Ein Text über die Liebe und wie sie kaputt geht
Ich wurde verlassen, und es tut weh.
Wenn ich mit 21 über die Liebe schreibe, ist das für manche so, als würde ein Grundschüler über Bruchrechnung philosophieren. Ich sehe das genauso. Was weiß ich denn schon? Zumindest, dass es noch viel schlimmer geht. Andere werden vor dem Altar stehen gelassen, haben drei Kinder zu versorgen oder Miete zu bezahlen – alleine. Ich habe mit 21 Jahren nur die Person verloren, der ich ungefähr ein Jahr lang fast alles sagen konnte ohne Angst, dass sie mich mit anderen Augen sehen würde und der ich deshalb mehr vertraut habe als dem ganzen Rest. Das ist schon okay, auf sowas muss man vorbereitet sein, wenn man sich verliebt. Aber trotzdem tut es so weh.
Eines Abends im Januar liege ich in meinem Bett und mir wird klar, was sich schon länger ankündigt: Wir beide zusammen sind nicht so, wie wir sein sollten. Unser holpriger Start und auch unsere erste Trennung war nicht ohne Folgen. Ich liege bis morgens um vier Uhr wach, höre Musik und lasse meine Gedanken kreisen. Trotzdem will ich uns nicht aufgeben.
Die Beziehung ist wie ein Schuh, den ich sehr liebe,
von dem ich aber ständig Blasen bekomme.
Aber woher soll ich denn auch wissen, wann es sich lohnt zu kämpfen und wann man akzeptieren muss, dass es nicht sein soll? Ob man den Schuh nun einlaufen oder in die Tonne schmeißen muss? Ich entscheide mich für ersteres.
Lieber mit ihm zusammen unglücklich, als ganz ohne ihn zu sein. Außerdem ist das doch nix neues, sich mal nicht gut zu fühlen. Das gehört doch zu jeder Beziehung dazu. Deshalb überstürzt man doch nichts oder macht gar Schluss. Das wäre doch hirnverbrannt. Ich glaube nun zu wissen, was hirnverbrannt ist: das gute Gefühl, zeitgleich zu kämpfen und festzuhalten. Nur nicht aufgeben, naja außer mich selbst ein kleines bisschen. Aber das macht nix. Opfer muss jeder bringen. Das will die Liebe doch, oder? Es kann mir ja keiner erzählen, dass sie einem einfach zugeflogen kommt, wie die Gratisangebote bei Onlinebestellungen. Gratis Liebe ab einem Bestellwert von 20 Euro. So läuft das doch nicht.
Irgendwann verstehe ich dann, dass der andere nicht mehr festhält und ich die einzige bin, die Kraft verliert. Und der andere? Der schaut im besten Fall zu und hat etwas Mitleid; im schlechtesten schaut er gar nicht mehr hin und wartet, bis man endlich loslässt oder nun endlich so richtig auf die Fresse fällt mit seinem „Wenn wir an uns arbeiten, wird das alles gut, und wir wollen uns doch auch und ach, wir waren mal so glücklich und Mensch, wir lieben uns doch verdammt. Wird schon leichter werden irgendwann“.
Ehrlichkeit ist ein hohes Gut, glaube ich. Deshalb spreche ich ihn darauf an. Er hat es auch schon gemerkt. Na immerhin. Er weiß aber nicht, was er dagegen tun kann oder soll. Es ist eben so wie es ist. Scheiße. Wir sind kurz davor, eine Pause einzulegen, obwohl Pausen nur eine billige Ausrede sind, um das, was man aussprechen müsste, zu umgehen. Aber wir sind feige.
Um mich langsam auf die Trennung vorzubereiten, damit ich nicht ganz so tief falle, wie beim letzten Mal lese ich das Buch „Trennt euch!“. Der Autor schreibt sicher über Menschen wie mich, die nur einen kleinen Schubs in die richtige Richtung brauchen. Das Buch finde ich schlecht, mit allen Argumenten. Ich kündige ja auch keine Freundschaft, nur weil mir grad was nicht passt. Das macht man vielleicht mit einem Zeitungsabo, wenn man Geld sparen will und sowieso schon länger nicht mehr ganz überzeugt ist.
Aber es wär doch so lässig, wenn die Beziehung ein Zeitungsabo wäre, das man mit einer vorgeschriebenen E-Mail kündigen könnte und danach nie wieder was von ihr hört.
Lass jetzt verdammt nochmal los, schreie ich mich selbst an.
Sei lieb zu dir, sagt mir dann eine andere Stimme, auf die ich noch weniger Bock hab als auf die erste. Ich verkrampfe mir meine Fäuste vor lauter Festhalten, aber sie wollen nicht loslassen, als hinge ihr kleines erbärmliches Leben daran.
Dann passiert das, womit noch nicht einmal meine Fäuste gerechnet hätten: Mein Gegenüber lässt los und hinterlässt einen riesigen Haufen Enttäuschung, manchmal auch etwas (bis sehr viel) Wut, mit der ich jetzt alleine bin.
Ich ertränke meine Gefühle nicht in Eiscreme oder Tränen oder Friseurbesuchen, ich schaue nicht weinend irgendwelche Liebesfilme. Es sind die kleinen alltäglichen Sachen, die mich immer wieder an ihn erinnern und mich mit dem beklemmenden Gefühl zurücklassen, dass er nun nach und nach ein Fremder für mich werden wird. Wenn ich am Tiefkühlregal im Supermarkt stehe und irgendwas entdecke, das er gerne isst. Wenn ich an Orten bin, an denen wir mal waren. Klamotten, Lieder, Essen, Trinken, die Natur. Wenn ich generell denke. Ich weiß, es könnte schlimmer sein. Es war auch schon mal schlimmer. Aber von dieser Erkenntnis lässt sich der Schmerz nicht beeindrucken und sticht weiter in meine Brust. Manchmal vorhersehbar, oft überraschend. Es tut auch nicht nur emotional weh, sondern auch ganz rational, wenn ich drüber nachdenke, wie das mit uns gelaufen ist und ich mir vorstelle, ich sei ein Reporter, der darüber berichtet.
Gedanken sind ja alles was bleibt, wenn der Mensch schon gegangen ist. Tip tapping. Das singt Dillon mit Dirk von Lowtzow bei ZDF Kultur. Vielleicht ist die verlorene Liebe wie dieses Lied. Es ist so unfassbar traurig, als würde es den ganzen Weltschmerz in drei Minuten und 21 Sekunden greifbar machen. Weltschmerz, dieses Wort habe ich ihm versucht zu beschreiben als wir uns kennenlernten.
In meinem Auge zwickt was, ich glaube, Kontaktlinsen mögen keine Tränen. Die Liebe ist schön, wenn sie da ist; auch ertragbar, wenn sie nicht da ist, aber wenn sie irgendwo im Raum schwebt und es sich passiv im Sessel bequem macht und einem zuschaut, wie man versucht, sie zu verscheuchen, das ist unerträglich. Ich will auf der Stelle Bruchrechnung zurück. Darin war ich fast gut.
2 Antworten zu “Ein Text über die Liebe und wie sie kaputt geht”
Das hast du sehr schön ausgedrückt Debbie. Und nur weil wir noch jung sind heißt das nicht, dass wir nichts über die Liebe wissen können. Jeder weiß etwas anderes über die Liebe, weil jeder anders liebt. Schlimmer geht wahrscheinlich immer, das bedeutet aber nicht, dass einem der eigene Schmerz nicht auf wehtun darf.
Ich wünsche dir alles Gute und dass du den Sessel bald wieder für schönere Dinge freimachen kannst :)
Liebe Lea,
es gibt ein Zitat von Fitzgerald „There are all kinds of love in this world but never the same love twice.“ Das passt ziemlich zu dem, was du sagst. Vielleicht kann man auch von den anderen Arten zu lieben von anderen Menschen was lernen, da hast du sicher recht. Belächelt zu werden, nur weil man jung ist und noch nicht so viel Erfahrung gesammelt hat, ist kein schönes Gefühl.
Ich danke dir sehr <3