Nach der Gewöhnung der letzten drei Jahre daran, dass fast immer jemand in der Nähe war, mit dem sich Zweisamkeit ganz ungezwungen anfühlte, begann die Idee einer WG ganz plötzlich doch neue Farben in meinem Kopf anzunehmen. Könnte das, heute und jetzt gerade in meiner aufgekratzten Situation, vielleicht sogar ein schöneres Modell sein, als wieder alleine zu wohnen?
Gemeinsam allein sein: Wo ist das hin?
Als sich mein Leben in den letzten Wochen umkrempelte, machte mir eine Sache ganz besonders Angst: In der Vergangenheit hatte ich nie das Wagnis gemacht, in eine Wohnung zu ziehen, die ich im Zweifel nicht auch alleine halten könnte. Diesmal allerdings schon – und nach neun Jahren der völligen Überzeugung, durch meinen Eigensinn absolut WG-untauglich zu sein und dieses Kapitel nach zwei kurzen und abschreckenden Versuchen für immer hinter mir gelassen zu haben, wurde ich nun mit der Frage konfrontiert: Ausziehen, und die Wohnung, in der ich gerade angekommen und die ich so lieb gewonnen habe, hinter mir lassen – oder dem Thema WG eine neue Chance geben.
Nun hat das Alleinwohnen allerhand Vorteile: Man kann tun und lassen, gestalten und bestimmen, was und wie man möchte, und ist mit seinem Zuhause, seiner emotionalen Basis und seinem Rückzugsort komplett unabhängig von allem, was da draußen vor den Fenstern so existieren mag – ein Zustand, den ich immer sehr bestärkend und beruhigend fand. Nach der ersten Panik, dass ich diesen Zustand nur mit einem weiteren Umzug und dem Zurücklassen meiner Traumwohnung und meines neuen Zuhauses wieder erreichen könnte, fing ich an, wieder über das Konzept der WG nachzudenken: Könnte ich mir wirklich vorstellen, meine Wohnung wieder mit einer Mitbewohnerin oder einem Mitbewohner zu teilen? Wie stehe ich eigentlich neun Jahre nach meinem letzten Versuch zum Thema WG?
Und kann das Ganze vielleicht auch ganz schön gut werden?
Schließlich ist eine WG allen voran das Zusammenleben mit einem Menschen, das nicht nur schief gehen, sondern auch etwas wirklich Schönes sein kann. Lebt da nämlich der richtige Mensch, oder auch mehrere richtige Personen mit in der Wohnung, heißt das auch, man ist nicht unbedingt alleine, wenn man es nicht sein will. Und wenn viel Raum, viel Verständnis und viel Vertrautheit da sind, kann es im besten Falle zu dem Zustand kommen, der mir ganz oft am Alleinwohnen gefehlt hat: dem gemeinsamen Alleinsein.
Freunde als Termine, die abgehakt werden
Je länger ich darüber nachdachte, desto absurder kommt es mir vor, dass wir genau das mit voranschreitendem Alter fast nur noch in Beziehungen finden: das ungezwungene Abhängen, ohne dass viel geredet oder jegliches Programm abgespielt werden muss. Das gemeinsam auf dem Sofa fläzen, während der eine liest und der andere irgendwas am Laptop macht. Das gemeinsam sein, das sich so wohlig anfühlt, dass es der entspannendste Zustand nach einem anstrengenden Tag ist. Und genau der Zustand, den ich früher immer mit Freunden hatte, während sie heute meistens nur noch Gäste sind. Man lädt ein, man kocht, man redet viel, man wird irgendwann müde und fährt nach Hause, wo alle für sich runterkommen und in ihre Betten kriechen. Je mehr wir alle arbeiten und je weniger Zeit wir dadurch haben, desto mehr werden Treffen mit Freunden zu allem Überfluss auch noch zu Terminen, die abgehakt werden, zu denen man sich gehetzt hinschleppt, um dann wiederum froh zu sein, wenn man um neun und nach einer Weinschorle endlich wieder zu Hause angekommen ist.
Das Zuhause mit Freunden
Genau dieses Zuhause, in dem man nach Terminen und Treffen erst richtig an- und runterkommt, kann aber eben nicht nur die eigene oder die Pärchenwohnung, sondern auch die WG sein. Die WG unter Freunden, die sich kennen, die sich ehrlich aus dem Weg gehen, aber auch gemeinsame Zeit verbringen können. Die WG, in der es genug Räume für Gemeinsames gibt, aber auch die eigenen Zimmer, in die man sich zurückziehen kann. Und die WG, in der man neun Jahre später ganz anders lebt, als damals, als das Alleinewohnen, das Unileben und das jeden Tag Weggehen noch so neu und aufregend war.
Nicht mehr lange, dann beginnt es nun also, mein neues WG-Leben, mit dem ich nie mehr gerechnet hätte. Und ich könnte mich nicht mehr darauf freuen, damit einen Ort nicht nur für meine künftige Mitbewohnerin und mich, sondern auch für unsere ganze Freundesfamilie zu haben. Denn die WG ist es, in der wir das selbstverständliche Zusammensein mit unseren Freunden nicht verlernen. In der man immer vorbeikommen kann, ob sonntagabends oder mitten in der Nacht. Und in der sich unsere Beziehungs- und Arbeits-Tunnelblick wieder öffnen kann für all das, was da sonst noch so passieren kann im Leben.
7 Antworten zu “Gemeinsam allein sein: Wo ist das hin?”
Liebe Milena,
tolle Worte hast du für deinen neuen Lebensweg gefunden.
Ich finde deine Verarbeitung mit der Phase auf diesem Blog sehr bemerkenswert und möchte dir sagen, wie mutig ich das finde.
Ich kann dir nur sagen, dass es toll ist als Berufstätige in einer WG zu leben :) Dein Leben wird bunt werden und du wirst soviel daraus ziehen können. Mitbewohner haben nämlich die Fähigkeiten in dir Kräfte zu wecken, die du nach einem anstrengenden Arbeitstag/Meeting/Reise etc. nicht mehr für möglich gehalten hättest. ;)
Ganz viel Kraft für die kommende Zeit und Alles Gute für Dich <3
Ich freue mich darauf!
Danke, dass du uns daran teilhaben lässt! Du schaffst das alles <3
<3
Merci für die Worte.
Uns dann noch eine kleine oberflächliche frage: wo kommt denn das Poster an der Wand her?
Das gibt’s im Lenbachhaus-Museumsshop!
Was ist denn eigentlich passiert?