Freundschaften im Erwachsenenalter: Wann ist Verabreden zu einer Logistik geworden?

5. März 2024 von in ,
Tweet via X
Hey Girl, lang nicht gesehen! Lass mal wieder nen Kaffee trinken gehen oder was unternehmen! Wie sehen bei dir die nächsten Tage aus?“ Wer kennt’s nicht. Im Alltag ist ganz schön schnell so viel los, dass man zwischen Haushalt und Arbeit manchmal das Leben aus den Augen verliert. Mit seinen Freund:innen mehr Zeit digital verbringt als offline. Oder weil die Planung eines einfachen Treffens oft wie eine logistische Unmöglichkeit scheint. Platzende Terminkalender, kollidierende Zeitpläne und desto mehr Leute involviert werden, desto ferner scheint ein Treffen in größerer Runde. Wer kennt‘s nicht?! Freundschaften im Erwachsenenalter werden logistisch manchmal ganz schön komplex.

Freundschaften im Erwachsenenalter: Vom Alltagsproblem zum Meme

Klar, dass diese irgendwie komischen Planungsversuche viel Potenzial für Internetgold und die Meme-Kultur bieten. Auf Social Media kursieren humoristische Bild-Text-Kombinationen und Videos darüber, wie Verabredungen als erwachsene Person zu einer wilden Terminkoordinierung wird. Oder darüber, wie besonders es ist, wenn es ein „Vorhaben“ tatsächlich aus dem Group-Chat schafft. Ein weiteres Phänomen, was zum Synonym für Erfolg geworden ist: Denn „the more“ ist zwar immer „merrier“, aber oft auch mühsam. Aber war das schon immer so? Stehen wir uns selbst im Weg und sind zu unspontan geworden?

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von The Growing Investor (@thegrowinginvestor)

Wann genau sind Verabredungen zu so einer Logistik geworden?

Es ist ja nicht so, als würde man sich nicht nicht sehen wollen. Doch sobald man mal aus der Uni raus ist oder nicht zufällig am selben Arbeitsplatz angestellt ist oder in unmittelbarer Nachbarschaft wohnt, ist es gar nicht mehr so einfach, sich regelmäßig zu sehen. Unterschiedliche Arbeitszeiten, verschiedene Verpflichtungen sowie An- und Abwesenheiten. Es scheint manchmal so, als würde man aneinander vorbeiplanen – und das, obwohl man in derselben Stadt wohnt und einem Treffen theoretisch nichts im Weg steht. Außer des eigenen Terminkalenders. Oder die Inflexibilität, sich aus der eigens geplanten Komfortzone herauszubegeben.

Die Sache mit der räumlichen Distanz

Hinzu kommt: Man hat sich verteilt. Auch räumlich. Manche sind in eine andere Stadt gezogen. Andere in ein anderes Land. Verständlich, dass man sich dann nicht regelmäßig auf einen Kaffee trifft. Dennoch sieht man oft weiter weggezogene Freund:innen manchmal öfter, weil man sich vorsorglich gleich in einem längeren Planungszeitraum miteinander verabredet. Tag X im Kalender markiert und für regelmäßige Face-to-Face-Meetings sorgt. Bei vielen anderen in der Umgebung bleibt es häufig bei dem Versuch, einem versprochenen Bald oder der geliebt-gehassten Floskel vom „Lass uns unbedingt mal auf einen Kaffee oder Drink treffen“. Ja, ja, ja! Mit wie vielen Leuten das wirklich klappte, lässt sich an einer Hand abzählen.

Adult friendships are bangers, they be like

“I miss you bro, let’s link in December ” >>>>>>>

— U N S T A B L E🇿🇦🧑🏾‍🎓🇲🇫 (@SavageMaveriick) November 16, 2023

Die digitale Standleitung

Dabei halte ich digital ziemlich gut Kontakt. Einige meiner Freund:innen habe ich auf Kurzwahl und es vergeht kein Tag, an dem wir nicht minutiös mindestens alle paar Stunden beieinander einchecken. Eine kurze Nachricht, ein Anruf oder ein Video-Call. Wir pflegen eine Standleitung. Fast exzessiv genutzt. Für kleine Check-ins, Aufreger oder auch nur zum Anschweigen. Doch nicht alle sind Fans von Telefonieren und Co. Hier fällt Kontakthalten nicht schwerer, sondern sieht anders aus. Einchecken alle paar Monate. Größere Lebens-Updates und ab und an auch dann ein recht spontan geplantes „Wird wieder Zeit“-Wiedersehen. Spontan, unkompliziert. Da kann man oft nicht glauben, wie kompliziert es im Vorfeld schien.

Ein geteilter Kalender für Freundschaften im Erwachsenenalter

Doch zurück zu den logistischen Hürden, den oft herbeigesehnten gemeinsamen Kalendern und dem Versprechen, nach einem gelungenen Treffen das nächste nicht wieder so lange hinauszuzögern. Es scheint, als wären Freundschaft im Erwachsenenalter unumgänglich mit Planung verbunden. Dem sich rechtzeitig melden, auch wenn gerade viel los ist. Sich trotz wenig Kontakt bei einem Wiedersehen immer wieder mit demselben Gefühl der Vertrautheit zu begegnen. Als hätte man sich erst gestern gesehen. Was bei vielem bleibt, der Schlüssel zum Erfolg, die beidseitige Kommunikation. Dass es sich nicht übel nehmen, wenn man nicht kann oder sich nicht sozial fühlt oder der Karrierewunsch den anderen zu vereinnahmen scheint. Aber auch andere Faktoren spielen eine Rolle, wenn es heißt, einen ganz neuen, gemeinsamen Groove finden zu müssen.

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Sweetpsycho (@sweetpsych0)

Alte Rituale und neue Lebensabschnitte

Auch die sich unterschiedlich entwickelnden Lebenskonzepte sind tragende Faktoren. Sobald man nicht mehr den gleichen oder ähnlichen Tagesablauf oder Lifestyle hat, bleibt möglicherweise nicht mehr so viel Zeit für frühere Rituale wie unter der Woche weggehen oder bis in die Puppen in einer Bar versacken. Auch ich fühle mich manchmal müde und ausgelaugt, wenn gerade viel los ist. Und auch wenn ich weiß, dass das sich mit Freund:innen verabreden, auch ein guter Ausgleich zum Energie schöpfen sein kann, ist mir nicht immer danach in Gesellschaft zu sein. Denn mein Job erfordert ebenfalls ein hohes Maß an Socializing, das ich mit Alleinsein ausbalanciere. Das führt an manchen Tagen zu einem inneren Konflikt. Denn natürlich würde ich sie gerne sehen, fühle mich oft aber auch unter Druck gesetzt, wenn in bestimmten Gruppen ständig Aktivitäten geplant werden, die mit meinem Work-Life-Socializing-Me-Time-Pensum kollidieren.

Grow with the Flow!

Was ich mir in solchen Momenten vornehme, ist, ihnen bei Gelegenheit kurz zu erklären, dass ich nicht per se keine Lust auf ein Treffen habe, sondern mir manchmal einfach nicht nach Gesellschaft ist. „Hey, ich bin gerade ruhiger und nicht ganz so oft dabei, aber ich kann gerade nicht anders. Das hat mehr etwas mit mir zu tun und ich freue mich jedes Mal, wenn wir uns sehen und eine schöne Zeit zusammen haben.“ Darauf hinweise: „Gerade bin ich schlecht planbar, aber wenn du anrufst, gehe ich ran. Oder rufe gleich zurück, sobald ich kann“. Und auch wenn dieser ganze logistische Aufwand hinter Verabreden manchmal nervig und irre wirkt, am Ende schafft man es doch immer wieder aus einer völlig aussichtslosen „vor nächstes Jahr, Dezember, schaffen wir’s nicht“-Situation ein „bock auf Dinner bei mir in einer Stunde“-Date zu machen! Ganz einfach – völlig ungeplant! Den Freundschaften im Erwachsenenalter wirken bei näherer Betrachtung gar nicht mehr so kompliziert.

Sharing is caring

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Absenden des Kommentars bestätigst Du, dass Du unsere Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen hast.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner