Freundschaftskummer: Der Herzschmerz, der nie richtig vergeht
Wie viele Songs handeln von Liebeskummer? Millionen? Wie viele von dem Schmerz, wenn eine langjährige Freundschaft zerbricht? Ich persönlich kenne keinen einzigen. Dabei kann dieser Verlust nochmal eine ganz andere seelische Schmerzebene erreichen. Ich nenne diese Erfahrung auch gerne: Herzschmerz der Extraklasse.
Wir haben sie alle. Die eine zerbrochene Freundschaft, deren Verbindung uns immer fehlen wird. Das war meist eine ganz besondere Art der Bindung. Tiefer, vertrauter, spaßiger und am Ende eben auch viel trauriger. Auch ich habe schon eine sehr wichtige Freundin verloren. Eine, bei der ich mir sicher war, dass nichts und niemand an dieser Freundschaft rütteln kann. Wenn mich diese Trennung eines gelehrt hat, dann: Das Ende einer Partnerschaft kommt dem Gefühl und besonders der anhaltenden Dauer nicht im Geringsten nahe. Daher ist das Wort „Freundschaftskummer“ auch nicht ganz treffend. Das Ende einer tiefen Freundschaft sollte ebenfalls unter Liebeskummer fallen. Denn nichts anderes als verlorene Liebe steckt dahinter.
Menschen kommen und gehen: Manchmal ist das gut, manchmal tut es weh.
Im Laufe unseres Lebens treten viele Menschen in unser Leben, einige von ihnen verlassen uns auch ganz schnell wieder. Kommentarlos und zur richtigen Zeit. Andere wiederum begleiten uns einige Jahre, teilen mit uns die verrücktesten Erlebnisse und tiefsten Geheimnisse. Wenn diese Personen dann plötzlich (oder auch schleichend) nicht mehr zu unserem Leben gehören, dann hinterlassen sie eine gewaltige Leere. Jetzt sollte eigentlich ein Absatz mit klugen Tipps folgen, wie man diese Leere füllt, doch ich weiß es bis heute selbst nicht. Dafür kann ich aus eigener Erfahrung erzählen, wie es sich anfühlt und wie es mit der Zeit etwas erträglicher wird.
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Ich habe einige Freunde in meinem Leben verloren. Jedoch trauere ich nicht allen hinterher. Es ist gut, dass manches nicht funktioniert hat. Doch das Ende einer Freundschaft beschäftigt mich noch heute — und vermutlich für immer. Als die Freundin, mit der ich jedes Geheimnis, jeden Schritt und alle verrückten Facetten des Lebens teilte, und ich uns dazu entschieden, keine Freunde mehr zu sein.
Plötzlich war sie nicht mehr da.
Wir merkten irgendwann, dass wir uns nicht mehr verstanden. Ständig interpretierten wir alles falsch und hatten verschiedene Ansichten an eine Freundschaft. Daher entschieden wir uns dazu, die Freundschaft zu beenden. Bis heute fühlt sich dieser Schritt nicht richtig an. Als ich sie dann vor vier Jahren wirklich nicht auf meiner Hochzeit sah, bohrte sich ein kleines Loch in mein Herz. Ich fragte mich, was aus den zwei nichtsahnenden Frauen geworden ist, die sich noch vor ihrem 20. Geburtstag geschworen haben, den Rest des Lebens miteinander zu teilen? Es war die Art von Freundschaft, dessen Stabilität man sich immer sicher war. Vielleicht zu sicher.
Wie können zwei Menschen, die sich so wichtig waren, plötzlich zu Fremden werden?
Auch wenn beide Parteien sich entscheiden, eine (vielleicht lebenslange) Ruhepause einzulegen, tut es nicht weniger weh. Jeder auch so plausible Grund für die Trennung einer Freundschaft, erlischt nicht automatisch die Zeit, die Erinnerung und die Gefühle, die man füreinander hat.
Freundschaften zerbrechen eben nicht immer nur im Streit oder dann, wenn jemand das Vertrauen missbraucht oder sich falsch verhalten hat. Letzteres sollte eine gute Freundschaft sowieso aushalten können – je nach Intensität, versteht sich. Freundschaften können sich mit der Zeit einfach verändern. Das typische Auseinanderleben ist besonders im Erwachsenenalter der Grund dafür, dass wir unsere Freundschaften oft nicht mehr aufrechterhalten können.
Wie schön wäre es, wenn Freundschaften ihre Leichtigkeit nicht verlieren würden?
Meiner Erfahrung nach ist die gegensätzliche Entwicklung über die Jahre eine der schlimmsten Erfahrungen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Es ist ein schleichender Prozess, der nicht aufhaltbar ist, dem man aber förmlich beim Zerfall zusehen kann. Zwischenzeitlich deklariert man all das als „komplizierte Phase“ und übergeht das Gefühl mit einem: „wird schon wieder“. Doch währenddessen schimmert so langsam durch, dass das Ende der Freundschaft näher ist, als die unbeschwerten Tage voller Verständnis, Liebe und Spaß.
Wenn man dem Ende der Freundschaft zusehen kann
Meist bestehen die Konversationen nur noch aus Anschuldigungen wie: „du hast dich irgendwie verändert“, oder: „früher hast du mir nie abgesagt“. Auf WhatsApp werden wilde Vorwürfe umhergeschmissen, bis man sich vor dem nächsten Treffen nicht mehr ganz so toll fühlt, wie es einmal der Fall war.
Irgendwann wird aus all der Leichtigkeit und Unbeschwertheit, die die Freundschaft einst ausmachte, ein negativer Klotz mit ständigen Nörgeleien und Vorwürfen. Ein bekanntes Muster, welches nicht nur unsere romantischen Beziehungen, sondern auch unsere Freundschaften gefährdet. Denn statt uns zu fragen, wie wir unsere veränderten Lebensgewohnheiten und Gegebenheiten miteinander kombinieren können, beharren wir starr und unflexibel auf das, was einmal war.
Dann ist die Freundschaft plötzlich vorbei.
Liebe in Freundschaften
Wenn Liebesbeziehungen in die Brüche gehen, dann trauern wir. Unser enges Umfeld vergewissert sich im Sekundentakt nach unserem Gemütszustand. Wenn wir aber eine Freundin oder einen Freund verlieren, bleibt das meist unkommentiert. Es ist dann einfach so. Der Schmerz, den wir dann aber spüren, wenn wir einen so wichtigen Menschen verloren haben, kann laut Psycholog*innen genauso stark und oftmals sogar noch intensiver sein.
Auch wenn Freundschaften platonische Beziehungen sind, spüren wir nicht weniger intensive Gefühle für unsere Freunde. Mit unseren engen Freunden teilen wir private Gedanken, Erlebnisse, das Bett nach verrückten Abenden und bekommen den Rat, den wir manchmal nicht hören möchten. All das verbindet uns so sehr miteinander, dass die Verbindung auch mal stärker sein kann, als mit dem Partner oder der Partnerin. Vermutlich weil wir unsere Freunde nicht so idealisieren, wie unsere Partner*in. An eine romantische Beziehung stellen wir stets Ansprüche, haben hohe Erwartungen und malen uns das perfekte Bild der Verhaltensweisen und Interaktionen aus. All das haben wir in Freundschaften nicht. Die vermeintlichen Fehler, die wir an unseren Partner*in ständig bemängeln, stört uns bei unserer Freundin nicht im Geringsten. Vielmehr profitieren wir von den gegensätzlichen Verhaltensweisen unserer Freunde und bauen dadurch nur noch mehr Nähe auf.
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Wer eine langjährige Freundin oder einen langjährigen Freund verloren hat, weiß ganz genau, wie nachhaltig dieser Schmerz spürbar ist. „Freunde sind die Familie, die wir uns ausgesucht haben.“ An diesem Spruch ist durchaus etwas dran.
Wenn wir also eine Liebesbeziehung beenden oder verlassen werden, dann greifen wir zu unserem Smartphone und wollen mit unserer engsten Freundin sprechen. Mit wem sprechen wir aber, wenn diese Person nicht mehr in unserem Leben ist?
Wenn ich ältere Menschen im Restaurant zusammenkommen sehe, wie sie miteinander lachen und den Abend bei Wein und Pasta ausklingen lassen, würde ich mich nur zu gerne dazusetzen und mir anhören, was die Freundschaft und Verbindung ausmacht. Manchen sieht man förmlich an, dass dahinter mehrere gemeinsame Jahrzehnte liegen. Ich frage mich dann immer: Wie funktioniert das so lange? Wie können eigene Leben gelebt, Familien gegründet und Karrieren aufgebaut werden, während sich diese Menschen über all die Jahre nicht entfremden?
Wenn Freundschaften nicht mehr funktionieren, zerbrechen sie einfach.
Früher waren Freundschaften so viel einfacher. Man war gezwungen, Zeit miteinander zu verbringen, besonders in der Schulzeit. Wir Menschen sind soziale Wesen, wir brauchen einander. Trotzdem fällt es uns im Alltagstrubel schwer, Freundschaften zu pflegen. Homeoffice, Partnerschaften, Verantwortungen: All das kann engen Freundschaften die Priorität nehmen. Dabei sind sie so wichtig.
Wenn man es dann doch wieder versucht und schnell spürt, dass es nicht ansatzweise wie früher ist.
Nicht selten, versucht man daher verlorene Freundschaften nach Jahren des Stillschweigens doch wieder zusammenzufinden. Egal, wie die Verbindung auch war, man wird immer merken, dass es sich verändert hat. Daher bleiben eigentlich nur folgende Möglichkeiten:
- Die schöne Zeit miteinander in warmer Erinnerung zu behalten und immer zu schätzen und damit den Liebeskummer zu trösten
- Die Freundschaft wiederzubeleben und dabei zu akzeptieren, dass wir Menschen uns verändern und dieses Recht auch unseren Freunden einzuräumen (Liebe bedeutet eben auch, die Andersartigkeit zu lieben)
- Sich für immer traurig und voller Schuldgefühle zu fragen: „Was habe ich falsch gemacht?“ – Nicht zu empfehlen.
Auch meine (einstige) Freundin und ich hangelten uns an diesen drei Möglichkeiten entlang. Nachdem wir anfangs den Anschein erwecken wollten, uns würden die schönen Erinnerungen genügen, gingen wir schnell zur zweiten Möglichkeit über. Nicht nur einmal. Kurz nach dem Ende der Freundschaft war es jedoch zu frisch. Nach ungefähr zwei Jahren war es viel zu verbissen. Jetzt, nach circa fünf Jahren, fühlt sich der erneute Versuch entspannter an. Scheinbar haben wir etwas begriffen: Das Ziel sollte nicht darin bestehen, exakt die gleiche Freundschaft wiederherzustellen. Wie soll das auch möglich sein? Wir entwickeln uns über all die Jahre weiter – ob mit, oder ohne einander. Es muss nicht wieder die allerbeste, leichtherzige und unbeschwerte Freundschaft sein. Den Reset-Knopf haben wir ganz einfach gegen einen Akzeptanz-Knopf ausgetauscht und das fühlt sich gut an. Ob es so bleibt, das kann uns niemand sagen. Doch wer will schon in die Zukunft sehen? Ich jedenfalls nicht.
3 Antworten zu “Freundschaftskummer: Der Herzschmerz, der nie richtig vergeht”
Danke für diesen schönen und wichtigen Text, der gerade nicht passender sein könnte! <3
Ich merke oft, dass der Schmerz in meinem Umfeld gar keinen Platz hat. Deshalb danke fürs Weniger-Alleine-Fühlen und viel Liebe für deinen Schmerz!
Es stimmt, zerbrochene Freundschaften werden nicht wirklich thematisiert und auch wenn man die Entscheidung oft mitträgt, so ist es traurig, aber ich erinnere mich nicht daran, dass ich darüber gesprochen habe. Einige Gedanken zu vergangenen Freundschaften verfolgten mich noch Jahre nach dem Ende – ich schien sie nicht verarbeitet zu haben. Umso mehr schätze ich diesen Text, danke dafür!
Ich habe vor genau einem Jahr eine 7 Jährige Freundschaft beendet,weil er hinter meinem Rücken Sachen ausgeplaudert hat, welche er für sich behalten sollte. Er hat sichtlich darunter gelitten. Heute habe ich ihm vergeben,weil ich es nicht mehr mit ansehen konnte.So richtig zugegeben hat er sein Fehlverhalten dennoch nicht. Ist das falscher Stolz oder ist es ihm Peinlich? Mal sehen was die Zeit bringt.