Haut ist Haut: Warum geschlechtsneutrale Hautpflege die Zukunft sein muss!
Erschienen auf Vogue – von Freddie Braun
Von Farben hin zu Namen – wie Beauty- und Pflegeprodukte für Frauen und Männer vermarktet werden, unterscheidet sich enorm. Ist geschlechtsspezifische Hautpflege überhaupt noch notwendig in einer Zeit, in der Geschlechternormen immer öfter hinterfragt werden?
Eine Zukunftsvision: Geschlechtsneutrale Hautpflege
Im Jahr 2014 ging ein süffisanter Tweet zum Thema geschlechtsneutraler Hautpflege durchs Netz. Thema des Tweets waren die unterschiedlichen Produktbezeichnungen von Deos mit männlicher und weiblicher Zielgruppe: Der Wortlaut: „Women’s deodorant scents: rose, cotton, spring, meadow. Men’s: WINTER ICE, SHARKNADO, GLACIER PUNCH, ANTIFREEZE, GUN.“ Seichte Idylle für Frauen, toughe Action für Männer. Der Tweet wurde mehr als 24 000 Mal geteilt und inspirierte zahlreiche weitere sarkastische Seitenhiebe auf ähnliche, konstruierte Bezeichnungen, mit denen Haut- und Pflegeprodukte typischerweise an Frauen und Männer vermarktet werden.
Sarkasmus beiseite, wer im Supermarkt an den Kosmetik- und Pflegeprodukten vorbeiläuft, spürt die unsichtbare Barriere und sieht zudem meist auch die unmissverständliche Beschilderung, die auf rosafarbene und zartblaue Hautpflegeprodukte für Frauen und weitestgehend in Schwarz-Weiß gehaltene Artikel für Männer verweist. Denn wie sonst würden potenzielle KäuferInnen wissen, welche Produkte wirklich „für Männer“ geeignet sind? Neben den potenziell negativen psychologischen Folgen geschlechtsspezifischen Marketings unterstützt die sehr reale „Pink Tax“ eine weitere Form der Ungerechtigkeit. Eine vom New York City Department of Consumer Affairs in Auftrag gegebene Studie ergab 2015, dass an Frauen gerichtete Hygieneartikel im Durchschnitt bis zu 13 Prozent teurer sind als vergleichbare Produkte mit männlicher Zielgruppe.
In anderen Bereichen des Lebens geht der Trend hin zu offeneren Geschlechterdefinitionen. Ist geschlechtsspezifische Hautpflege in unserer heutigen Zeit also ein antiquierter (und sexistischer) Marketing-Gag, oder werden dabei wirklich unterschiedliche Hautbedürfnisse von Männern und Frauen berücksichtigt?
Geld gewinnt in Geschlechterfragen
Es ist kein Geheimnis, dass Brancheninsider schon länger wissen, dass die Geschlechtsunterscheidung im Konsumbereich lediglich ein soziales Konstrukt ist. Wir werden früh darauf konditioniert, bestimmte Farben, Spielzeuge und Produkte als „feminin“ einzuordnen, andere dagegen als „maskulin“. Denkt nur daran zurück, wie ihr euch als Kind begeistert auf euer Happy-Meal-Spielzeug gestürzt habt: Püppchen für die Mädchen, Autos für die Jungs.
Das Phänomen setzt sich in unserem Denken noch weit bis ins Erwachsenenalter fort, dabei scheinen Männer mehr darum bemüht zu sein, ihre maskuline Identität zu bewahren, indem sie zu Produkten greifen, die diesem Image entsprechen. Eine Studie hat sogar gezeigt, dass Männer in Gegenwart eines sportlich und kräftig aussehenden Mannes mehr Geld ausgeben. Derartige Erkenntnisse sind für profitorientierte VermarkterInnen Gold wert.
Haut ist Haut
Von Marketingstrategien und sozialer Konditionierung einmal abgesehen, unterscheidet sich Männerhaut wirklich so gravierend von weiblicher Haut, dass sie ein komplett eigenes Arsenal an Pflegeprodukten rechtfertigt? Tatsächlich ist Männerhaut zwischen 20 und 25 Prozent dicker als weibliche Haut (weil sie aus mehr Kollagen und Elastin besteht) und zudem meist fettiger. Dennoch versichert uns die American Academy of Dermatology, dass wir unsere tägliche Hautpflege-Routine nicht vom Geschlecht abhängig machen, sondern uns stattdessen an unserem Hauttyp (normale, sensible, fettige, trockene oder Mischhaut) und an konkreten Hautproblemen orientieren sollten, seien das Alterserscheinungen, Unreinheiten, Pigmentierungen oder Ähnliches, was somit eine geschlechtsneutrale Hautpflege befürwortet.
Die Zukunft ist neutral
Traditionelle Beauty-Normen werden zunehmend kritischer hinterfragt und das Angebot an geschlechtsneutraler Hautpflege ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Etablierte Marken und Produkte, die sich schon länger als neutrale Wahl positionieren, wie die australische Marke Aesop und allseits bekannte Unisex-Düfte wie CK One, bekommen Konkurrenz von ambitionierten Newcomern, die den geschlechtsspezifischen Markt aufmischen wollen.
Diese Genderless-Beauty-Brands haben es in sich
Panacea, die von K-Beauty inspirierte Hautpflegelinie, ist auch 2020 weiterhin in aller Munde. Die Grundidee der koreanisch-amerikanischen Mitbegründerin Terry Lee war es, einen „geschlechtsagnostischen“ Hautpflegeansatz zu finden, der aus lediglich drei – statt der wie sonst bei K-Beauty üblichen (zeitaufwendigen) zehn – Schritten besteht. Ganz neu auf der stets wachsenden Liste universeller Pflegeprodukte ist Mood, die hauseigene Wellness- und Hautpflegelinie von American Eagle. Die Serie an geschlechtsneutralen hanfbasierten CBD-Produkten umfasst alles von Gesichtsölen, Badekugeln hin zu Kissensprays.
Auch Allél hat es sich zum Ziel gesetzt, geschlechtsspezifischen Beauty-Produkten den Rücken zuzukehren. Die Marke verfolgt einen personalisierten, DNA-basierten Hautpflegeansatz. „Aus neueren Studien geht hervor, dass der Alterungsprozess zu 50 bis 60 Prozent von unserer Genetik bestimmt wird“, so Dr. Elisabet Hagert, Mitbegründerin von Allél. „Wie wir altern, hängt also wirklich von unserer genetischen Veranlagung ab.“ Basierend auf einer ausführlichen DNA-Analyse wird eine höchst individuelle Hautpflegelinie kreiert, die konkrete Probleme am Kern der Ursache angeht – gänzlich unabhängig vom Geschlecht.
Mit dem Fortschreiten des neuen Jahrzehnts bietet sich uns eine immer größere Auswahl an Haut- und Pflegeprodukten, die sich auf Hauttypen und Problembereiche statt auf unser Geschlecht konzentrieren. Doch eine Frage bleibt: Werden die markentreuen Männer unter uns gewillt sein, künftig auf Deos mit Sharknado-Duft zu verzichten?