Foodsaver werden: Der Start mit Foodsharing
Kurz vor Weihnachten fällt es mir immer ganz besonders auf. Die Leute reservieren ihre Weihnachtsgans, stehen Schlange für Lebensmittel und hamstern schon jetzt so viel wie möglich, um über die zwei läppischen Feiertage auch wirklich genug zu Essen zu Hause zu haben. Die Konsequenz: Die Supermärkte sind noch überladener als sonst, selbst am 24. Dezember kurz vor Ladenschluss. Einfach alles ist zu haben, und das im Überfluss. Und als ich letztes Jahr so kurz vor Ladenschluss durch eine riesige, proppenvolle Supermarktfiliale bei meinen Eltern ging, wurde mir mal wieder klar, wie viel von diesen riesigen Mengen an Lebensmitteln nicht mehr in den Regalen zu finden sein wird, wenn der Laden am 27. Dezember wieder seine Türen öffnet. Und wie viel von all diesen Lebensmitteln, die noch lange gut sind, in den Mülltonnen landen wird, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum näher rückt. Wie in jeder anderen Supermarktfiliale auch, wodurch in Deutschland jährlich 11 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen werden.
Letzten Samstag ging ich zum ersten Mal zu einem Fair-Teiler. Das ist ein Ort, der zu einer festen Zeit pro Woche geöffnet ist, und an dem Leute Lebensmittel vorbeibringen, die sonst weggeschmissen werden würden. Das können Lebensmittel von zu Hause sein, die man nicht mehr aufbrauchen kann oder möchte, aber vor allem sind das Lebensmittel, die von unterschiedlichsten Supermärkten, Bäckern und kleinen Läden aus der Gegend zusammengetragen werden.
Völlig unwissend kam ich nicht um 10:30, sondern um ungefähr 10:45 beim Fair-Teiler an, und bekam ein paar letzte Karotten zugesteckt, denn alles andere war schon aufgeteilt. Darum, meine Tasche mit Lebensmitteln zu füllen, ging es mir bei meinem Besuch aber gar nicht primär, sondern ich wollte mich informieren: Was kann ich eigentlich tun, damit weniger Lebensmittel im Müll landen? Gibt es ein System, in das ich mich einklinken kann? Wo wird Hilfe gebraucht? Und wie läuft Foodsaving überhaupt ab?
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Zu all diesen Fragen hatte mich Annemarie inspiriert, eine erfahrene Foodsaverin, die auf Instagram regelmäßig teilt, was sie vor dem Wegschmeißen rettet, was nach dem Weiterverteilen für sie selbst übrig bleibt und was sie alles daraus kocht. Und ich beschloss, mich endlich mal wirklich darüber zu informieren, was es mit diesem Essensretten eigentlich auf sich hat. Beim Fair-Teiler fragte ich alles, was ich wissen wollte, und was meine Nachbarschaft betrifft: Welche Supermärkte und Läden machen hier mit? Wie erfahre ich, wann und wo diese Läden aussortierte, aber noch gute Lebensmittel zur Abholung bereitstellen? In welchen Teams werden Leute gesucht? Braucht der Fair-Teiler Unterstützung? Und wie fange ich nun eigentlich an?
Nach dem Treffen ging ich nach Hause und machte den ersten wichtigen Schritt, um Essensretterin zu werden: Ich meldete mich auf foodsharing.de an, las mir alle Info-Artikel durch und bestand das Quiz, das einen vom bloßen Nutzer zum aktiven Foodsaver qualifiziert. Der zweite Schritt sind nun drei Einführungs-Abholungen zusammen mit Foodsavern, die schon länger dabei sind, die ich gerade organisiere. Jetzt aber erstmal alle Infos im Überblick für alle, die das Thema genauso interessiert, wie mich!
Was ist Foodsaving oder Foodsharing überhaupt und was ist das Ziel?
Foodsharing oder -saving bedeutet, auf foodsharing.de im privaten Rahmen eigene Lebensmittel als Essenskörbe zu posten, die Andere abholen können, oder sich selbst von Anderen Lebensmittel abzuholen, die sonst weggeschmissen werden würden. Das funktioniert in großen Städten ok, ist aber noch ausbaufähig. Foodsaving im größeren Stil bedeutet also vor allem, von Supermärkten, Bäckern und anderen Betrieben Lebensmittel abzuholen, die kurz vor oder am Mindesthaltbarkeitsdatum stehen, die Druckstellen haben oder nicht mehr ganz frisch sind, und die deshalb weggeschmissen werden würden. Das können Backwaren sein, Gemüse, Säfte, Joghurts, Schokolade und andere weniger verderbliche Lebensmittel, ausgeschlossen sind Fleisch, Fisch und einige Milchprodukte.
Das Ziel des Essenrettens ist, Lebensmittelverschwendung einzudämmen, Ressourcen zu sparen und bereits produzierte Lebensmittel vor dem Wegschmeißen zu bewahren, sie weiterzuverteilen oder selbst aufzubrauchen. Weiterverteilen kann man sie entweder an Freunde oder Arbeitskollegen, oder natürlich auch an soziale Einrichtungen. Viele Supermärkte machen die Weitergabe an soziale Einrichtungen zur Bedingung, um mit Foodsavern zusammenzuarbeiten, was ein Grund dafür ist, dass man als Foodsaver sehr gewissenhaft und zuverlässig mit anderen zusammenarbeiten muss – all diese Abläufe finden auf ehrenamtlicher, aber vertrauensvoller Basis statt. Wichtig ist dabei zum einen, dass man selbst die Verantwortung dafür trägt, ob die Lebensmittel noch genießbar sind. Zum Anderen nehmen Foodsaver Vereinen wie der Tafel nichts weg, sondern treten erst dort auf, wo Tafel und Co. nicht selbst abholen oder schon abgeholt haben. Denn es bleiben immer noch Unmengen an Lebensmitteln, die ohne Foodsaver einfach weggeschmissen werden würden.
Wie werde ich Foodsaver?
Man meldet sich ganz einfach auf foodsharing.de an, liest sich die Info-Artikel über das Foodsaving durch, und macht ein Online-Quiz. Das können entweder 10 Fragen auf Zeit oder 20 Fragen ohne Zeitbegrenzung sein, und man kann das Quiz mehrmals wiederholen. Sobald man es bestanden hat, kann man sich für die ersten Abholungen mit erfahreneren Foodsavern anmelden. Hat man drei Abholungen zuverlässig gemacht, kann man einen Foodsaver-Ausweis bekommen und sich bei allen Abholungen selbstständig einklinken, die noch Hilfe brauchen.
Wo und wie kann ich Lebensmittel abholen?
Das hängt ganz von den Betrieben ab, die im eigenen Umkreis mitmachen. Auf der Foodsharing Karte kann man sehen, welche Betriebe in der Gegend grundsätzlich registriert sind, und bei welchen Betrieben noch Leute für die Abhol-Teams gesucht werden. In meiner Gegend machen einige Läden wie VollCorner oder Edeka mit. Die Abhol-Teams sind oft schon voll, was bedeutet, das hier regelmäßig ein bestimmtes Team zu festen Zeiten große oder kleinere Mengen an Lebensmitteln abholt und weiterverteilt – an soziale Einrichtungen, Freunde und Bekannte oder den Fair-Teiler. Man kann aber auch gezielt nach Betrieben suchen, für die noch Helfer gebraucht werden – in meinem Fall sind das zum Beispiel zwei Bäcker ums Eck, die abends Brot und Backwaren übrig haben.
Wie viele Lebensmittel kann ich abholen, und brauche ich dafür ein Auto?
Die Menge der Lebensmittel ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich, oft reichen auch große Taschen und ein Fahrrad. Jeder Betrieb hat eine kleine Infoseite, über die man schon erfährt, um welche Mengen es sich handelt. Grundsätzlich gilt: Alles, was man abholt, rettet man davor, weggeschmissen zu werden – auch kleine Mengen!
Kosten die Lebensmittel etwas?
Foodsharing funktioniert komplett geldfrei, das heißt, man zahlt weder für die Lebensmittel, noch verkauft man sie weiter. Alle Ausgaben, die mit dem Essensretten in Verbindung stehen wie Fahrtkosten etc. werden selbst getragen, auch die Verantwortung liegt ganz bei einem selbst. Genau hier liegt oft das banale Problem, wodurch so viele Lebensmittel weggeschmissen werden: Wird das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht, erlischt die Garantie der Hersteller, dass ein Produkt zu 100% noch genießbar ist. Verkauft werden kann das Produkt nun nicht mehr, wodurch auch die Zuständigkeiten beendet sind: Die Supermarktmitarbeiter haben keine Kapazitäten, eine Weiterverteilung zu organisieren, die Lebensmittel sind finanziell wertlos und werden entsorgt. Die meisten Lebensmittel mit Mindesthaltbarkeitsdatum sind allerdings noch Wochen oder Monate später genießbar (z.B. Schokolade), und genau hier klinken sich Vereine wie die Tafel oder auch Foodsharing ein, um die Organisation des Weiterverteilens zu übernehmen.
Habt ihr noch weitere Fragen oder seid selbst schon erfahrenere Foodsaver? Ich freue mich auf den Austausch und auf ein neues Jahr mit weniger Verschwendung!
Fotos: todayis
2 Antworten zu “Foodsaver werden: Der Start mit Foodsharing”
[…] So möchte ich mich 2019 engagieren: Foodsaverin werden und so viele Lebensmittel wie möglich vor dem Wegschmeißen bewahren. Alle Infos dazu findet ihr hier! […]
[…] ich habe gehört, das kann man lernen. Milena hat mich hierbei angespornt. Ihr Artikel zum Thema Foodsharing und den Gedanken des Foodsavings ließen mich aufhorchen. Lebensmittel (öfter retten), weniger verschwenden und erstmal alles […]