht keinen Unterschied zwischen Louis Vuitton und H&M. Beide sind gleich nah, beide sind Mode.
Trotzdem, liebe Mode- und Internetliebende. So sehr ich es genieße vom Casting bis zur Aftershowparty trotz München-Berlin-Distanz dabei zu sein, wünsche ich mir manchmal eine Pause. Fotos von Smartphone gesäumten Frontrows machen mich traurig. Klar, es mag der Job sein, aber macht es nicht mehr Spaß, die Mode vorbeiziehen zu sehen, statt durch den Display? Genießt die Mode ohne Smartphone vor der Nase. Feiert ohne ständig das perfekte Selfie zu schießen. Esst, wenn ihr Hunger habt, sofort, egal ob es ein perfektes Instagram-Foto gewesen sei. Denn: So das Internet die Mode verändert, verändert es auch uns.
Photocredit: Tumblr.
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9 Antworten zu “Fashion Week! Selfies! Instagram! Blogger!”
Ein wunderbarer Text. Ich erlebe diese Trendwende zur Selbstdarstellung auch in anderen Bereichen (auch bei Konzerten sieht man mittlerweile die Bands nur noch durch den Smartphonedisplay der Vordermänner) und cih selbst bin als Bloggerin auch nicht davon gefeit. Es hilft ungemein Internetfreie Tage zu veranstalten an denen man das alles links liegen lässt und mal wieder durchschnauft. Und du hast Recht: Die schönsten Momente sollte man mit den Augen sehen, nicht mit dem Fotoapparat!
Liebe Theresa,
vielen lieben Dank! Absolut, auf Konzerten ist es dasselbe. Man selbst ist davor nicht gefeit, aber man sollte manchmal sich wirklich besinnen und fragen: Macht das jetzt wirklich so Spaß? Weil du sagst: Die schönsten Momente sieht man mit den Augen und fühlt man mit dem Herz!
Ein wirklich toller Text! Und den kann ich auch so unterschreiben – vor allem den letzten Absatz! Klar macht es Spaß (als „Verbraucher“), immer alles haut- und zeitnah mitzubekommen. Aber irgendwie wirkt es ja immer so, als könnten all diese Leute einfach NICHTS mehr machen (z.B. ESSEN!!!), ohne vorher ein Foto davon zu machen. Da frage ich mich auch manchmal, ob man überhaupt noch genießt, oder nur noch dokumentiert (genau: für Leute, die man nicht kennt/nie kennen wird).
Nochmals: ein wirklich toller Text! :)
Liebe Grüße! :)
Victoria
Liebe Victoria,
vielen lieben Dank! Das freut mich sehr! Genau so gehts mir auch oft. Bevor ich ein Foto vom Essen mache, hab ichs aufgegessen. Genauso wie meine Wohnung nie einem Interior-Katalog gleicht ;) Instagram ist dann doch mehr Schein als Sein und ich lebe lieber :)
Liebste Grüße!
schöner artikel. wirklich schön. ich mag trotzdem die alte die idee gern, das mich mode noch zum träumen bringen kann, dass die kleider zu kostümen werden die ich in meinen zukünftigen abenteuern trage, dass diese kleider mir etwas vesprechen, dass ich nicht schon habe (etwas wirklich besonderes und nicht so eine olle frontrow, blöde goodie-bags voller papiermüll und warmer umsonst champagner…), dass sie mir die illusion geben etwas besonders sein zu können, für zwei sekunden, und nicht nur die gleiche uniform zu tragen wie die bankerin oder modebloggerin von nebenan. klar verändert das internet alles ein bisschen, so wie es jedes medium getan hat. aber ob man vor 50 jahren vorm TV sass oder jetzt vor instagram – es geht doch nicht darüber etwas zu erleben, und zu genießen, so sehr dass man plötzlich das fotographieren und posten vergisst. und ich glaube das merken wir gerade einfach alle wieder.
xx
Liebe Louisa,
ohja, der Gedanke, dass Mode einem zum Träumen bringt ist toll. Ich bin auch oft so gefangen von Momenten, dass ich das Fotografieren und Posten schlichtweg vergesse. Und im Nachhinein mir dann denke: Hätteste eigentlich machen können. Gleichzeitig glaube ich auch, man erlebt mehr, wenn man das Handy mal weglegt. :) Und ja, ich glaube auch, dass gerade eine Art Selbstreflexion beginnt.
Liebst!
Was ich viel schlimmer finde als die permanenten Selfies, ist das ständige Geknipse und Gefilme der Show. Ich war heute bei Dimitri und konnte fast die komplette Zeit über so gut wie nichts sehen, weil alle in meiner Umgebung ihre Handys in die Höhe gestreckt hielten. Man sollte ein Handyverbot für die Shows einführen – wäre das nicht mal provokant?
Liebe Grüße!
Liebe Sue,
das zähle ich auch absolut dazu! :) Ein Handyverbot einer Show wäre sicherlich provokant und womöglich nicht im Sinne des Labels, die ja – wie oben erwähnt – nah am Zeitgeist und nah am Endverbraucher sein wollen/müssen. Aber interessant wäre es schon!
Liebe Grüße!
In Wahrheit ist man doch nur dann dabei, wenn das auf Instagram, Blog oder Twitter zu sehen ist. Und wie früher auf dem Schulhof ist natürlich entscheidend: Wo bin ich mit wem zu sehen? Dass sich dem fast keiner entziehen kann, verstehe ich total. Ist ja auch zu verlockend, bei Instagram mit ein paar Schnellschüssen Hunderte von <3 <3 abzuholen. Kübelweise Streicheleinheiten gibt's im Off-Alltag ja eher nicht ;-)