Thank you for traveling mit Flugangst: Was wirklich hilft

3. April 2024 von in

Auf dem Weg von NYC nach Paris starre ich auf den Hinterkopf der Stewardess, während ich auf die Toilette an Bord warte. Es ist frühmorgens, sie gießt heißes Wasser in eine große graue Thermoskanne, bereitet das Frühstück vor. Wahrscheinlich Kaffee, denke ich. In vielen Jobs ist diese Tätigkeit verpönt, in diesem können wir alle froh sein, dass das ihre Aufgabe ist. Denn Flugbegleiter:innen sind für einen Job ausgebildet, den sie hoffentlich nie ausführen müssen: Im Notfall agieren. Mir fällt auf Anhieb und auch nach längerem Grübeln kein anderer Beruf ein, der am besten durch Abwesenheit der eigentlichen Tätigkeit, in der ausgebildet wird, glänzt.

Seit dem einem Horrorflug im Jahr 2018 fliegt meine Angst immer mit. Und seitdem weiß ich Flugbegleiter:innen umso mehr schätzen. Meist glauben mir Leute gar nicht, wie sehr mich die Flugangst packt, bis sie wirklich einmal neben mir im Flieger sitzen. Und damit fängt der Umgang mit ihr schon an:

Am besten alleine fliegen.

Was in der Theorie nett klingt – eine Person, die einem die Hand halten kann, die einen beruhigt – ist tatsächlich null hilfreich, denn meine Begleitung wird nur zur Fläche, auf der meine Flugangst tanzen kann. Wenn ich alleine sitze, dann kann ich mich nicht reinsteigern, kann mich an niemanden klammern. Ich sitze stattdessen einfach nur und versuche, durch den Start zu kommen.

Über die Jahre habe ich viele Dinge ausprobiert, denn für mich war immer klar, dass nicht fliegen keine Option ist – und ich bin trotz allem viel geflogen. Eine ehemalige Kollegin von mir ist immer mit dem Auto oder Zug an die Ostsee gefahren, weil sie so Angst vor dem Fliegen hatte. Das kam für mich nicht infrage: Asien war immer eine Herzensangelegenheit – allerspätestens, seitdem ich 2013 in Japan gelebt habe -, und obwohl die transsibirische Eisenbahn sicher auch spannend ist, sehe ich mich nicht für jede Fernreise Zug oder Schiff nehmen.

Unpopular opinion, aber je mehr man fliegt, desto besser wird es.

Wenn du drei Flüge hintereinander nehmen musst, dann bist du spätestens beim dritten entspannter als beim ersten. Man ‚lernt‘, dass es geht, dass wirklich nichts passiert. Die Statistiken zu der Wahrscheinlichkeit eines Flugzeugabsturzes kennen wir sicher alle, aber Fakten helfen bei Angst nur bedingt. Die Angst glaubt nur, was sie nicht fühlt.

Mehr Sicherheit auf dem richtigen Sitzplatz.

Mir hat es auch sehr oft geholfen, einen Sitz im Gang zu haben. So kann ich aufstehen und den Gang hinunterlaufen, wenn mich das Gefühl von Panik überkommt. Es gibt mir das Gefühl, etwas sicherer und weniger nah am ‚Abgrund‘ zu sein. Am Ende ist es relativ egal, wo man sitzt – wenn etwas passiert, ändert ein anderer Platz daran nicht viel. Aber die Turbulenzen spürt man weniger, wenn man auf Höhe der Flügel sitzt. Am stärksten sind sie in den hintersten Reihen, diese also, wenn es geht, vermeiden. Airlines lassen sich viel bezahlen und so auch die Sitzplatzreservierung, aber es gibt mir ein wenig peace of mind und ich gönne es mir, wenn es hilft, die Nerven zu beruhigen.

Eigentlich ein no brainer, aber die Angst ist weniger stark, wenn man ausgeschlafen, genug hydriert und stressfrei in den Flieger steigt.

Das heißt auch, dass ich früh genug am Flughafen bin, mir eventuell schon einen Slot für die Fummeltruppe buche (beispielsweise am BER möglich) und schonmal sicherstelle, dass mein Gepäck nicht über das Gewichtslimit kommt. Der Versuch, alle anderen Stressfaktoren und Unsicherheiten auszuschalten, gibt mir das Gefühl, die Sache im Griff zu haben.

Die Angst nach hinten verschieben.

Oft war mir schon wenige Tage vor Abflug mulmig. In Gedanken bin ich immer wieder zu dem Moment der Turbulenzen im Flugzeug gewandert, zum Teil hatte ich Albträume, konnte mir nichts ansehen, was mit Fliegen zu tun hat. Wie man sich vorstellen kann, ist das sehr belastend, daher habe ich mir immer wieder gesagt, dass ich meine Angst auch erst im Flugzeug – also wenn es dann ‚soweit‘ ist – von der Leine lassen kann. Ich werde sie verspüren, aber dann auch wirklich erst in dem Moment selbst. So habe ich es geschafft, meine Flugangst nach hinten zu verschieben. Wenn also die Gedanken aufkamen, habe ich gesagt ‚Jetzt nicht, den Raum gibt es später.‘ und es funktioniert sehr gut. Mittlerweile ist meine Flugangst ’nur‘ noch punktuell beim Abflug, Landen und bei Turbulenzen da.

Mehr Ruhe durch Meditation

Gedanken zu steuern und sie zu beobachten ist eine Fähigkeit, die ich mit dem Meditieren verbessert habe. Es wurde mir oft im Rahmen meiner Flugangst empfohlen und obwohl ich nicht dran geglaubt habe, hatte ich zugleich nichts zu verlieren und kann heute sagen, dass ich tatsächlich gewonnen habe. Der Effekt stellt sich nicht sofort ein, aber nach Monaten des mehr oder weniger regelmäßigen Meditierens, konnte ich sorgsamer mit mir in Momenten der Angst umgehen. Sich auf die Atmung zu konzentrieren beim Start hat mir schon des Öfteren die ganz harte Panik genommen.

Sich mit Fremden unterhalten

Leider bin ich gar keine Queen des Smalltalks und für belangloses Präsentieren von Informationen auch nicht zu haben, aber wenn die Person neben einem offen ist und sich austauschen möchte, kann das eine gute Ablenkung sein. Vor Jahren saß ein Mann mittleren Alters mit seiner Teenagertochter neben mir, der so ziemlich alles über mich wissen wollte. Am Ende hat er mich so genervt, dass ich glatt meine Angst vergessen habe. Vor dem Ausstieg habe ich mich dafür bei ihm bedankt und er wusste nicht so recht, ob er sich freuen sollte oder nicht, und zauberte stattdessen ein verlegenes Lächeln als einzige Antwort auf sein Gesicht.

Don’ts:

Ich kenne nicht wenige, die sich auch mit Alkohol oder Beruhigungsmittel rauskacheln, damit sie wirklich vergessen, wo sie sind. Die Angst betäuben hat für mich noch nie gut funktioniert. Ich wollte verstehen, was um mich herum passiert. Mitbekommen, wo wir gerade sind. Manche Airlines haben auch Front- und Rückkameras, sodass man bei Start und Landung schauen kann, wie es ‚draußen‘ aussieht. Mir hat das oft ein Gefühl von Kontrolle zurückgegeben.

Wissen ist Macht und man kann sich viel durchlesen, versuchen zu durchdringen, wie Auto-Piloten funktionieren, wann welches Sicherheitssystem greift, in welchem Flugzeugtyp man sitzt oder wie hoch die Absturzrate einer Airline ist, doch letztlich sitzt die Angst immer mit dabei. Wie man damit umgeht, ist auch individuell, ich möchte niemanden, die Flugangst absprechen und weiß, dass bei all meine Tipps am Ende im Einzelfall wenig helfen.

In meinem Fall habe ich Angst vor dem Kontrollverlust und dem freien Fall – was mir wirklich wahnsinnig weitergeholfen hat, ist folgendes Video:

@anna..paull

Fear of flying tip ✈️❤️

♬ original sound – Anna Paul

Angst fluktuiert, und je nachdem welche Erfahrung man gemacht hat, hat sie einen mehr oder minder im Griff. Lasst euch nicht davon eingrenzen, seid nicht wie meine ehemalige Kollegin, die nicht mehr geflogen ist. Die Welt da draußen hat so viel zu bieten und ich bin froh, dass meine Angst meine Abenteuerlust nicht beschnitten hat. Auch, wenn ich beim Einsteigen in den Flieger immer noch oft hadere und es wohl nie meine liebste Sache werden wird.

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