Horoskopus-Pokus: Ich liebe es, über Sternzeichen zu sprechen
Wer in Berlin eine neue Person kennenlernt, wird voraussichtlich erst nach dem Namen fragen, nach dem Kiez, in dem sie wohnt und nach ihrem Sternzeichen. Das ist die Regel, zumindest in meiner Welt. Hier zählt die Sternenfrage zu den absoluten Basics des Kennenlernens. Red Flag, wer diese Frage nicht beantworten kann. Zumindest für mich, diejenige, die dem Trend verfallen ist. Spätestens nach einem verheißungsvollen Sommerabend im letzten Jahr, an dem ich zufällig einer Bekannten und ihrer Freundin über den Weg lief. Es war schon längst dunkel, doch der Abend so lau, dass meine Gruppe, mit der ich unterwegs war, lieber auf Neuköllns Straßen abhing, als in einer stickigen Bar. Ich bin nachhaltig froh über die Entscheidung, den Abend vor der Tür verbracht zu haben. Andererseits wäre ich den beiden nicht über den Weg gelaufen, und hätte somit nicht mein Mondzeichen erfahren. „Wie, du kennst dein Mondzeichen nicht?!“, erwiderte die Freundin, die ich an dem Abend kennenlernte, und die – wie sich herausstellte – hexenartige Fähigkeiten hatte. Sofort trug sie meinen Geburtsort, Uhrzeit und Tag in ihre Hexen-App Cafe Astrology ein.
Nachdem sie mir alle Zeichen in meinen Planeten vorlas, die wiederum in irgendwelchen Häusern waren, und ich nur noch Bahnhof verstand, fing sie an, diese ganzen Zeichen zu interpretieren. Sie stellte Vermutungen auf, die alle zu hundert Prozent zutrafen. Meine Kinnlade klappte herunter bei all den Dingen, die sie über mich sagte. Dinge, die eigentlich keiner weiß, erst recht keine Person, die ich noch nie vorher gesehen habe. Zwar konnte ich mich schon immer mit meinem Sternzeichen identifizieren, doch dass darüber hinaus auch noch alle weiteren Zeichen so viel Wahrheit in sich trugen, war mir bis dato nicht bewusst. Es war der Schlüsselmoment, der Türöffner, hinein in die große weite Horoskopus-Welt. Wie jeder Sternzeichen-Ultra lud ich mir die Co-Star-App hinunter und verlor mich in der Rabbithole. Mittlerweile bin ich zu genau dieser Person geworden, die alle erstmal nach ihrem Sternzeichen fragt. Wenn jemand sein Mondzeichen nicht weiß, bin ich enttäuscht.
„Es war der Schlüsselmoment, der Türöffner, hinein in die große weite Horoskopus-Welt.“
Überrascht bin ich jedes Mal doch darüber, wie wenig Gegenwind mir entgegen bläst, sobald ich die esoterische Frage in den Raum werfe. Ich weiß ja, dass ich hier keinen wissenschaftlichen Fakt erfrage, sondern eine Glaubensfrage. Deshalb ist es sehr wichtig, bei all den Gesprächen über Sternzeichen klar zu sagen, dass man schon weiß, dass das Hokuspokus ist. „Natürlich glaube ich nicht wiRkLiCh an Sternzeichen“, sage ich dann noch rechtfertigend, um meiner kartoffelig-deutsch-skeptischen Art treu zu bleiben. Wäre ja auch peinlich, einfach mal an etwas zu glauben, ohne zu wissen.
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Mir mache das Thema einfach nur Spaß, lüge ich dann, um auch den anderen kartoffelig-deutsch-skeptischen Nasen die Angst vor einem spirituellen Thema zu nehmen. Denn ich weiß, dass die meisten, die das hier lesen, höchstwahrscheinlich in einer ähnlich rationalen Welt aufgewachsen sind, wie ich. In einer Realität, die ungerne glaubt und lieber weiß. Alles darüber hinaus ist Quatsch und irgendwie glaube ich schon, dass es Quatsch ist. Doch will ich mir diesen Quatsch eben gönnen. Es ist so einfach, an nichts zu glauben und alles doof zu finden. Das mache ich ja sonst so konsequent, weshalb es umso schöner ist, einfach mal etwas nicht doof zu finden. Anders als Verschwörungstheorien tun Sternzeichen keinem weh. Sie mischen sich in keine politischen gesellschaftlichen Debatten ein, ebenso wenig sind sie eine Religion. Die Sternzeichen-Welt ist eine harmlose kleine Traumwelt, die alle dazu einlädt, sich selbst zu reflektieren und sich anderen auf eine Art zu öffnen, wie sonst nur selten.
„Wer über seine Zeichenkonstellationen nachdenkt und mit anderen Personen darüber spricht, öffnet sich.“
Und das ist es, was ich an Sternzeichen so gerne mag. Ich hinterfrage nicht, ob an der Kraft der Sterne „wiRkLiCh“ etwas dran ist. Vielleicht ja, vielleicht nein. Ehrlich gesagt ist mir das ziemlich egal. Das Ergebnis funktioniert für mich. Wer über seine Zeichenkonstellationen nachdenkt und mit anderen Personen darüber spricht, öffnet sich. Sowohl alten Friends, als auch neuen Bekanntschaften. Ich hatte schon die interessantesten Gespräche, die aus Sternzeichen-Talk entstanden sind – und kam vom einen Thema zum nächsten. Wir philosophierten dann über das Leben, uns selbst, unsere Vergangenheit und die Welt. Die Sternzeichen sind der ideale Einstieg in einen ehrlichen Dialog. Und ich bin nun mal ein Mensch, der ehrliche Dialoge schätzt. Ich bin schnell gelangweilt von Smallktalk und Bla Bla. Ich will unterhalten werden und Gespräche über Sternzeichen unterhalten mich. Typisch Fische, eben.
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