Eizellen einfrieren: Wenn die biologische Uhr leiser tickt
Anne ist 33, überzeugte Remote-Workerin und steht mit einem Bein in der großen, weiten Welt, mit dem anderen noch in Berlin. Gerade ist sie in Australien, und wo die Reise des Lebens genau hingeht, steht noch nicht fest. Sie ist Yogi, Feministin und auf der Suche nach Stabilität in einem Leben, das gerade viel in der Schwebe ist. Mehr von Anne findet ihr unter @ach.ane auf Instagram, hier könnt ihr außerdem ihren Newsletter abonnieren!
Ich stelle eine kühne These auf, wenn ich behaupte, dass weitaus mehr Paar-Beziehungen, besonders in den 30ern, in die Brüche gehen würden, wenn Frauen keine biologische Uhr hätten.
Bei dem Nachuntersuchungstermin meiner Eizellen-Entnahme, die ich im Rahmen des social-freezing-Verfahrens habe machen lassen, sitze ich am Ende eine Stunde mit dem zu behandelnden Arzt mit noch leichten Schmerzen im Sprechzimmer und wir kommen vom Auswerten des Eingriffs zu eben solchen Themen. Er sagt, viele seiner Bekannten würden bei ihren Partnern bleiben, weil sie Angst haben, dann würde es mit dem Kinderwunsch gar nicht mehr klappen.
Fast jede Frau Anfang der 30er kennt die Rechnung.
Wenn man jetzt jemanden kennenlernt und dann noch zwei Jahre dazu addiert, weil man möchte sich ja erst einmal zu zweit zurechtfinden, und dann eventuell noch zwei weitere, wenn es nicht direkt klappt mit der Schwangerschaft – dann ist man schnell bei Mitte, Ende 30. Und damit in eben jener Zeit, in der die Fruchtbarkeit statistisch gesehen zurückgeht, da dann die Eizellen zu alt sind. Frauen werden mit all ihren Eizellen bereits geboren. Und da sie sich im Gegensatz zu Spermien nicht erneuern, wird der Kinderwunsch in ein Zeitfenster gepackt, welches bereits mit Mitte 35 klemmen kann, wenn man es öffnen möchte.
Seit ich in den 30ern bin, habe ich selbst oft kalkuliert, ungefähr so wie Jennifer Aniston als Rachel in Friends: „But wait, I do want to get married a year before I get pregnant. And I’d like to know the guy for a year, a year and a half before we get engaged…”. Und das, obwohl ich gar keinen akuten Kinderwunsch verspürte. In dem Spannungsfeld aus Alter und einem Umfeld, das nach und nach Kinder bekommt, wusste ich manchmal nicht, was Sehnsucht, was Druck von außen ist und was nach dem Prinzip „Wenn ich es nicht haben kann, will ich es aber“ funktioniert.
Bevor ich 33 wurde, habe ich mich viel mit dem Thema Fruchtbarkeit beschäftigt.
Ich habe mir Zahlen und Statistiken angesehen, in Kinderwunschforen mitgelesen, versucht, meinen Weg in diesem Informationswust zu finden. Am Ende hat mir bei der Suche immer eines gefehlt: eine Art Sicherheit – oder zumindest eine Annäherung an eine.
Als das Thema social freezing Mitte der 2010er-Jahre Aufmerksamkeit bekommt, nachdem Firmen wie Google und Apple ihren Mitarbeiterinnen das Angebot gemacht haben, ihre Eizellen einzufrieren, finde ich den Ansatz erst einmal nur spannend. Dass es so sowas gibt, ist mir komplett neu. Das erste Mal einen konkreten Gedanken dazu habe ich dann mehr als eineinhalb Jahre vor dem Eingriff bei einem Lockdown-Spaziergang mit meiner Freundin G., während wir beide auf die vereiste Spree schauen. Ja, mach das doch, sagt sie und ermutigt mich. Zum damaligen Zeitpunkt möchte ich meine finanzielle Reserve nicht dafür verbraten und beschließe, auf den nächsten Gehaltssprung zu warten.
Die Kosten für eine Runde Eizellen einfrieren belaufen sich auf etwa 3000 bis 4000 Euro, die man komplett selbst trägt.
Verheirateten Paaren, in deren IVF-Behandlung der erste Schritt komplett identisch in dem Verfahren des social freezings ist – die Eizellen werden bei IVF künstlich außerhalb des Körpers nach der Entnahme befruchtet und nicht wie beim social freezing eingefroren -, wird das übrigens finanziell bezuschusst.
Als ich im letzten Sommer aus Bali zurückkomme, wo sich der Wunsch nach dem Eizellen-Einfrieren noch einmal verfestigt hat, habe ich zwei Tage nach Ankunft in Berlin und einem verdauten Jetlag bei einer Kinderwunschklinik einen Termin zum Erstgespräch: Dort wird mir das Verfahren, das bestens erprobt ist, da es seit in den 80ern in der Krebsbehandlung* stattfindet, erklärt: Etwa 10 Tage hormonelle Stimulation der Eierstöcke, damit nicht wie sonst nur ein Ei pro Zyklus, sondern möglichst viele Eizellen heranwachsen, um so wiederum mehr entnehmen und einfrieren zu können. Nach 14 Tagen Heranreifen mit hormoneller Stimulation werden sie dann mittels Eierstockpunktion entnommen, ein Verfahren, das unter Vollnarkose innerhalb von 15 Minuten durchgeführt wird. Das Ganze beinhaltet zudem die Fähigkeit, sich jeden Morgen, um die Follikel zu stimulieren, und Abend, damit die Follikel nicht platzen, selbst in die Bauchdecke zu spritzen.
Dazu kommt sehr viel Müdigkeit und – in meinem Fall – viel Angst, vor dem Spritzen, und Weinen wegen der Hormone.
Nicht lange, nachdem meine Eier eingefroren wurden, habe ich einen full-circle-moment, als mir ein Interview-Snippet von Jennifer Aniston in meinen Instagram-Algorithmus gespült wird. Nach jahrelangen erfolglosen IVF-Behandlungen wünschte sie, ihr hätte früher jemand gesagt, sie solle ihre Eier einfrieren lassen.
Ich weiß, dass ich das für mich Richtige getan habe.
Direkt nach der Entnahme habe ich große Schmerzen, denn die Eierstöcke sind zu dem Zeitpunkt sehr ausgedehnt. Ich weine und die Schwestern um mich herum sind besorgt, geben mir mehr Ibuprofen, fragen, was los sei. Ich schüttle den Kopf, sehe zwar durch meinen Tränenvorhang und meine durch die Narkose noch verballerte Sicht ihre Gesichter nicht, aber lächle, denn endlich habe ich Ruhe im Kopf. Ich bin so erleichtert und stolz darauf, dass ich das nur für mich gemacht habe. Ich weiß, dass ich in der Zukunft zu diesem Moment gedanklich zurückkehren und mir selbst dafür danken werde.
Am Ende habe ich mir damit ein Stück weit Seelenfrieden sowie eine höhere Wahrscheinlichkeit, später Kinder zu bekommen, gekauft. Ich hätte es nur bereut, es nicht zu tun. In diesem Frühjahr werde ich die zweite Runde drehen und weitere Eizellen einfrieren lassen.