Female Finance Fragebogen: Sandra, 43, freie Kommunikationsberaterin

17. Januar 2023 von in

Über die Finanzen spricht man nicht? Das sehen wir anders. Denn finanzielles Wissen ist ein viel zu wichtiges Thema, um es unter den Teppich zu kehren und alles nur mit sich selbst auszumachen. Einen gesunden Umgang mit Geld kann man lernen – wenn man darüber spricht. In den letzten Jahren haben mir der offene Austausch mit FreundInnen, aber auch die unzähligen Geschichten Einzelner in Gruppen wie Madamemoneypenny geholfen, meine Finanzen viel aktiver zu durchdenken und auch das Thema Sparen und Investieren aktiv in die Hand zu nehmen. Nicht die vagen grundsätzlichen Tipps sind dabei das, was mich am meisten inspiriert – sondern individuelle Situationen, an denen ich mir ein Beispiel nehmen kann.

In der aktuellen Energiekrise und der neuen Inflations-Situation ist es für uns alle hilfreich, über Geld zu reden – und über die vielen Wege, Geld zu sparen, es anzulegen und sich besser abzusichern. Finanzielles Wissen ist gerade für Frauen wichtig. Denn 63% aller verheirateten Frauen zwischen 30 und 50 Jahren in Deutschland verdienen unter 1000 Euro netto. Frauen verdienen durchschnittlich 18% weniger als Männer. Egal ob verheiratet oder nicht: es ist für jeden und besonders für alle Frauen wichtig, sich finanzielles Wissen und finanzielle Unabhängigkeit aufzubauen – die Grundlage dafür ist offener Austausch. Deshalb haben wir den Female Finance Fragebogen der amazed-Community ins Leben gerufen und euch gefragt, wie ihr mit eurem Geld umgeht – und wie ihr es schafft, etwas davon zu sparen. Wir waren überwältigt von eurer Offenheit und eurem Interesse – hier kommt Folge 6 des Female Finance Fragebogens!

Wie alt bist du, was arbeitest du und wie viel Geld hast du monatlich ungefähr netto zur Verfügung?

Ich bin 43 Jahre alt und arbeite freiberuflich in der Kommunikationsberatung. Da ich selbstständig bin, schwankt mein Einkommen je nach Auftragslage zwischen 1.800 bis 3.600 Euro netto pro Monat. Zusätzliches Einkommen habe ich noch durch einen Job im sozialen Bereich auf 450-Euro-Basis.

Welcher Bildungsweg hat dich zu deinem jetzigen Job geführt?

Mein Weg war alles andere als stringent. Ich habe die Schule zwei Monate vor dem Abitur geschmissen. Damals hatte ich keine Lust mehr auf die starren Vorgaben, vielleicht auch etwas Prüfungsangst. Dazu kam eine Liebe, für die ich kurzerhand einfach umgezogen bin. Da ich ohnehin nicht wusste, was ich studieren soll, weil unser Schulsystem meiner Meinung nach so furchtbar am Leben vorbeigeht, wollte ich erst einmal etwas vom Leben kennenlernen. Es ging also noch vor dem Umzug für ein paar Monate nach Mexiko, dann nach München und dann in eine Ausbildung in einem Beruf, in dem ich nie arbeiten wollte. Ich bin gelernte Zahnarzthelferin mit einem Abschluss von 1,3, habe aber nie in dem Beruf gearbeitet.

Beworben hatte ich mich bei einem Zahnarzt, der einen Verlag für ästhetische Zahnmedizin hatte. 1997 noch absolut neu in Deutschland – und das war es, was mich interessierte. Das habe ich ehrlicherweise auch von Beginn an kommuniziert, und so war ich neben der Ausbildung sehr fleißig, habe gute Texte geliefert und wechselte nach kurzer Zeit tatsächlich in den Verlag. Die Ausbildung habe ich dann dennoch zu Ende gemacht – auch um die Themen alle besser zu verstehen. Wir gründeten ein Franchiseunternehmen, wofür ich Marketing und Konzept mitentwickelte. So kam ich zum Marketing.

Nach fünf Jahren wollte ich das vertiefen, weil es mir wirklich Spaß machte, und wechselte zu einer großen Getränkemarke, die gerade neu nach München kam. Dort wollte ich mein Wissen professionalisieren und konnte hier neben dem Job sogar studieren und meinen Marketingfachwirt machen. Nach 12 absolvierten Klassen und mit Ausbildung kann man tatsächlich bei Eignung auch ohne Abi studieren.

Auch dort verbrachte ich fünf Jahre und wechselte dann in eine Kommunikations- und Werbeagentur, in der ich eigene Accounts und Werbefilm-Drehs betreute. Hier vertiefte ich meine Kommunikationskenntnisse und fand das Gesamtpaket aus Marketing und Kommunikation noch spannender. Auch in der Agentur verbrachte ich einige Jahre, inklusive meiner ersten Schwangerschaft. Ich habe immer gerne und mit Leidenschaft gearbeitet und so stand ich nach der Geburt meiner Tochter im Januar 2011 schon im Februar (Backstage stillend) wieder als Lead auf meiner ersten Veranstaltung im Bayerischen Hof. Drei Jahre später, schwanger mit meiner zweiten Tochter, entschied ich, in die Selbstständigkeit zu gehen, um flexibler für meine Kinder zu sein. De facto hatte ich in der Agentur nämlich einen Teilzeitvertrag – um 16.00 Uhr musste ich mein Kind abholen-, arbeitete aber Vollzeit. Schon aus schlechtem Gewissen meinem Team gegenüber saß ich abends wieder unbezahlt am Rechner. Das wollte ich ändern, denn ich wollte, wenn ich arbeite, für die Zeit auch fair entlohnt werden. Also kündigte ich schwanger – was meinen Chef damals sehr überraschte, er mir aber auch hoch angerechnet hat – voller Überzeugung und Vertrauen in die Zukunft.

Tatsächlich war ich immer die Hauptverdienerin in meiner Beziehung. In dem Moment stellte ich aber die Lebensqualität vor das Geld und wusste, wenn wir die Grundkosten decken können, bekommen wir alles andere geregelt. Und dass ich auch mit wenig sehr glücklich sein kann, wenn ich dafür frei bin.

Seit 2013 bin ich also selbstständig und habe meine Kenntnisse weiter ausgebaut, mit weiteren Studienabschlüssen für Social Media Marketing und als Online Marketing Managerin. Der Rest ist Erfahrung und learning by doing – ich habe keine Angst vor neuen Herausforderungen. Im Gegenteil. Ich liebe es, dazuzulernen. Mittlerweile entwickle ich die Kommunikation und Strategie für Unternehmerinnen, vornehmlich Einzelunternehmerinnen, und gestalte ihr Websiten neu – also jegliche Präsenz nach außen. Gerade Frauen stapeln hier oft sehr tief und das reizt mich. Es braucht eindeutig mehr weibliche Energie in dieser Welt und ich möchte Frauen dabei unterstützen, mutig mit ihren Visionen und Ideen in die Welt hinauszugehen. Meine Arbeit ist also manchmal nicht nur Kommunikation, sondern ein Minicoaching zur Findung der eigenen Passion.

Nebenbei habe ich viel ehrenamtlich gearbeitet, zum Beispiel im Kinderhospiz und habe Ausbildungen zur Trauer- und Familienbegleitung absolviert. Ich glaube, deshalb kann ich sehr gut zuhören, ohne vorgefertigte Antworten parat zu haben. Das Thema Sprache reizt mich außerdem schon immer, denn Sprache hat unheimlich viel Kraft, wenn sie richtig eingesetzt wird – das interessiert mich und macht mir sehr viel Spaß.

Wie sieht dein finanzieller Background aus? Wie wurdest du in Bezug auf Finanzen geprägt?

Ich gebe alles aus, spare leider nichts – aber bin extreme Lebenskünstlerin. Ich kann es mir gut gehen lassen, aber genauso gut von Butterbrot leben.

Was Finanzen angeht, lebe ich sehr stark im Hier und Jetzt, und Geld ist mir absolut unwichtig. Ich lebe nach dem Grundsatz „Geld ist bunt bedrucktes Papier und bekommt nur den Wert, den wir ihm geben“.

Daher ist Geld für mich häufig auch so absolut fiktiv – siehe zum Beispiel Staatsschulden. Das ist alles unrealistisch und kann tatsächlich morgen einfach zusammenfallen. Und dann nutzt mir das Gedarbe nichts, wenn alles dann eventuell gar nichts mehr wert ist. Aufgewachsen bin ich extrem sparsam aufgewachsen – wir waren vier Kinder mit einer alleinerziehenden Mutter. Es gab nicht viel, keinen Urlaub, nichts Neues. Sparen war bei uns kein Thema, Geld ausgeben auch nicht – es war einfach keins da

Wie lebst du und wie viel zahlst du dafür?

Ich wohne zur Miete mit meiner Familie in einer Vierzimmerwohnung auf 120 Quadratmetern, die warm 2200 Euro kostet. Mein Partner zahlt die Miete, ich die Nebenkosten und alles für die Kinder wie Kitagebühren, Kleidung und alles, was sie brauchen.  Wir rechnen da nichts aus oder auf, so ist die Einteilung und manchmal ist es bestimmt weniger, manchmal mehr auf der einen oder anderen Seite. Einkaufen geht auch jeder mal, auch da rechnen wir nicht auf oder nach.

Ich versuche immer, meine finanzielle Unabhängigkeit zu wahren – es gibt kein gemeinsames Konto. Für meine Kinder haben wir jedoch Bausparverträge und monatliche Überweisungen auf Sparkonten – da bin ich sehr konservativ.

Welche Fixkosten hast du monatlich?

Unser Hund lebt luxuriös bei bestem Futter – das sind zwischen 120 und 140 Euro monatlich. Auch auf gute Lebensmittel lege ich größten Wert, da wird nicht gespart, lieber weniger gegessen. Bio, regional, gute Qualität – faire Preise, das sind 800 bis 1.000 Euro im Monat. Ein Auto spare ich mir – ich fahre Rad und öffentlich aus voller Überzeugung. Meine Monatskarte kostet 54 Euro, Handy 50 Euro. Ich habe keine Abos oder Streamingdienste, Versicherung nur Hausrat und Haftpflicht, das sind 220 Euro im Jahr

Für was gibst du besonders gerne Geld aus?

Für meine Kinder, für Freunde, für gutes Essen, für Urlaub und Freizeit oder auch für Bücher. Wie viel ich ausgebe, variiert nach meinen Möglichkeiten. Wenn es gut läuft, können das auch 500 bis 800 Euro monatlich sein, für Kleidung, Bücher, Essengehen, Ausflüge, Kurzurlaub, Pflegeprodukte, Schmuck. Es gibt aber auch Monate, in denen ich dafür maximal 100 Euro ausgebe.

Wie schaffst du dir einen Überblick über deine Finanzen?

Leider gar nicht – ich bin da ganz schön sorglos. Ich trenne lediglich Privat- und Geschäftskonto und nutze keine Kreditkarten oder ähnliches. Auch spare ich nichts aktiv, bis auf die Sparkonten und Bausparverträge für die Kinder.

Wie sorgst du im Speziellen für deine Rente vor?

Gar nicht schlimmerweise – abgesehen von der gesetzlichen Rentenversicherung. Dank meiner langen Angestelltenzeit sieht der Rentenbescheid noch ganz gut aus, und daher habe ich noch keine Angst. Und bin irgendwie auch immer der Überzeugung, bis es so weit ist, gibt es von dem Geld ohnehin nichts mehr. Aber meine Rentenabsicherung ist tatsächlich ein Thema, das ich mir anschauen möchte. Ich werde eine private Vorsorge brauchen. Eine eigene Immobilie, einen reichen Mann mit 70 – keine Ahnung, wie die Zukunft aussehen wird – nein, natürlich nicht ernst gemeint.

Ich finde es sehr herausfordernd und schwierig, das richtige Produkt zu finden. Zumal ich eben so gar keine Lust darauf habe. Entgegen jedem Trend. Wie schon gesagt, brauche ich aber auch nicht so viel. Eigentum wäre das einzige – das Thema Miete macht mir noch etwas Sorge hier in München. Sonst glaube ich, dass es irgendwie gehen wird und denke auch, wenn die Kinder aus dem Haus sind, werde ich noch etwas für mich ansparen. Jetzt eben nur für sie und das Leben, das gelebt werden will. Mit viel Vertrauen.

Das klingt bestimmt für viele total naiv – aber ich habe dieses Vertrauen schon immer gehabt und wurde bislang damit auch einfach noch nicht enttäuscht.

Wie würdest du deine Einstellung zu Geld beschreiben?

Es ist meine Einstellung und Überzeugung, dass man nicht immer alles planen kann und es auch nicht sollte, weil man sonst auch gute Chancen verpasst. Ich habe mich schon immer mutig auf Situationen eingelassen, mit dem Vertrauen, dass es schon eine Bestimmung hat, warum es jetzt so und nicht anders läuft. Das anzunehmen spart mir auch viel Energie, mit der ich mich sonst dagegen auflehnen müsste.

Ich betrachte Lebenszeit als unendlich wertvoll und möchte diese mit Dingen, die mich interessieren, verbringen – und zufrieden sein.

Das kann mit dem frühen Tod meines Bruders oder auch meiner Hospizarbeit zu tun haben. Zeit ist immer jetzt, und ich kann mich jetzt knechten und wenig Zeit mit meinen Kindern verbringen, um jegliche Sicherheit zu schaffen – von der ich aber nichts habe, wenn ich dann vom Auto überfahren werde oder mit einem Herzinfarkt umfalle, weil ich mein Leben hasse und unglücklich bin. Lieber genieße ich die Zeit und richte mich dann später entsprechend ein. Wenn es hier zu teuer wird, gehe ich eben mit der kleineren Rente ins Ausland oder oder… das ist jetzt noch nicht an der Zeit, aber ich vertraue mir da so weit, dass ich etwas daraus mache – wie auch aus allem anderen immer etwas geworden ist, obwohl alle die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen haben.
Mit meinem Partner hat meine Einstellung auch wenig zu tun – er hat bedeutend mehr Zukunftsängste, aber in der Vorsorge ist er bislang ähnlich sorglos. Er widerum vertraut da auch auf sich. Er ist immer fleißig und hat zum Beispiel auch während Corona eine neuen Geschäftsidee aus dem Boden gestampft – also ist er da doch wieder ähnlich im Vertrauen, dass er alles schon hinbekommt. Oder wir zusammen eben. Aber das traut sich auch jeder von uns für sich alleine zu. Das finde ich auch ganz wichtig, denn ich liebe nichts mehr als meine Unabhängigkeit und Freiheit – auch mit einem Partner. Ich möchte meine Entscheidungen treffen können.
Wozu ich übrigens gar keine Lust habe, ist andere mit meine Zukunftsangst reich zu machen. Deshalb stehe ich diesen Finanzcoachings auch sehr skeptisch gegenüber. Habe mir mal zwei näher angeschaut und fand es befremdlich – das ist ja kein Hexenwerk und jeder, der sparen will, bekommt das ohne Beratung hin, weil man dann ja ohnehin die Motivation dazu hat. Letztendlich verkaufen die Coaches auch keinen heiligen Gral, auf den man selbst nicht kommen könnte, und das Geld dafür kann man sich sparen.

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4 Antworten zu “Female Finance Fragebogen: Sandra, 43, freie Kommunikationsberaterin”

  1. Das ist ja mal erfrischend! :D Endlich jemand, der näher an meinem eigenen Umgang mit Geld ist. Oft fühle ich mich schlecht, wenn ich hier oder anderswo lese, dass die Leute Hunderte Euros im Monat sparen.

    • Haha, ja, der Umgang mit Finanzen ist zum Glück wie so vieles sehr individuell, und wir wollen hier einfach verschiedene Sichtweisen und Herangehensweisen daran abbilden.

  2. Freue mich mega, hier mal einen Einblick zu lesen, der sich doch in Bezug auf Alter, Familiensituation, Werdegang etwas abhebt von den letzten Teilnehmerinnen des Fragebogens. Super spannend!

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