‚Oh, ich dachte, du wärst 27 …‘ – beide haben wir uns gegenseitig auf 27 geschätzt, als wir uns vor ungefähr zwei Jahren auf Sri Lanka ziemlich eat-prav-love-mäßig kennenlernten, nachdem ich meinen ersten richtigen Solo-Trip gewagt hatte. Tatsächlich konnte man bei ihm vier Jahre abziehen und bei mir fünf Jahre dazu addieren. 27 wäre eine Art Mitte gewesen, die für beide Seiten deutlich entspannter gewesen wäre – vor allem im ersten Jahr der Beziehung. Der doch eher hohe Altersunterschied hat anfangs vor allem auf ihn abschreckend gewirkt, er konnte sich schwer vorstellen, dass ich ihn als potenziellen Partner überhaupt in Betracht ziehen würde. Natürlich fand auch ich, dass da viele Jahre zwischen uns liegen, hatte aber aus meiner Dating-Historie viele gute Erfahrungen gerade mit jüngeren Männern machen können. Und die tatsächlich nicht so rosigen Erlebnisse mit tendenziell älteren Personen oder Typen in meinem Alter gesammelt.

Der Joke, Leonardo DiCaprio würde keine Frauen über 25 daten ist nur kurz witzig, denn er weist eigentlich auf eine traurige Wahrheit hin:

Es ist deutlich verbreiteter, dass Männer jüngere Partnerinnen haben und nicht umgekehrt.

Ein Spannungsfeld aus daddy issues, Machtgefälle, Patriarchat und power play macht sich da bei genauerem Betrachten auf. In der Gesellschaft auf breite Akzeptanz fallend, macht dieser Ansatz aus ‚biologischer‘* Sicht – leider – schon teilweise Sinn.

Frauen** haben nicht unendlich viel Zeit, Kinder zu bekommen – sofern sie welche möchten. Wenn sich also die Vorstellungen und Bedürfnisse zum Thema Familie nicht decken, wird der Blick in die Zukunft schnell wolkenverhangen. Wenn der männliche Part wiederum älter ist, bleibt in der Regel mehr Zeit über solche Themen nachzudenken, der Druck ist nicht zwangsläufig so hoch wie im umgekehrten Fall, wo die Frau älter ist.

Die Antwort auf die Frage nach dem Alter meines Partners*** ging selten runter wie Butter und oft habe ich das Thema in Gesprächen schnell wieder von meiner Beziehung weggelenkt. Manche fanden es progressiv, manche nickten wortlos, aber überrascht, andere wiederum fanden es sehr interessant und hatten viele Fragen im Gepäck, wenn sie von dem 10-Jahre-Altersunterschied hören und sind auch oft davon ausgegangen, dass der Altersunterschied nach oben und nicht nach unten stattfindet. Meine Eltern haben das Alter nur zur Kenntnis genommen, ich konnte aber an dem Blickwechsel, den sie austauschten, ablesen, dass das gewisse Bedenken auslöste. Auch von Freund:innen-Seite kam zum Teil das Feedback, ob er nicht arg jung sei und wie ernst er es wirklich meinen würde.

Oftmals haben mir tatsächlich Rollenbilder und Erfahrungen von anderen gefehlt.

Teils wurde die Beziehung von außen nicht ernst genommen, was mich manchmal traurig gemacht hat, aber irgendwann auf Unverständnis bei mir gestoßen ist. Bei Männern in meinem Alter mit deutlich jüngeren Partnerinnen wurde eine Ernsthaftigkeit nie so infrage gestellt. Die einfühlsamere Audience kann sich zwar vorstellen, was für Herausforderungen auftreten, wenn ein großer Altersunterschied besteht, aber wirklich wissen, tun es dann doch die wenigsten. Als wir zusammen auf Bali gelebt haben, haben wir ein Paar kennengelernt – sie war 14 Jahre älter als er. Ich war unglaublich erleichtert, mich mit ihr darüber austauschen zu können, statt einen Heidi-Klum-Vergleich zu bekommen.

Manchmal fühle ich mich sehr alt und manchmal sehr jung mit meinem Partner. Ich glaube, es wäre manchmal um einiges leichter gewesen, wenn wir in einem ähnlichen Alter wären.

Viele Dinge, die wir austarieren müssen, sind für andere Paare gar kein Thema.

Lange haben wir uns mit dem Kinder-Thema befasst und uns erst für eine herausfordernde Lösung entschieden und haben am Ende ganz schön gestruggelt. Der Vollständigkeit halber muss gesagt werden, dass auch andere Themen neben dem Alter eine Rolle spielen: Kulturelle Unterschiede sowie keine Möglichkeit sich im Land des jeweiligen anderen länger als 90 Tage aufzuhalten und daher lange Zeit in für uns beide fremde Länder gelebt, in denen wir uns jeweils nicht wirklich auf Dauer zu Hause fühlten.

Wenn ich das Thema des zehnjährigen Altersunterschiedes reflektiere, dann fällt mir auf, wie viel die Generation Z anders macht. Einiges ist gut, einiges für mich schwerer verständlich. Oft habe ich das Gefühl, dass die etwas jüngere Generation nicht ganz so mit lost boys gesät ist, wie die der Millennials. Das Thema Konsens ist weiter verbreitet – von jüngeren Männern wurde ich immer gefragt, ob es zum Beispiel ok ist, mich zu küssen. Das ist natürlich nur meine persönliche Erfahrung, aber in der Interaktion mit Personen in meinem Alter oder gar älter, habe ich das so nie gespiegelt bekommen. Dabei ist Konsens King.

In vielen Belangen habe ich jüngere Männer als fortschrittlicher empfunden, dem Feminismus irgendwie näher.

Mehr Bewusstsein über gerechtere Rollenverteilung, weniger Übergriffigkeit und eine deutlich bessere Kommunikationsfähigkeit mit dem Willen, sich emotional weiterzuentwickeln. Die Linie zwischen dem Machtgefälle aufgrund des Alters und einer wirklich vielleicht oder wahrscheinlich – und irgendwie auf hoffentlich – aufgeklärteren Generation, ist natürlich sehr dünn.

Daneben hat sich kürzlich ein weiterer interessanter Gedanke in mir breit gemacht: Oft habe ich mich einfach sicherer gefühlt. Sicherer vor sexuellen Übergriffen im Bett, mansplaining, alten Rollenbildern, verstaubten Geschlechterstereotypen. So als sei ich mit der anderen Person mehr auf einer Ebene und nicht in dem Mann-Frau-Macht-Gefälle auch in meiner Beziehung gefangen. Ich sage nicht, dass das mit Männern in meinem Alter nicht möglich wäre, ich sage nur, dass ich es bisher anders erlebt habe und vieles was mir in meiner Generation fehlt, bei jüngeren Männern vorhanden war.

Ich merke, wie ungeduldig ich werde, wenn ich einen Mann vor mir sitzen habe, der sich selbst fremd ist, an seine Gefühle nicht herankommt, rein rational durchs Leben läuft und kein Interesse an emotionalem Wachstum hat und gewohnt ist, sich das zu nehmen, was ihm eben gefällt – weil Männer das eben schon immer so gemacht haben. Da findet bei der Generation nach uns ein Umdenken statt, zumindest empfinde ich das mit viel Wohlwollen so.

Am Ende kennt Liebe viele Zahlen.

Und Leute, die sagen, Alter sei nur eine Zahl, lösen die Probleme, die es nun einmal bei einem großen Altersunterschied eben gibt, nicht. Es zwar stimmt, Alter ist nur eine Zahl – aber manchmal versaut sie einige Gleichungen des Lebens.

*Persönlich tue ich mir schwer, mit Biologie zu argumentieren – allerdings ist es ein Faktor, der hier ins Gewicht fällt.

**Personen mit Uterus.

***Disclaimer: Der Text wurde ihm vorab zugesendet und den Konsens für die Veröffentlichung habe ich mir von ihm geben lassen, weil es zwar meine Perspektive aber zu Teilen auch seine Geschichte ist.